Blau Wasser

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Friedrich Gerstäcker

Blau Wasser.

Aus dem Matrosenleben.

Aus der See.

Volks- und Familien-Ausgabe Band Zwei

der Ausgabe Hermann Costenoble, Jena

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

Ungekürzte Ausgabe nach der von Friedrich Gerstäcker für die Gesammelten Schriften, H. Costenoble Verlag, Jena, eingerichteten Ausgabe „letzter Hand“, herausgegeben von Thomas Ostwald für die Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V., Braunschweig

Unterstützt durch die Richard-Borek-Stiftung und

die Stiftung Braunschweigischer Kulturbesitz, beide Braunschweig

Friedrich-Gerstäcker-Gesellschaft e.V. u. Edition Corsar

Braunschweig. Geschäftsstelle Am Uhlenbusch 17

38108 Braunschweig

Alle Rechte vorbehalten. © 2005 / 2021

Der Schiffszimmermann.

Leise wogte die See und warf nur wie spielend ihre durchsichtigen tiefblauen, silberbeschäumten Wogen gegen die Korallenriffe von Tubuai, der Hauptinsel einer kleinen Gruppe von Eilanden im Stillen Meere, deren Palmen die milde Luft durchrauschte und über deren bis zur höchsten Kuppe bewaldeten Bergen der Himmel sich rein und sonnig spannte.

Am sandigen Korallenstrand spielten, als die Schatten länger wurden und das heiße Taggestirn sich mehr und mehr dem Horizont zuneigte, eine ganze Schaar bronzefarbiger munterer Kinder, haschten sich, indem sie über die scharfen Korallenstücke mit den nackten Sohlen hinliefen, als ob ihre Füße mit Leder und Eisen gegen jede Verletzung geschützt wären, oder schaukelten sich an langen, aus Cocosfaser gedrehten und in den Kronen der Palmen befestigten Seilen herüber und hinüber - jetzt weit über das blaugrüne Binnenwasser hinaus, über das die mächtigen Bäume ihre Wipfel neigten, jetzt hinein in das Guiaven- und Orangendickicht, mit keckem Fuß die Gefahr abwehrend, gegen irgend einen der nahen Stämme geschleudert zu werden.

Die erwachsenen Männer lagen behaglich ausgestreckt im Schatten eines kleinen Orangen- und Bananenhains, dessen Ausläufer wunderlich starrästige Pandanusbäume bildeten, und /6/ schauten theils den Spielen der Kinder zu, theils ziemlich gleichgültig nach einem in der Ferne sichtbar gewordenen Segel, das mit der leichten Brise langsam näher kam. — Geschäftiger dagegen waren die Frauen, die hier und da in der durchsichtigen Fluth Cocosschalen zu Bechern abschliffen, Kränze und Haarschmuck aus den weißen zarten Fasern der Pfeilwurz wanden, oder auch mit der Angel, bis zum Gürtel im Wasser, zwischen den Korallen standen, ein leckeres Abendmahl von kleinen Fischen zu fangen. Diese wurden dann roh, nur in Cocosmilch und Salzwasser getaucht, und mit der gerösteten oder gedämpften Brodfrucht gegessen.

Früher schallte hier freilich auch das muntere Getön der Tapaklöppel durch das schattige Dunkel der Waldung. Die Frauen und Mädchen verfertigten sich damals aus der gegohrenen Rinde des Brodfrucht- und Bananenbaumes ihre eigenen Stoffe zu Pareu und Schultertuch, und während ihnen lachend und singend die Arbeit zum Spiel wurde, sammelten sich die jungen Leute um sie her, halfen ihnen den Teig einkneten und ausbreiten, und schnitzten ihnen aus dem harten Holz der Casuarine die Klöppel.

Jetzt ist das freilich vorbei. Zuerst brachten ihnen die Missionäre, dann andere anlegende Schiffe, besonders Walfischfänger, buntfarbige Kattune und andere billige Stoffe, die ihnen besser gefielen als die einfache, selbstgefertigte Tapa. Die einzige wirkliche Arbeit, die sie bis dahin gekannt, wurde also bei Seite geworfen, und der edle Müßiggang, dem die Natur hier mehr als an irgend einem andern Ort der Welt Vorschub leistet, ward ihnen bald lieber als alles Andere. Manchen schlimmen Einfluß hatte das allerdings auf sie, aber das Gutmüthige, Einfache, Herzliche in ihrem ganzen Wesen konnte es ihnen doch nicht rauben. Froh und fröhlich lebten sie in den sonnigen Tag hinein, und der Gott da oben, der über ihre Heimath das ganze Füllhorn seiner reichen Schätze ausgeschüttet, mußte ihnen ja wohl ein lieber Vater sein.

