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Eine Mutter

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Der zweite Act ging wieder so ruhig vorüber, als der erste. Nicht einen einzigen Applaus bekam Hamlet, obgleich die Zuschauer doch bei Fräulein Bellachini bewiesen hatten, daß sie applaudiren konnten. Peters ging um den Director herum. –

»Herr Director!«

»Ja, Peters.«

»Der Rebe macht seine Sache gar nicht so schlecht; soll ich einmal wieder in's Parterre hinunter und vielleicht mit einer Kleinigkeit…« – er zeigte dabei seine zwei hornharten Fäuste.

»Um Gottes willen, Peters!« rief der Director erschreckt. »Rebe ist in dem Act viel schwächer, als im ersten – ein einziges verkehrtes Beifallszeichen, und der Teufel geht am Ende los! Wir wollen Gott danken, wenn wir die Sache ruhig zu Ende bringen!«

»Wie Sie meinen; manchmal hängt's aber nur an einer Kleinigkeit…«

»Ja wohl thut's das,« rief der Director, »und wir wollen es selber nicht muthwillig heraufbeschwören! Die Heidenangst, die ich heut Abend ausstehe, werde ich überhaupt im Leben nicht vergessen!«

Als der Vorhang fiel, regte sich Niemand. Selbst der Erbprinz hütete sich, einen zweiten Versuch zu machen, da der erste so gründlich mißglückt war. Rebe schien etwas befangen, denn die übrigen Schauspieler wichen ihm aus, aber er suchte seiner Furcht Herr zu werden.

Fräulein Bellachini tanzte wieder in diesem Zwischenact, und Rebe benutzte die Zeit, um indessen hinter der Bühne mit dem Laertes, einem jungen, ganz geschickten Schauspieler, die Zweikampf-Scene ein wenig einzuüben, da diese in der Ausführung besondere Schwierigkeiten hat und leicht lächerlich wird. Rebe selber wußte übrigens vortrefflich mit der Stoßwaffe umzugehen, und da sich sein Gegner auch alle Mühe damit gegeben hatte, ging es recht gut.

Jetzt kam der dritte Act – kam die Scene mit der Mutter, und Rebe entwickelte da eine so volle Kraft und schöne, edle Sprache, daß sich im Publikum immer mehr ein Gefühl zu regen begann, er habe doch am Ende wohl einen Beifall verdient, aber Jeder scheute sich den Anfang zu machen.

Die Scene spielte er durch, von Anfang bis zu Ende ganz vortrefflich, und todtenstill saß das Parterre dabei, denn der erste Rang hält es gewöhnlich für unter seiner Würde, zu applaudiren. Es greift auch die Glacéhandschuhe zu sehr an, und wie darf da der Schauspieler in Betracht kommen, der all' seine Kräfte darangesetzt hat, seiner Aufgabe zu genügen, und dem das Publikum durch nichts, nichts weiter auf der Welt lohnen kann, als augenblicklichen Beifall!

So kamen die letzten Worte:

 
»Nun, Mutter, gute Nacht – der Rathsherr da
Ist jetzt sehr still, geheim und ernst fürwahr,
Der sonst ein schelm'scher alter Schwätzer war.
Kommt, Herr – ich muß mit Euch ein Ende machen –
Gute Nacht, Mutter…«
 

Aber das letzte »Gute Nacht, Mutter« sprach er so ergreifend, so wunderbar wahr, daß dem kleinen Jeremias die Thränen in die Augen traten.

Und keine Hand regte sich. Jetzt aber hielt sich Jeremias nicht länger. Seine Handschuhe hatte er schon lange ausgezogen, um zu augenblicklichem Dienst bereit zu sein – jetzt hieb er ein, und wie der erste Schall durch das Haus flog, war es, als ob ein Zauber gebrochen wäre, der bis jetzt Alle befangen gehalten hätte.

Einen solchen Applaus hatte selber die berühmte Tänzerin nicht bekommen: das ganze Haus dröhnte förmlich vom Klatschen und Beifallssturm, in das der Erbprinz jetzt mit augenscheinlicher Freude und mit gutem Willen einstimmte.

»Rebe 'raus!« gellte da zwischendurch eine Stimme, und: »Rebe 'raus!« schrie das Publikum wie aus Einem Munde und als ob es das Versäumte jetzt mit Lärmen und Toben wieder nachholen wollte.

