Der Sturm auf die Mühle

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Der Sturm auf die Mühle
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Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel.

Zweites Kapitel.

Drittes Kapitel.

Viertes Kapitel.

Fünftes Kapitel.

Der Sturm auf die Mühle

Emile Zola

Erstes Kapitel.

An einem reizenden Sommerabend herrschte in der Mühle des Vater Merlier ein reges festliches Treiben, und auf dem Hofe harrten drei reichlich gedeckte Tische der Ankunft der Gäste. Der ganzen Umgegend war es bekannt, daß man an diesem Tage die Verlobung Françoise’s, der Tochter Merlier’s, mit Dominiques feierte, welcher zwar für einen Faulenzer galt, den aber drei Meilen in der Runde alle Frauen mit glühenden Blicken betrachteten, so schön sah er aus.

Diese Mühle des Vater Merlier war ein herrliches Plätzchen, genau in der Mitte von Rocreuse gelegen, da wo die Landstraße einen Bogen beschreibt. Das Dorf selbst hat nur eine einzige Straße mit Häuserreihen zu beiden Seiten; aber an jener Straßenwindung breiten sich üppige Wiesen aus, und entlang der Morelle hüllen mächtige Bäume den Thalgrund in zauberhaften Schatten. In ganz Lothringen findet sich kein reizenderes Fleckchen Erde. Rechts und links ziehen sich an den sanften Berglehnen dichte Gehölze, überragt von hundertjährigen Bäumen empor, den Horizont mit einer Flut üppigen Grüns grenzend: während sich gegen Süden hin die wunderbar fruchtbare Ebene mit ihren von lebenden Hecken durchschnittenen Ländereien ausdehnt. Aber den Hauptreiz von Rocreuse bildet die erfrischende Kühle dieses grünen Plätzchens, wenn der Juli und der August mit ihrer sengenden, Sonnenglut alles Leben ringsumher ertöten. Die Morelle kommt aus den Wäldern von Gagny hernieder, und es scheint als sauge sie auf ihrem meilenlangen Laufe die Frische des Lebens auf, unter welchem sie hinfließt; sie — bringt das murmelnde Rauschen und den eisigen weihevollen Schatten der Wälder mit. Dennoch bildet sie keineswegs die einzige Kühlung; allerhand kleine Wasseradern plätschern unter den Büschen; fast auf jedem Schritt trifft; man eine lustig sprudelnde Quelle, und, den schmalen Fußpfaden folgend, wird der Wanderer unwillkürlich von dem Gefühl überwältigt, als müßten sich unter seinen Füßen, tief im Erdenschoß verborgen, Seen befinden, welche ihre Wasserfälle teils zwischen dem zarten Moosteppich, teils zwischen den Wurzeln der Bäume oder zwischen den Felsen in krystallreinen Brünnlein hervordrängen. Die flüsternden Stimmen dieser Wässerlein sind so zahlreich und so laut, daß sie selbst den Gesang der Finken übertönen. Man könnte sich hier in irgend einen Zaubergarten versetzt fühlen, wo von allen Seiten in wundervollen Windungen strahlende Wasserfälle herniederstürzen.

Unten in dem Thalgrunde sind die Wiesen reichlich; bewässert; riesige Kastanienbäume verbreiten dichten Schatten, und am Rande der Fluren hin ziehen sich lange Pappelreihen mit ihrem ewig rauschenden Blätterschmuck. Nach dem heutzutage in Trümmern liegenden alten Schlosse von Gagny steigen quer durch fruchtreiche Felder zwei Doppelreihen mächtiger Platanen empor. Wenn des Mittags die Sonne ihre senkrechten Strahlen herniedersendet, nehmen die Schatten einen bläulichen Schein an, und die Gräser scheinen bei der großen Hitze zu schlummern, während unter dem dichten Blattwerk ein eisiger zitternder Hauch dahinstrahlt.