Wenig waren sie dabei mit den Weißen, die sich schon aus den benachbarten Inselgruppen festgesetzt, ja einen Theil /7/ derselben sogar gewaltsam in Besitz genommen, in Berührung gekommen. Zwei Missionäre siedelten sich allerdings an der Nordseite der Insel an, deren gutmüthige Bewohner sie bald ihrem Glauben gewonnen hatten. In wirklich innigem Verkehr mit ihnen lebte aber nur ein einziger Weißer, ein junger, blauäugiger, frohsinniger Schotte, der vor fünf oder sechs Jahren auf einer der Tonga-Inseln einem Walfischfahrer, auf dem er als Zimmermann gefahren, entlaufen war und seinen Weg hierher gefunden hatte. Hier aber fesselte ihn sein Herz. Er verliebte sich in eins von den lieben Gesichtern der jungen Tubuai-Mädchen, die dort zu Dutzenden umherliefen, und da ihm das stille gemüthliche Leben dieses, wenn auch von der Welt abgeschiedenen, doch reizenden Platzes ebenfalls gefiel, und die Eltern nicht die geringsten Schwierigkeiten machten, sondern nur eine rechtsgültige Trauung von dem Missionär verlangten, gab er sein unstätes Umhertreiben auf und wurde erstlich ein verheiratheter Mann, und dann später ein Familienvater auf Tubuai.

Er selber war zwar nur mit der Schulbildung aufgewachsen, die Knaben in seinen Verhältnissen daheim gewöhnlich erhalten; aber sein Handwerk hatte er tüchtig und brav gelernt, und machte weiter an ein gesellschaftliches Leben keine größeren Ansprüche, als ihm die Insel eben bieten konnte. Unter dem blauen Himmel und den wehenden Palmen dieses kleinen Paradieses und zwischen den guten und einfachen Menschen verlangte er nichts weiter, denn das häusliche Glück, das er dort gesucht, hatte er ja gefunden. Ueberdies fesselten ihn an die verlassene Welt keine anderen Familienbande mehr. Seine Eltern daheim waren todt, Geschwister hatte er nie gehabt, und Intaha, sein liebenswürdiges Weib, das ihm zwei Kinder geboren, war ihm Alles.

Ehrlich und offen in seinem ganzen Wesen und bei Weitem nicht so rauh und dem Trunk ergeben, wie es die englischen Seeleute sonst nur zu häufig sind, waren ihm auch die Eingeborenen bald alle freundlich geneigt, und durch seine Geschicklichkeit in manchen für sie höchst werthvollen Kenntnissen wurde er ihnen bald zu einem so nützlichen als gerngesehenen Gefährten. /8/

Tomo, in welchen Namen die Eingeborenen sein Tom Burton bald umgetauft, lag auch heute wieder mit ihnen am Strand und schaute halb träumend, halb sinnend zu dem fernen Segel hinüber, das nur langsam und schwerfällig mit der leichten Brise näher kam. Wohl gingen ihm dabei die früheren Scenen wieder durch den Sinn, die er selber damals an Bord eines Schiffes durchlebt: die schwere böse Arbeit, der ewige Unfrieden mit dem Capitain, - dann seine glückliche Flucht, wo er, fünf Tage an wilden Bananen, sogenannten Feis, zehrend, auf den Höhen von Hapai zugebracht, - dann seine späteren Kreuzfahrten zwischen den schönen Inseln, und nun sein jetziges friedliches Stillleben auf der kleinen Scholle mitten im Weltmeer drin.

„Und wenn Du jetzt mit dem Schiffe dort in die Heimath zurückkehren könntest," - gingen seine Gedanken dabei, - „möchtest Du fort? - möchtest Du Intaha und die Kleinen verlassen, um da draußen wieder unter den kalten, herzlosen Menschen das alte Leben zu beginnen? Nein, bei Gott nicht. Es giebt nichts dort, was mich zurück zu ihnen locken könnte, und es kommt mir manchmal wirklich so vor, als ob ich nur eigentlich aus Versehen im alten Europa geboren wäre, so ganz und völlig gehör' ich hierher, wohin mich mein gutes Glück zur rechten Zeit geführt. Da draußen mögen sie sich indessen drängen und treiben, um Geld, nur immer mehr Geld zu verdienen, und das Verdiente dann im wüsten Schlemmen zu verprassen, wie ich es selber früher manchmal gethan. Ich will jetzt hier genießen und mich meines Glückes freuen, -die Welt - bah - so viel für den ganzen unnützen Lärm, den sie darum machen!" -