Der Vorhang stieg in die Höhe, aber Rebe kam nicht. Die Ungeduld wuchs, die Leute geberdeten sich wie toll und pochten, stampften, klatschten und schrieen: »'Raus, 'raus! Rebe, Hamlet, Hamlet! Rebe, 'raus, 'raus, 'raus!«

Ein schützender Engel waltet über Allem – Fräulein Rottenhöfer glaubte oder hoffte, ihren Namen mitzuhören.

»Aber, Herr Rebe, so kommen Sie doch, wir werden ja gerufen!«

»Aber, mein bestes Fräulein…«

»Sind Sie ein wunderlicher Heiliger! So kommen Sie doch!« und seine Hand ergreifend, zog sie den schüchternen Hamlet unter einem neuen Ausbruch von Jubel und Beifall auf die Bühne hinaus.

Rebe stand wie betäubt, und Pfeffer ging immer um ihn herum, als ob er ihn anreden wollte, änderte aber eben so oft seine Absicht wieder und machte fortwährend und in Gedanken vergebliche Versuche, seine Hände in die gewohnten Seitentaschen seines alten Rockes zu bringen. Das Costüm hatte leider keine.

Fräulein Bellachini zürnte. Sie war auch gerufen, aber nicht so, und beim zweiten Mal hatte man sogar – da es Peters nicht mehr für nöthig fand – ihren Tanz nicht einmal da capo verlangt.

»Sie schreien wie verrückt,« sagte sie, als sie sich in ihre Garderobe zurückzog; »ich bin froh, daß ich mich nur für diesen einen Abend engagirt habe.«

Jetzt war aber Bahn für Rebe gebrochen. Schon im vierten Act, bei den kleinen Scenen, wurde jede einigermaßen passende Stelle lebhaft applaudirt, und im fünften Act, in der Scene mit dem Todtengräber, brach der Sturm auf's Neue aus. Es war gut, daß Fräulein Bellachini das Theater verlassen hatte. Nicht enden wollte aber der Beifall in der Fechtscene, die auch wirklich vortrefflich von Beiden gegeben wurde, und als der Vorhang endlich zum Schlusse fiel, ging es von Frischem an.

Erst mußten Alle heraus, nur Meier mit seinem dicken Backen fehlte, und Fräulein Rottenhöfer erschien im Mantel und ohne Stroh in den Haaren. Dann wurde Rebe noch besonders gerufen, und wie der Vorhang kaum wieder herunter war, mußte er noch einmal heraus.

Etwas Derartiges war in Haßburg noch nicht geschehen, so lange die alte Stadt stand.

Jetzt endlich beruhigte sich der See – er hatte sein Opfer, und der Director wollte eben auf Rebe zugehen, um ihm seine Anerkennung auszusprechen, als der Hofmarschall aus der Loge des Erbprinzen auf die Bühne kam und den Director ersuchte, einen Augenblick zu dem gnädigsten Herrn heraufzukommen, der ihn zu sprechen wünsche.

»Mich? Heiland der Welt!« sagte Director Krüger erschreckt; »aber ich – ich bin ja nicht – entschuldigen Sie einen Augenblick!« und wie ein Wetter schoß er in das Conversationszimmer, wo er wild nach Peters schrie.

»Peters, Peters! Verfluchter Kerl, wo steckt der nur wieder?«

»Aber, Herr Director, hier bin ich ja – ich habe vor Verzückung auf Einem Bein gestanden!«

»Haben Sie meinen Frack mitgebracht? Ob ich es mir denn nicht immer dachte, daß noch ein Unglück passiren würde! Meinen Frack will ich – hören Sie denn nicht?«

»Aber da liegt er ja auf dem Sopha! Wo wollen Sie denn noch hin?«

»Zum Erbprinzen – er hat ja nach mir verlangt!«

»Mit dem Fettfleck?«

»Herr Du mein Gott, an den Fettfleck habe ich gar nicht gedacht! Oh, daß diesen Schulze der Teufel holte!«

»Glaube nur nicht, daß er unter den vielen Schulzes den richtigen findet,« meinte Peters. »Aber warum nehmen Sie nicht Herrn Rebe's dunkle Hosen? Er ist noch in der Garderobe.«

»Die sind mir ja um einen Fuß zu lang!«

»Krempeln wir auf,« sagte Peters.