Hier also war es, wo die Mühle des Vater Merlier, mit ihrem Klappern ein üppig grünendes Fleckchen belebte. Das Gebäude, aus Mörtel und Brettern errichtet, schien uralt zu sein. Zur Hälfte wurde es von der Morelle umspült, welche an dieser Stelle sich zu einem krystallreinen Becken erweitert. Außerdem hatte man eine Schleuße hergerichtet von welcher aus einer Höhe von mehreren Metern ein Wassersturz auf das Mühlenrad herniederbrauste, so daß, dieses bei seinen Drehungen knarrte und stöhnte wie ein alter im Dienste des Hauses ergrauter Knecht. Wenn man, dem Vater Merlier riet, dies Rad abzuschaffen, erklärte er kopfschüttelnd, ein neues würd: viel träger sein und die Arbeit nicht so gut verstehen. So besserte er denn das alte Rad mit allem möglichen aus, was ihm gerade unter die Hände kam, mit Faßdauben, verrostetem alten Eisen, Zink und Blei. Dadurch machte das Rad einen erheiternden Eindruck, zumal da es völlig mit Gras und Moos überwuchert war. Wenn das Wasser mit seiner silberhellen Flut darauf schlug, bedeckte es sich mit Perlen, und das sonderbare alte Ding bewegte sich gleichsam unter einem glänzenden Perlmuttergeschmeide.

Derjenige Teil der Mühle, welcher so von der Morelle umspült wurde, machte den Eindruck, als sei hier in grauer Vorzeit eine alte Arche gescheitert. Das Haus stand zur reichlichen Hälfte auf Pfählen; unter den Dielen rauschte das Wasser dahin, verschiedene Tümpel bildend, welche in der Umgegend gar wohl bekannt waren wegen der gewaltigen Aale und Krebse, die man darin fischte. Unterhalb des Falles war das Wasserbecken hell wie ein Spiegel, und wenn das Rad es nicht mit seinem Schaum trübte, konnte man darin Scharen großer Fische bemerken, welche ruhig wie ein Kriegsgeschwader dahinruderten. Eine halb zerfallene Treppe führte nach dem Flusse herab, und daneben befand sich ein Pfahl, an welchem ein Boot befestigt lag. Um das Mühlenrad herum führte eine Holzgalerie, während am Hause selbst die Fenster ganz unregelmäßig verteilt waren. Das Ganze bildete ein wirres Durcheinander von Nischen, kleinen Mauern, neuen Anbauen, Balkenwerk und Dächern, welche der Mühle das Aussehen; einer alten geschleiften Zitadelle verliehen Allein Epheuranken und allerhand Schlingpflanzen verdeckten die Lücken und hüllten das alte Gemäuer in einen üppig grünen Mantel. Den vornehmen Damen, welche hier vorüberreisten, bot die Mühle des Vater Merlier einen Lieblingsstoff zu einer Skizze ins Album.

Nach der Straße zu war das Haus massiver gebaut. Ein steinernes Portal öffnete sich nach dem großen, rechts und links von Schuppen und Ställen begrenzten Hofe, welcher zur Hälfte von einer neben dem Brunnen stehen den riesigen Ulme beschattet war. Im Hintergrund zeigte das Wohnhaus die vier Fenstern seines ersten Geschosses, überragt von einem Taubenschlage. Die einzige Koketterie des Vater Merlier bestand darin, daß er diese Fassade alle zehn Jahre weißen ließ. Dies war auch vor ganz kurzer Zeit wieder geschehen, und so strahlte jene Fassade beim Schein der Mittagssonne in blendender Weiße.

Seit zwanzig Jahren war Vater Merlier Maire von Rocreuse, und man achtete ihn wegen des Vermögens, welches er sich zu erwerben verstanden hatte und das sich auf etwa vierzigtausend Frank belaufen sollte. Zu der Zeit da er Madeleine Guillard geheiratet hatte, welche ihm als Mitgift den Besitz der Mühle einbrachte, besaß er weiter nichts als seine beiden gesunden Arme. Dennoch war Madeleine nie unglücklich über seine Wahl gewesen, so vorzüglich hatte er den Haushalt zu leiten gewußt. Jetzt war seine Frau tot, und er stand als Wittwer mit seiner einzigen Tochter Françoise da. Ohne Zweifel hätte er sich zur Ruhe setzen und das Mühlenrad ruhig in seiner Mooshülle schlummern lassen können, allein er würde sich dann zu sehr gelangweilt haben und das Haus wäre ihm wie ausgestorben erschienen. So arbeitete er denn immer noch, bloß zu seinem Vergnügen Vater Merlier war damals — ein hoher stattlicher Greis mit langem, schweigsamem Gesicht, über welches nie ein Zug des Lächelns glitt, das aber trotzdem ein außerordentlich heiteres Gemüt verdeckte. Man hatte ihn einesteils wegen seines Reichtums zum Maire gewählt, andernteils aber auch wegen des würdigen Aussehens, welches er anzunehmen verstand, wenn er eine Heirat schloß.