Die Sonne war indessen, ein rother Gluthenball, im Meer versunken, und seine Frau, ein blühendes, blumengeschmücktes, junges, lächelndes Weib, kam, das jüngste Kind ihr auf der linken Hüfte reitend - wie die Frauen dort ihren jungen Nachwuchs tragen - das älteste, einen kleinen, muntern, dreijährigen Burschen, an der Hand, um ihn abzuholen. Der Thau fing schon an naß niederzufallen.

Das Schiff war noch eine ganze Zeit in dem Hellen Streifen sichtbar, der im Nordwesten auf dem Horizont lag, und zeich-/9/nete jetzt sogar deutlich seine Raaen und Segel ab. Bald jedoch verschwanden die Umrisse desselben in dem Bleigrau des sinkenden Abends, und als der Mond im Osten über die Berge stieg, war es ganz verschwunden.

Die Indianer interessirten sich aber in der That nur für d i e Schiffe, die wirklich bei ihnen anlegten, was indessen sehr selten geschah. An diese konnten sie dann Früchte, Gemüse, die sie ihr weißer Freund bauen gelehrt, und auch wohl geschlagenes Holz, gegen Beile, Tabak, Kattun, Schmuck, Nägel, Spiegel und andere Kleinigkeiten eintauschen. Daß sie dabei nicht so sehr übervortheilt wurden, überwachte Tomo ebenfalls, und wie er ihnen bei solchen Gelegenheiten als Dolmetscher werthvolle Dienste leistete, war er ihnen auch in dieser Hinsicht unendlich nützlich.

Mühe genug hatte es ihn aber gekostet, die Eingeborenen zu einer wirklich schweren Arbeit zu bringen, wie das Holzhauen in diesem Klima ist, und wenig nützte es dabei, daß er ihnen selber mit gutem Beispiel voranging. Sie setzten sich um ihn her, sahen ihm zu und wollten sich todt lachen, wenn ihm der Schweiß in großen Tropfen von der Stirn lief, wurden aber stets sehr ernsthaft, sobald er ihnen selber die Axt in die Hand drückte, und warfen sie auch bald wieder fort. Nur als sie später in die Hände Derer, die am fleißigsten gewesen waren, ziemlich reichlichen Gewinn fließen sahen, ließen sie sich eher dazu bewegen mit zuzugreifen. Zureden kostete es indeß noch immer.

 

Solch Holzschlagen war aber trotzdem ein Fest für die fröhlichen Kinder dieser Palmenwelt, die das Freundliche einer Sache stets am leichtesten und schnellsten herausfanden. Dann sammelten sich die Mädchen und Frauen um die Arbeiter, pflückten Blumen und banden Kränze, mit denen sie die Geschicktesten und Fleißigsten krönten, oder lachten auch wohl über die Unbehülflichkeit des Einen oder des Andern. Das geschah aber auf so gutmüthige, herzliche Weise, daß er nie hätte darüber böse werden können, und jetzt schon durch eine Art von Ehrgeiz angetrieben wurde, seine Sache besser zu machen und ebenfalls einen Kranz zu verdienen.

Der nächste Morgen dämmerte eben im Osten, und ein /10/ paar der jungen Leute waren früh aufgestanden, um auf den Fischfang hinauszufahren. Deren Ruf weckte aber bald noch mehrere Kameraden, die, als sie erstaunt aus ihren Hütten schauten, das gestern Abend erspähte Schiff klar und deutlich und schon ziemlich nah herankommen sahen. Hätte es nicht die Absicht gehabt, bei ihnen anzulaufen, so würde es die Nähe der Korallenriffe, die sich um alle diese Inseln bilden und sie oft auf viele Meilen im Umkreis umschließen, gewiß gemieden haben.

Der Seemann hat von diesen Plätzen noch keine guten Karten, und in der That wechseln auch die verborgenen Klippen zu oft, um all' die gefährlichen Stellen mit Gewißheit angeben, und wenn sie angegeben wären, sich auf sie verlassen zu können. Wenn deshalb Schiffe an einer solchen Insel anlegen wollen, halten die Fahrzeuge darauf zu und kreuzen entweder über Nacht in sicherer Entfernung, das Tageslicht abzuwarten, oder werfen auch wohl Anker, wenn sie sichern Grund erreichen können.