»Es geht nicht mehr, er wartet!« ächzte der Director, der seinen alten Rock schon abgeworfen hatte und sich in den etwas engen Frack hineinzwängte – »wo ist mein Hut? Ich halte meinen Hut vor!«

»Da sieht der Fettfleck beinah' noch besser aus,« sagte Peters; »Sie haben den alten erwischt.«

»Na, dann kann's nichts mehr helfen; ein Unglück kommt nie allein, und wenn ich jetzt in Öl eingekocht wäre wie eine Sardine, warten kann ich ihn nicht länger lassen!«

»Das Schnupftuch hängt Ihnen hinten heraus,« sagte Peters.

Der Director steckte es in wilder Hast wieder ein, und sich unterwegs die in Unordnung gerathenen Haare ein wenig zurecht drückend, schoß er in voller Flucht zurück auf die Bühne, um sich dem übermäßig besternten und beordenten Hofmarschall zur Verfügung zu stellen.

Dieser führte ihn auch ohne Weiteres der fürstlichen Loge zu, und Krüger, etwa mit einem Gefühl wie ein Subalternbeamter, der vor einen Vorgesetzten citirt ist und die Gewißheit hat, einen tüchtigen Rüffel zu bekommen, folgte ihm so rasch er konnte.

Der Erbprinz erwartete ihn oben. Der Wagen stand schon lange unten, seiner harrend, aber er blieb trotzdem zurück und sah indessen zu, wie sich das Haus leerte.

»Herr Director Krüger, Königliche Hoheit.«

»Ah, lieber Director, es freut mich, Sie kennen zu lernen – ich bin Ihnen dankbar für Ihre Aufmerksamkeit!«

»Königliche Hoheit,« stotterte Krügen

»Heut Abend aber,« fuhr der Prinz fort, »bitte ich Sie, Ihrem Herrn Rebe in meinem Namen für den Genuß zu danken, den er mir durch sein vortreffliches Spiel bereitet hat. Er ist jetzt noch in Costüm, sonst hätte ich ihn selber heraufrufen lassen, und so ersuche ich Sie denn, ihm in meinem Namen diese Tuchnadel zu überreichen, die er mir zum Andenken tragen mag,« und mit den Worten nahm er seine eigene Brillantnadel aus der Cravatte und überreichte sie dem Director.

»Königliche Hoheit,« stammelte dieser wieder, »sind so gnädig…«

»Guten Abend, Herr Director, nochmals, ich bin Ihnen sehr dankbar!« und fort war er, und in einer solchen Aufregung befand sich der Director, daß er selbst seinen Fettfleck vergessen hatte, und in einem Zustand, von dem er sich selber später keine Rechenschaft ablegen konnte, zurück auf die jetzt leere und fast dunkle Bühne schoß. Er schüttelte dabei fortwährend mit dem Kopf und murmelte in einem fort: »Noch gar nicht dagewesen, noch gar nicht dagewesen!«

Rebe war noch in seiner Garderobe; Krüger folgte ihm dahin fast willenlos.

»Herr Rebe, der Erbprinz läßt Ihnen in meinem Namen sagen…«

»In Ihrem Namen, Herr Director?«

»In seinem Namen, wollte ich sagen, daß er Ihnen unendlich dankbar für den Genuß des heutigen Abends ist und Sie bittet, diese Tuchnadel – Mensch, Sie haben ein Heidenglück! – zu seinem Andenken zu tragen.«

 

»Herr Director!« sagte Rebe erschrocken.

»Es ist so, Rebe, bei Gott! Seine Königliche Hoheit war unendlich gnädig und hat sich bei mir auch bedankt.«

»In der That?«

»Rebe,« fuhr der Director gerührt fort, »ich habe Ihnen Unrecht gethan, Sie sind zurückgesetzt worden, ungerechter Weise zurückgesetzt worden – Sie hätten eigentlich besser beschäftigt werden müssen, und ich sehe ein, daß Ihnen Unrecht geschehen ist.«

»Herr Director,« sagte Rebe ruhig, »es freut mich wenigstens, daß Sie das noch im letzten Augenblick erkannt haben, und ich gebe Ihnen mein Wort, daß das mein schönster Lohn heut Abend ist. Wir werden also wenigstens in Frieden und Freundschaft scheiden.«