Françoise Merlier hatte eben ihr achtzehntes Jahr überschritten. Wegen ihrer Schmächtigkeit rechnete man sie nicht unter die schönen Mädchen des Landes, ja, bis zu ihrem fünfzehnten Jahr war sie sogar häßlich gewesen. In Rocreuse konnte man nicht begreifen, wie die Tochter zweier so wohl gestalteter Leute, wie Vater und Mutter Merlier es waren, so kläglich empor wuchs. Aber mit ihrem fünfzehnten Jahr bekam sie, obwohl immer noch schwächlich, ein reizendes Gesichtchen. Ihr Haar und ihre Augen waren schwarz, und ein rosiger Hauch breitete sich über ihre zarte Haut; den Mund umspielte beständig ein reizendes Lächeln, Grübchen zierten die Wangen, und ihre Stirn war glatt und glänzend als ob eine Lichtkrone darauf ruhte. Obgleich sie unter den Landleuten für schmächtig galt, war sie doch keineswegs mager; man wollte damit einfach sagen, daß sie nicht so, viel Kräfte besessen hätte, um einen Sack Getreide emporzuheben; aber mit den Jahren nahm ihre Körperfülle immer mehr zu, und sie mußte schließlich einmal üppig und rund werden wie eine Wachtel. Nur hatte das schweigsame Wesen ihres Vaters ihr schon in früher Jugend eine gewisse ruhige Besonnenheit eingeflößt, und wenn sie auch beständig lächelte, so that sie dies doch nur den andern zu Gefallen; denn im Grunde war sie ernst.

Natürlich machte ihr die ganze Umgegend den Hof, mehr noch wegen ihres Geldes als wegen ihrer Anmut. Schließlich aber hatte sie selbst eine Wahl getroffen, über welche allgemeine Entrüstung herrschte. Jenseits der Morelle nämlich lebte ein schmucker Bursche Namens Dominique Penquer. Er stammte nicht aus Rocreuse, sondern war vor zehn Jahren aus Belgien gekommen, um hier einen Oheim zu beerben, welcher dicht am Rande des Waldes von Gagny gerade gegenüber der Mühle ein kleines Gut besaß. Er komme nur, meinte er, um dieses Gut zu verkaufen und dann wieder in seine Heimat zurückzukehren. Indeß die Gegend schien ihm außerordentlich zu gefallen, denn er dachte gar nicht wieder ans Fortgehen. Man sah ihn sein Stückchen Land bebauen und einige Hülsenfrüchte ernten, von denen er lebte. Seine Lieblingsbeschäftigungen waren Fischerei und Jagd, und mehrere Male hätten ihn beinahe die Flurwächter ergriffen und verklagt. » Dieses freie Leben, bei dem sich die Bauern die Hilfsquellen nicht erklären konnten, hatte ihn schließlich in ein übles Renommee gebracht, sodaß man ihn ganz unverhohlen für einen Wilddieb erklärte. Eins allerdings ließ sich nicht leugnen, seine Faulheit; denn oft fand man ihn behaglich im Grünen schlummern zu Stunden, wo er hätte arbeiten sollen. Das Häuschen, welches er am Waldrande bewohnte, machte auch nicht den Eindruck, als könne es einen ehrenwerten Burschen beherbergen. Er hätte gleich mit den Wölfen der Ruinen von Gagny handeln können, ohne daß die alten Weiber davon überrascht gewesen wären. Dennoch wagten die jungen Mädchen zu weilen, ihn in Schutz zu nehmen, denn dieser unheimliche Gast war ein prächtiger Bursche, schlank und groß wie eine Pappel; seine Haut war weiß und zart, sein Bart und sein blondes Haar schimmerten im Sonnenschein wie reines Gold. Eines schönen Morgens hatte nun Françoise dem Vater Merlier gegenüber rundweg erklärt: sie liebe Dominique und werde nie einen andern Burschen heiraten als ihn.