Das letztere geschieht freilich nur selten, da die Koralle - jener geheimnißvolle Baum der Südsee, von dem man noch nicht weiß, ob er sein Wachsthum sich selbst, oder einem darin hausenden Wurm verdankt - fast immer von bedeutender Tiefe jäh und schroff bis an die Oberfläche emporsteigt. Während hier die Woge über das bis zum Wasserrand gehobene Riff hinüber schäumt, findet dicht daneben das Senkblei oft auf fünf- und sechshundert Fuß keinen Grund. An ein Ankern ist natürlich in solcher Tiefe nicht zu denken.

Das fremde Schiff - darüber war kein Zweifel mehr - hatte jedenfalls die Absicht, mit dem Laude in Verbindung zu treten, und eine rege fröhliche Geschäftigkeit kam bald über die noch eben schlaftrunkenen Bewohner des Strandes. Vor allen Dingen weckten sie Tomo, um ihn von dem erfreulichen Ereigniß in Kenntniß zu setzen, und gingen dann eifrig daran, theils Cocosnüsse und Bananen, Orangen, Guiaven, Papayas, und wie die hundert Früchte alle heißen, zu pflücken, theils Brodfrüchte abzunehmen und süße Kartoffeln, Jams und Wassermelonen aus den Feldern zu holen. Die Frauen waren dabei eben so fleißig, mit rasch niedergeworfenen Blättern /11/ der Cocospalme auf eine eigene geschickte, aber unendlich einfache Weise Körbe zu flechten. In diesen konnten sie die Früchte weit besser verpacken und an Bord liefern, und hatten dadurch auch eher einen Maßstab für die Masse und den Werth derselben.

Intaha, die geschickteste und fleißigste der Insulanerinnen, hatte aus Bambusstreifen und zierlich gefärbten Pfeilwurzfasern allerliebste kleine Körbchen und Taschen gefertigt, um dieselben bei nächster Gelegenheit gegen manche kleine Bequemlichkeit von landenden Weißen einzutauschen. Von Tomo selber standen sechs Klaftern Holz aufgestellt, und er hoffte mit seinen Gemüsen, die er gebaut, seinen Früchten, die ihm Gottes Güte wachsen ließ, und seinen Hühnern und Schweinen, die er gezogen, diesmal ein ordentliches kleines Capital anlegen zu können.

Das Schiff kam indessen immer näher, und als es fast bis dicht an die Riffe aufgekreuzt war, wurde ein Boot ausgesetzt. Dieses, von vier tüchtigen Riemen getrieben, hatte schon die schmale Einfahrt in die Riffe bemerkt, und kam jetzt durch das glatte Binnenwasser, das stets zwischen den Riffen und dem festen Lande liegt, rasch herbeigerudert. Und wie drehten die Matrosen, die nun so lange da draußen an Bord Salzfleisch und harten Schiffszwieback gekaut, und nichts gesehen hatten als das weite, weite Meer, beim Anrudern den Kopf so sehnsüchtig bald rechts, bald links über die Schultern, um das Auge einmal wieder an dem saftigen frischen Grün der Bäume zu laben - wieder einmal Frauen und Kinder zu schauen und das Rauschen und Flüstern des Windes im Laub zu hören!

Oh Ihr, die Ihr auf festem Lande lebt und noch nie aus Sicht des heimischen Bodens gekommen seid, Ihr wißt gar nicht, welcher unendliche Zauber für den seemüden Wanderer allein nur in dem kleinen Wörtchen Land verschlossen liegt. Wie leicht sich das unter der Sohle fühlt, wenn es der springende Fuß zum ersten Mal wieder berührt; wie süß die Blumen duften; wie melodisch die Vögel singen; wie wunderbar gefärbt das Alles erscheint! - Ein eigener Zauber liegt auf solchem fremden Boden. Wenn aber schon der Seemann selbst der /12/ unwirthbarsten, rauhesten Küste ihre freundliche Seite abzugewinnen weiß, über das kleine dürftige Haideblümchen jubelt, das er zwischen nacktem Felsgestein gefunden, und bunte Muscheln und Kiesel am Strande sucht, um sie zur Erinnerung mit auf's Schiff zu nehmen - wie ist ihm da zu Muthe, wenn sein Fuß ein fertig Paradies betritt, wo die Natur das Schönste, was sie irgend bietet, in dem so kleinen engen Raum mit vollen Händen aufgehäuft. Daß die Leute dann oft wie im Taumel umhergehen und, wie die Kinder, gar nicht wissen, nach welchem Genuß sie zuerst langen, welche Frucht sie zuerst pflücken sollen, kann man ihnen wahrlich nicht verdenken.