»Wir wissen noch gar nicht, ob wir scheiden, Rebe,« platzte der Director heraus, »das wissen wir noch gar nicht! Kein Mensch weiß überhaupt, was am nächsten Tag geschieht, ja, an dem nämlichen, und wenn mir heute Morgen Jemand erklärt hätte, daß Sie heut Abend den Hamlet spielen würden, so…« er schwieg erschrocken still, weil er sich beinahe verschnappt hatte. Rebe aber fuhr lächelnd fort:

»Würden Sie ihn wahrscheinlich für verrückt erklärt haben.«

»Lieber Herr Rebe, ich bitte Sie um Gottes willen…«

»Ich danke Ihnen für Ihre bessere Meinung heut Abend, Herr Director, aber Sie entschuldigen jetzt. Ich fühle mich doch etwas angegriffen und will machen, daß ich nach Hause komme.«

»Soll ich Ihnen vielleicht einen Wagen besorgen?«

Rebe lächelte. – »Tausend Dank, nein – ich wohne gar nicht so weit von hier und bin gewohnt, den Weg im schlechtesten Wetter zu Fuß zu gehen. Gute Nacht, Herr Director.«

»Gute Nacht, lieber Rebe, schlafen Sie recht wohl – Sie können heute auf Ihren Lorbeern ausruhen.«

Rebe knöpfte sich seinen Rock bis oben zu und verließ rasch die Garderobe. Unten an der Treppe ging ein Mann in einem braunen Überrock auf und ab – es war Pfeffer. Rebe wollte mit einem Gruß an ihm vorübergehen.

»Herr Rebe!« rief ihn Pfeffer an.

»Mein bester Herr Pfeffer…«

»Geben Sie mir Ihre Hand.«

Rebe schüttelte die dargebotene aus allen Kräften.

»Sie sind ein ganzer Kerl!« sagte Pfeffer, drehte sich ab und verschwand hinter einer der Coulissen.

Rebe verließ das Theater; er schöpfte tief und anhaltend Athem, als er die frische Nachtluft draußen erreichte. Es war ihm so leicht, so froh zu Sinn, er fühlte den Boden kaum, auf den er trat. Mit raschen Schritten eilte er nach Hause – Essen und Trinken? Er dachte gar nicht daran. Seine Glieder zitterten, seine ganze Gestalt bebte, und als er sein kleines, ärmliches Zimmer im vierten Stock erreichte, schob er den Riegel hinter sich zu, warf sich auf das Sopha, barg sein Gesicht in den Händen und weinte wie ein Kind.

21.
Der Wilddieb

Unten im Stübchen des Haushofmeisters, im Monford'schen Schlosse saß der alte Förster behaglich hinter einer Flasche Wein und einem großen Stück Kuchen, fest entschlossen, es sich den heutigen Abend einmal gut sein zu lassen – kam es doch überhaupt nicht häufig vor – als der Wiesenmüller, der auf der Stadtseite an das Gut stieß und häufigen Verkehr mit dem Haushofmeister hielt, das Zimmer betrat und sich mit zum Tisch setzte.

Natürlich wurde ihm ebenfalls sogleich ein Glas vorgesetzt, und das Gespräch drehte sich gerade um all' die verschiedenen Persönlichkeiten, welche sich heute zu dem Freibier eingefunden, während Jonas, der zwischen ihnen saß und immer noch glaubte, andere Leute merkten nicht, daß er taub sei, mit hineinsprach und oft die verkehrtesten Dinge vorbrachte.

»Der alte Fritz hat sich auch richtig eingefunden,« sagte der Müller; »das ist ein durchtriebener Halunke und weiß seine Zeit vortrefflich abzupassen.«

»Der Lump!« brummte der Förster in sein Glas hinein. »Der Graf hat ihm ja verboten, sich nach Dunkelwerden auf dem Grund und Boden hier wieder sehen zu lassen.«

»Ja, heute ist aber eine Ausnahme,« lachte der Holzhändler, »denn wenn er bei hellem Tag erst käme, wär' die Geschichte vorbei und er kriegte nichts mehr.«