 

Man kann sich wohl denken, welch ein harter Schlag dies für Vater Merlier war. Seiner Gewohnheit gemäß: sagte er kein Wort, sein Gesicht zeigte denselben nachdenklichen Zug wie ehedem, nur leuchtete jene innere Heiterkeit nicht mehr aus seinen Augen. Eine ganze Woche lang schmollten beide mit einander, und auch Françoise war völlig ernst geworden Was den Vater Merlier am meisten beunruhigte, war der Gedanke, daß jener unheimliche Wildschütz seine Tochter möglicherweise behext haben könne. Noch nie hatte sich Dominique in der Mühle sehen lassen. Deshalb beobachtete ihn jetzt der Müller und bemerkte ihn eines schönen Tages, wie er jenseits der Morelle im Grase lag und sich stellte als ob er schliefe. Françoise konnte ihn von ihrem Zimmer aus sehen. Nun war die Sache klar: die beiden mußten einander liebgewonnen haben, indem sie sich über das Mühlenrad hinweg zärtliche Blicke zuwarfen. Unterdessen verstrichen weitere acht Tage, und Françoise wurde mit jedem Tage ernster. Vater Merlier sagte noch immer nichts, bis er eines Abends selbst Dominique mitbrachte. Françoise eben mit dem Decken des Tisches beschäftigt, schien darüber gar nicht er staunt zu sein und begnügte sich damit, ein Kouvert mehr aufzutragen; nur die Grübchen in ihren Wangen waren von diesem Augenblick an wieder sichtbar und das alte Lächeln spielte wieder um ihre Lippen. Am Morgen dieses Tages hatte Vater Merlier Dominique in seinem Häuschen am Waldrand einen Besuch abgestattet, und hier war zwischen beiden Männern drei Stunden lang bei verschlossenen Thüren unterhandelt worden. Was sie einander gesagt haben, hat nie ein Mensch erfahren. Nur soviel ist gewiß, daß Vater Merlier beim Hinausgehen, Dominique bereits wie seinen eigenen Sohn behandelte. Ohne Zweifel hatte der Greis in diesem Faullenzer, welcher sich ins Gras legte, um sich bei den Mädchen beliebt zu machen, einen Burschen gefunden wie er ihn suchte.

Ganz Rocreuse war in Aufregung, und die Klatschbasen vor den Thüren sprachen ganz unverblümt von der Thorheit des Vater Merlier, welcher solch einen Taugenichts in sein Haus einführte. Er aber ließ sie reden. Vielleicht hatte er sich dabei an seine eigene Heirat erinnert. Auch er besaß keinen Heller, als er Madeleine mit ihrer Mühle heiratete, und war dennoch glücklich mit ihr gewesen. Übrigens bereitete Dominique diesen Klatschereien bald ein Ende, indem er sich plötzlich so thätig zeigte, daß alle Welt über ihn erstaunte. Eben jetzt war der Mühlbursche zur Fahne getreten, und Dominique wollte durchaus nicht, daß ein andrer in Dienst genommen werde. Er trug die Getreidesäcke, fuhr den Müllerwagen, ärgerte sich mit dem alten Mühlenrad herum, so oft dieses sich, so zu sagen, bitten ließ, wenn es sich einmal umdrehen sollte; und dies alles that er mit solchem Eifer, daß man ihm mit Vergnügen zusah. Vater Merlier, stolz darauf, diesen Burschen gewählt zu haben, zeigte wieder seine verstohlene Heiterkeit. Was für Mut doch die Liebe den jungen Leuten einflößt!

Bei allem diesem Geschäftstreiben empfanden Françoise und Dominique eine glühende Verehrung für einander, und obwohl sie nicht von ihrer Liebe miteinander sprechen, konnte man dieselbe doch aus ihren verliebten Blicken und dem glücklichen Lächeln lesen. Bis jetzt hatte Vater Merlier noch kein Wort von der Heirat erwähnt und die beiden, den Entschluß des Greises geduldig erwartend, beobachteten dieses Schweigen mit tiefer Achtung. Endlich, gegen Mitte Juli, hatte er eines Tages drei Tische im Hofe unter der großen Ulme aufstellen lassen und lud seine Freunde in Rocrense ein, bei ihm zu Abend zu speisen. Als der Hof sich gefüllt hatte und jedermann sein Glas in der Hand hielt, erhob Vater Merlier das seinige mit den Worten:

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