Wie der Gefangene, der nach langen Jahren schwüler Kerkerhaft zum ersten Mal wieder die freie, von Mauern nicht umschlossene Luft einathmet, den blauen Himmel nicht durch ein Eisenfenster gegittert sieht, so verlassen sie das Schiff auf kurze Zeit, sich das Firmament einmal wieder durch einen Baumwipfel anzusehen und gleich nachher - die lange, mühselige Fahrt auf's Neue zu beginnen. Daß die Leute dann beim Anblick der wehenden Palmen, süßen Früchte und lieben, freundlichen Gesichter manchmal eine Art von Heimweh bekommen und dem Schiff zu entlaufen suchen, ist allerdings unrecht, denn sie brechen einen eingegangenen Contract, - aber erklärlich und menschlich bleibt es immer.

Die Capitaine wissen das auch, und obgleich schwere Strafen darauf gesetzt sind und die Leute oft den seit Jahren mühsam verdienten Lohn, den der Capitain für sie in Händen hat, im Stich zu lassen genöthigt sind, um nicht wieder mit hinaus auf das öde Meer, um nicht wieder diese Küsten verlassen zu müssen, so trauen sie ihrer Mannschaft doch nimmermehr. Wo sie einmal an solcher Insel anlegen, brauchen sie jede nur mögliche Vorsicht, und diejenigen von den Matrosen, welche nicht das Boot mit rudern, dürfen das Land gar nicht betreten.

Auf solche Art sehen dann die armen Teufel von Matrosen von dem wunderschönen Land, das sie nach langer Fahrt zu betreten hoffen, gewöhnlich unendlich wenig. Vor ihnen /13/ rauschen die Palmen und fließt der murmelnde Quell unter fruchtschweren schattigen Zweigen hin - aber nicht für sie. Was hiftt es ihnen, daß sie dem Namen nach fremde Länder besuchen? Wie der Gefangene aus dem Fenster seiner Zelle die grünen Felder und die darauf schaffenden freien Menschen erkennen kann, ohne hinaus zu ihnen zu dürfen, so lehnt der Matrose an seinem Bord und schaut sehnsüchtig nach dem wundervollen Schauspiel hinüber, das sich seinen Augen bietet. Er mißt vielleicht mit einem verzweifelten Blick die Entfernung zwischen Schiff und Land, das möglicher Weise mit Schwimmen zu erreichen wäre, während er die Unmöglichkeit kennt, es zu gewinnen, bevor er von dem nachgeschickten Boot wieder eingeholt und zurückgebracht würde, und wendet sich dann seufzend ab, seinen allerdings freiwillig übernommenen Geschäften, die ihn jetzt rettungslos binden, in alter Weise nachzugehen.

Nur wenig mehr Freiheit haben die Ruderer. Allerdings betreten sie den Boden und dürfen sich selber, wenn sie Lust haben, die am Strand wachsenden Früchte pflücken, aus der Quelle trinken und mit den Eingeborenen verkehren, ihnen die Hand drücken und ihren herzlichen Gruß erwidern. Aber ehe sie nur eigentlich recht zur Besinnung kommen können, ist auch die kurze Zeit schon wieder vergangen, der Befehl zum Einschiffen erfolgt, und hinter ihnen liegt wieder auf lange, lange Monde - vielleicht auf Jahre, der schöne Traum von Früchten, Land und Bäumen und den freundlichen lieben Gesichtern guter, harmloser Menschen. Ihre Heimath ist von da auf's Neue das Meer, ihr Geschäft: den schmutzigen, übelriechenden Thran auszukochen und den Elementen ihre Existenz, ihr Leben abzuringen.

Doch daran dachten sie jetzt nicht. Kaum berührte der scharfe Kiel des leichten, die Wogen rasch durchschneidenden Walfischbootes den rauhen Korallensand, als sie auch, wie mit einem Schlag, ihre Ruder hineinwarfen und nach allen Seiten hin über Bord sprangen, um das Boot höher hinauf an Land zu ziehen. Fröhlich und geschäftig umringte sie dabei das neugierige, lachende, jubelnde Volk der Eingeborenen, die recht gut wußten, daß sie von solchen anlandenden Booten /14/ nichts zu fürchten hatten, wie diese Mannschaft ja auch eben so sicher in ihrer Mitte war.