»Schadete ihm auch nichts,« meinte der Müller, »und ich wollte, er hätte die hiesige Gegend nie gesehen, denn seit er da ist, spür' ich's an meinen Fischen.«

»Er stiehlt, wo er 'was kriegen kann,« nickte der Förster, »und meine Fasanen wissen davon zu erzählen.«

»Und Eure Forellen auch,« lachte der Müller; »meinem Gevatter, dem Mehlberg, hat er neulich sieben Pfund verkauft.«

»Der Cujon!« rief der Förster; »aber ich kann doch hier, Gott straf' mich, nicht den ganzen Tag im Park stecken, wo ich da drüben das große Revier und die Stadt in der Nähe habe, in der das Gesindel Alles brauchen kann, was vorkommt. Wenn er sich aber hier am Fischwasser herumtriebe, müßte ihn Jonas doch über Tag bemerkt haben. Habt Ihr den Fritz schon einmal angeln sehen, Jonas?«

»Du lieber Gott,« sagte der alte Mann, der indessen seinen eigenen Gedanken gefolgt war und jetzt merkte, daß er angeredet wurde, »als kleines Kind hab' ich sie ja schon auf den Armen getragen!«

»Wen?« schrie der Müller.

»Die liebe Comtesse, und wenn mich Gott leben läßt, kann ich jetzt auch vielleicht ihre Kindchen sehen.«

»Ob Ihr den alten Fritz nicht habt fischen sehen, fragt der Förster,« schrie ihm jetzt der Müller in's Ohr.

Jonas sah ihn ganz erstaunt an, denn er begriff die Frage nicht einmal gleich; endlich aber nickte er lächelnd mit dem Kopf und sagte:

»Den alten Fritz? Oh, gewiß, nach Maulwürfen. Seine Angelruthen stecken ja über die ganze Wiese, und er ist darin ein tüchtiger Kerl, das muß man ihm lassen; es macht's ihm Keiner nach.«

»Mit dem Alten ist ja nicht zu reden,« sagte der Förster halblaut, »und wenn wir so schreien, hört's am Ende der Halunke da draußen und lacht uns noch obendrein aus.«

»Hört einmal, Förster,« sagte der Müller leise, »der Maulwurfsfänger ist mit allen Hunden gehetzt, und so hält es verdammt schwer, hinter seine Schliche zu kommen; bei einem Glase Wein hat aber schon Mancher ausgeplaudert, wovor er sich sonst wohl gehütet und sich lieber die eigene Zunge abgebissen hätte. Wenn wir ihn nun einmal hereinriefen und ihm ein bischen zusetzten?«

»Der trinkt uns Beide unter den Tisch,« brummte der Förster.

»Der noch lange nicht,« rief der Müller; »eine bessere Gelegenheit finden wir auch im Leben nicht wieder. Merken kann er nichts, denn alle Arten von Leuten sind heut Abend hier versammelt. Wollen wir's nicht einmal versuchen?«

»Aber am Ende ist's dem Haushofmeister nicht recht, wenn wir den Vagabonden hier in sein Zimmer bringen.«

»Ach was, zu dem Zweck hat er gewiß nichts dagegen, denn er mag ihn auch nicht leiden, weil ihn der Lump immer so vornehm grüßt; und dann kommt der auch nicht vor den nächsten zwei Stunden wieder herein, denn er ist jetzt mit der Tafel beschäftigt, und nachher wird gespeist, wo er ebenfalls dabei sein muß.«

»Na, meinetwegen, dann holt ihn; ich stehe mit ihm nicht so grün, daß ich ihn einladen könnte, und er röche gleich Lunte.«

»Den wollen wir uns einmal langen,« lachte der Müller vergnügt vor sich hin, indem er von seinem Sitz aufstand; »paßt auf, den kaufen wir uns.«

»Wollt Ihr schon fort?« fragte Jonas erstaunt.

Der Müller schüttelte nur mit dem Kopf und verließ langsam das Zimmer, und der Förster qualmte indessen stärker aus seiner Pfeife, trank aber nicht mehr, weil er sich das auf nachher aufsparen wollte! Der Müller blieb aber entsetzlich lange; der alte schlaue Bursche wollte gewiß nicht mit. Endlich kam er wieder herein.