Der Harpunier nun, der jetzt ebenfalls langsam das Boot verließ, überschaute erst forschend und langsam die fremden ihn umgebenden Menschen, um irgend Einen darunter herauszufinden, der vielleicht eine Autorität unter den Uebrigen sein könnte, und dann mit diesem seinen beabsichtigten Handel abzuschließen. Da fiel sein Blick auf die Gestalt des weißen Mannes, der eben noch ganz in seiner europäischen, nur aus leichten Stoffen gefertigten Tracht unter dem kühlen Schatten der den Strand umschließenden Bäume sichtbar ward und langsam zum Boot herunterkam.

Auf diesen schritt er, nicht wenig erfreut jetzt einen sichern Dolmetscher zu haben, zu, streckte ihm die Hand entgegen, die Tom nahm, und sagte auf Englisch: „Ein Landsmann etwa? - Sollte mich verdammt freuen, den hier zwischen dem Kauderwelsch der Burschen zu finden."

„Ein halber wenigstens - ein Schotte!" lachte Tom. „Wie geht's Euch? - Freue mich, Euch hier auf Tubuai begrüßen zu können." -

Der Seemann drückte die ihm gebotene und noch nicht wieder losgelassene Hand aus Leibeskräften und sprach freundlich:

„Vortrefflich; und nun können wir auch unsere Geschäfte gleich und rasch mit einander abmachen, denn der Capitain brennt vor Ungeduld, wieder in See zu gehen. Wir wollen, wie Ihr Euch wohl denken könnt, ein bischen von Allem, und bringen Euch hier dasselbe - könnt Euch dann aussuchen, was Euch am besten behagt. Holz habt Ihr doch wohl keins gehauen?"

„Wie viel braucht Ihr?"

„Ach, wir brauchten schon viel, denn das letzte ist fast verbrannt, aber der Alte will nicht bleiben, bis welches geschlagen werden kann."

„Es stehen sechs Klaftern gleich dort hinter der Kasuarine aufgeschichtet," sagte Tom. „Wie heißt Euer Schiff?"

„Sechs Klaftern - das ist famos, da werden wir bald /15/ handelseinig darüber werden. - Die Lucy Evans heißt das Fahrzeug."

„Scheint nicht besonders schnell zu sein," meinte Tom, der sich noch aus früherer Zeit her genug für die Seefahrt interessirte, um an den Schiffen Theil zu nehmen, mit denen er in Berührung kam. „Es dauerte gestern lange, bis Ihr heraufkamt."

„Ein Schnellläufer ist's nicht," lachte der Harpunier; „aber 's ist auch kein Wunder, denn wir sind schon bald drei Jahre aus, und das Kupfer hängt uns in Lappen und Fetzen vom Rumpf herunter. Uebrigens fängt sie ziemlich glücklich. - Apropos," unterbrach er sich aber, „Ihr seid selber Seemann gewesen und wißt, daß ich die Verantwortung für meine Leute habe. Es ist hier doch keine Gefahr, daß sie davonlaufen könnten?"

„Wenn sie Bescheid am Strand wüßten, wär's schon möglich," sagte Tom mit eben so leiser Stimme, wie die Frage an ihn gestellt war, „aber so nicht, denn eine Lagune schneidet hier hinten ein, die sie nicht kreuzen würden; und wenn vermißt, wären sie leicht wieder aufzufangen. Habt keine Angst."

„Desto besser - aus den Augen werd' ich sie so nicht lassen. Es ist doch eine verwünschte Geschichte mit dem Auskneifen der Halunken. Seit wir ausgefahren, sind uns schon dreizehn Mann davongelaufen."

„Dreizehn Mann, das ist viel, da werdet Ihr knapp an Mannschaft sein.“

„Verdammt knapp, obgleich wir ein paar neue von den Sandwichs-Inseln dazu genommen haben. Wie wär's hier? Sollten sich nicht ein paar von den Insulanern bewegen lassen, einmal einen Kreuzzug auf Walfische zu versuchen?"

 

Tom schüttelte lachend den Kopf und sagte:

„Du lieber Gott, das sollte den leichtherzigen und an diesen sonnigen Himmel gewöhnten Burschen wunderlich vorkommen, wenn sie plötzlich zwischen die nordischen Eisberge hinaufgeführt und dort gezwungen würden, Tag und Nacht Thran auszukochen. Sie sind beinahe zu bequem, sich hier im Warmen ihre eigene Brodfrucht zu backen." /16/

„Oh, das wollten wir ihnen schon angewöhnen!" erwiderte der Seemann.

„Ja, das glaub' ich," nickte Tom ernst. „Ich möchte ihnen jedoch nicht dazu rathen; - aber," setzte er freundlich hinzu, „macht Euch darüber keine Sorge, Ihr hättet auch schlechte Matrosen an ihnen. Wenn Ihr von hier Tahiti anlauft, glaub' ich ziemlich sicher, daß Ihr dort wenigstens Eure Mannschaft vervollständigen könntet. Die Franzosen sollen, wie ich früher einmal gehört habe, ziemlich regelmäßig eine Partie von aufgefangenen armen Teufeln in ihrer Calebouse sitzen haben."

„Ich glaube, der Alte hat nicht übel Lust dazu," sagte der Harpunier. „Jetzt aber, vor allen Dingen, zeigt mir erst einmal Euer Holz, und dann seid so gut und laßt von Brodfrüchten, Orangen und Gemüsen, von denen Ihr, wie ich da sehe, einen Vorrath habt, alles zum Verkauf Angebotene dicht zum Boot hinunter schaffen. Ich werde nachher auslegen, was ich an Tauschwaaren mitgebracht. In solcher Art kommen wir am schnellsten zu einem Resultat."

Sich dann an seinen Bootsteuerer wendend, dem er heimlich die Warnung zuflüsterte, während er in das Holz ging, auf die Leute ordentlich Acht zu geben, schritt er mit Tom, der seinen Indianern ebenfalls die gewünschte Anordnung in ihrer Sprache zurief, nach dem gar nicht weit entfernten Holzplatz. Obgleich hier das geschlagene Holz dem Harpunier sehr behagte, konnte er doch keinen festen Handel mit dem Eigenthümer abschließen, da er hierzu nicht einmal genug Waaren oder Geld mitgebracht, auch keinen festbestimmten Auftrag vom Capitain erhalten hatte.

„Wißt Ihr was, Freund," wandte er sich da an den Schotten, „fahrt in meinem Boot mit an Bord. Ein paar von Euren Indianern können uns ja in einem ihrer Canoes begleiten, um Euch, falls Ihr nicht handelseinig würdet, wieder mit zurück zu nehmen. Ich zweifle aber nicht im Mindesten daran, daß der Alte das Holz nimmt und noch außerdem übermäßig froh ist, es nur zu bekommen. Unter uns gesagt, muß er es entweder hier nehmen, oder in nächster Zeit noch eine andere Insel anlaufen, wo es ihm dann kaum so /17/ leicht gemacht werden würde, es fertig gespalten und nah am Strand zu finden. Wem gehört es - Euch?"

„Nur zum Theil - etwas gehört den Eingeborenen."

„Gut, für die schließt Ihr ja doch den Handel ab, und nun kommt mit mir zum Strand zurück, daß ich meine Leute wieder unter den Augen habe."

„Wollt Ihr nicht erst einmal in meine Hütte treten und Euch dort etwas erfrischen?" fragte ihn Tom. „Sie ist kaum zweihundert Schritt von hier entfernt. Dort liegt schon die Fenz, die sie und meinen Garten umschließt."

„Dank' Euch, dank' Euch," erwiderte der Seemann, „guckte gern einmal hinein, aber es geht nicht. Der Boden brennt mir hier, wo ich meine Bootsmannschaft nicht übersehen kann, unter den Füßen. Ueberhaupt müßt Ihr mir versprechen, das Holz, wenn wir es übernehmen, bis zum offenen Strand zu schaffen, wo es die Eingeborenen meinetwegen abwerfen können. Hier in den Wald darf ich meine Leute nicht lassen, die Verführung wäre zu groß, und sie brennten mir, Gott straf' mich! durch."

„Ihr scheint schlechtes Vertrauen zu ihnen zu haben," lachte Tom. „Ist denn Euer Capitain solch ein Seeteufel, oder das Leben an Bord so schlecht?"

„Ih nun, der Alte hat wohl ein bischen von dem, was Ihr Seeteufel, nennt, im Leibe, Ihr werdet das wohl schon kennen. Die Kost an Bord ist übrigens vortrefflich, und überarbeitet werden die Leute ebenfalls nicht. Um fünf Uhr ist alle Abend Feierzeit - ausgenommen natürlich, wir haben einen Fisch langseit oder Speck an Bord."

„Nun, das versteht sich von selbst," sagte Tom; „aber da sind wir wieder am Strand und dort auch Eure Leute, Ihr könnt Euch also beruhigen."

„Gott sei Dank," murmelte der Seemann, als ob er ganz andere Vermuthung gehabt hätte, leise vor sich hin.

Der Handel mit den Früchten begann jetzt, der auch schon von den Matrosen durch einzelne Geberden und Vorzeigen von Stücken Tabak, Messern, Hemden und anderen Dingen, die sie nothdürftiger Weise glaubten entbehren zu können, geführt war. Frische Gemüse und vielleicht etwas Limonen-/18/saft bekamen sie schon vom Schiff, um den Scorbut von ihnen fern zu halten, aber Orangen, Ananas und andere saftreiche Früchte mußten sie sich, wenn sie deren unterwegs haben wollten, selber einlegen.

Tom hatte indessen mit dem Häuptling dieses Districts, dem der Harpunier vorher auf sein Anrathen einige kleine Geschenke gemacht, den Handel über eine gewisse Quantität von jungen Cocosnüssen, Brodfrüchten und Gemüsen usw. abgeschlossen. Die Eingeborenen waren emsig damit beschäftigt, Alles zum Strand hinunter zu schaffen, wo es die Matrosen sogleich in Empfang nahmen und in ihr Boot packten. - Intaha war ebenfalls zum Strand gekommen, um dem Gatten, was sie an zum Verkauf gefertigten Arbeiten bereit hatte, hineinzubringen, und der Bootsteuerer, ein junger Amerikaner, handelte ihr hier schon einen kleinen Theil der Sachen ab. Das Uebrige ließ Tom in das Schiff legen, um es dem Ca pitain wie den übrigen Officieren anzubieten.

„Ich will mit dem Vater hinausfahren," sagte sein kleiner Knabe, als er ihn aufhob und küßte und dann seinem Weib die Hand reichte, - „ich will auch das große Canoe da drüben sehen."

„Das geht nicht, mein Herz," beruhigte ihn der Vater, „da drüben bist Du nur im Weg und die Mutter ängstigte sich indeß um Dich."

„Laß ihn hier," bat auch die Frau, „ich wollte, Du gingst ebenfalls nicht mit, Tomo. - Wenn ich Dich mit den fremden Männern in solch' einem Boot wegfahren sehe, ist mir's doch immer, als ob Du nicht wiederkämst und in Deine eigene Heimath zurückgingst - und was sollte Intaha dann mit sich und den Kindern beginnen!"

„Fürchte Dich nicht," lachte der Mann. „Wie viele Schiffe hab' ich schon besucht und kenne auch das Leben da draußen viel zu genau, um durch irgend eine Vorspiegelung verlockt zu werden. Ich weiß, was die mir bieten können - was ich hier besitze, und werde kein Thor sein, Dich und die kleinen Schelme da im Stich zu lassen. Uebrigens fährt Dein Bruder Alohi mit uns hinüber, und ich hoffe diesmal Geld genug mitzubringen, um den ganzen Cocosgarten, der

hinter unserem Grundstück liegt, vom Häuptling anzukaufen. Nachher werden wir von dem Cocosnußöl reich, was ich jährlich ausschmelzen kann."

„Kommt an Bord!" rief die Stimme des Harpuniers, der seinen Platz im Boot schon eingenommen hatte. Tom sprang hinein, Alohi und ein anderer Indianer stiegen in ihr Canoe, das Boot, wie es verabredet worden, zum Schiff hinaus zu begleiten, und bald schäumten die kleinen Fahrzeuge durch das Wasser hinaus, der Einfahrt in den Riffen zu.

Die beiden Indianer thaten allerdings ihr Möglichstes, mit dem europäischen Boote gleiche Fahrt zu halten, und arbeiteten, daß ihnen die schweren Tropfen von der Stirn liefen. Die langen Riemen der Matrosen waren aber doch kräftiger als die leichten, nur durch den Druck der freigehaltenen Hand geführten Ruder, und noch ehe sie die Riffe erreichten, hatte das Walfischboot schon wenigstens dreihundert Schritt Vorsprung gewonnen. Wie die Indianer endlich einsahen, daß sie mit den Bleichgesichtern nicht Schritt halten konnten, legten sie ganz gelassen ihre Ruder ein, um sich erst einmal ein wenig auszuruhen, drehten sich dann eine Cigarre aus dem frisch eingehandelten Tabak, den sie in den Streifen eines trockenen Bananenblatts geschickt einwickelten, und rieben hierauf mit zwei dazu mitgenommenen Stücken trockenen Guiavenholzes Feuer.

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