»Na, das ist merkwürdig,« sagte er, »die ganze Zeit hat der Fritz da an dem einen Baum gelehnt; der eine von meinen Burschen hat ihn deutlich gesehen, und der Hund war auch bei ihm, und jetzt ist er fort und nirgends mehr zu finden.«

»Er wird irgendwo an einem der Tische sitzen.«

»Gott bewahre; überall habe ich ihn gesucht, kein Mensch weiß etwas von ihm, und der Berthold, der die Getränke zu vertheilen hat, will ihn noch mit keinem Auge gesehen haben, und den hätte er sich gewiß gemerkt.«

»Dann hat die Canaille wieder 'was im Werk,« sagte der Förster, mit der Faust auf den Tisch schlagend, »und glaubt, weil ich hier fest hinter der Flasche sitze, daß ich ihm die Nacht nicht auf den Dienst passe. Ei Du heiliger Kreuzhimmelschwerenöther Du!« Und mit den Worten stand er von seinem Stuhle auf.

»Unmöglich wär's nicht,« lachte der Müller, »und dick genug hat er's dazu hinter den Ohren. Aber was will er in der stockfinstern Nacht machen? Der Mond geht erst um Mitternacht herum auf; da ist's nichts mit dem Angeln und Wildern.«

»Und mit dem Netzfischen auch nicht, wie?« sagte der Förster, indem er seine Flinte vom Nagel nahm. »Ne, Müller, wenn er nicht mehr da draußen steckt, dann ist er auch im Park auf irgend eine Lumperei aus, und da schmeckt mir doch hier kein Tropfen mehr, bis ich mich wenigstens überzeugt habe. Wo ist denn mein Forstgehülfe?«

»Ja, der steht bei den Böllern und kann nicht fort, bis die abgefeuert sind. Wartet lieber so lange, das wird nicht mehr so ewig dauern, und Zwei sind besser als Einer.«

»Die Böller werden nicht eher abgefeuert, bis die Tafel fast vorüber ist,« sagte einer der Diener, der sich einen Augenblick weggestohlen hatte, um hier rasch ein Glas Wein zu trinken; »dann wird erst die Gesundheit auf das Brautpaar ausgebracht.«

»So lange kann ich nicht warten,« brummte der Förster, indem er seinen Hut aufstülpte; »brauche auch wahrlich keinen Gehülfen und werde mit dem Lump schon allein fertig werden!«

»Was ist denn?« fragte der Lakai.

»Oh, ein Fuchs holt mir die Fasanen weg, und dem hab' ich ein Eisen gestellt,« sagte der Förster; »will nur einmal nachsehen, ob er drin sitzt.«

»Na, viel Glück!« rief ihm der Mann nach.

»Esel!« brummte der Waidmann vor sich hin, als er die Thür zudrückte und sich durch das Gedränge der draußen herumschwärmenden Gäste Bahn brach. Er hatte Gift und Galle im Herzen und erwiderte nicht einmal manchen ihm hier und da gebotenen Gruß.

Es trieb ihn auch, aus der Nähe des Schlosses fortzukommen, und rasch schritt er den Weg entlang nach dem Fluß hinüber, um dort vielleicht den »alten Cujon«, wie er ihn nannte, auf frischer That bei verbotenem Fischfang zu ertappen, und ihn dann den Gerichten ausliefern oder doch wenigstens die Anzeige machen zu können, denn eher wurden sie den frechen Gesellen nicht aus der Gegend los. Konnte er aber erst einmal eines Vergehens überwiesen werden, dann verstand es sich auch von selbst, daß man ihn hier erst abstrafte und nachher als Ausländer einfach über die Grenze schaffte.

Am Fluß selber kannte er genau jede Stelle, an der sich ein Fischdieb einigen Erfolg versprechen durfte, und am Strom hinauf hielt er sich ein Stück davon entfernt auf dem dunkeln und weichen Rasen, bis er einen solchen Platz erreichte und dann mit aller Umsicht dort hinüberschlich – aber immer vergebens. Da, wo er den Wasserrand erreichte, flog ein aufgescheuchter Vogel aus den Büschen, dort sprang ein Frosch in's Wasser, lauter Zeichen, daß sie kürzlich von keinem Menschen belästigt oder gestört worden, und er hatte den Drahtzaun schon fast erreicht, als er draußen vor dem Thor ein Pferd schnauben hörte.

»Na?« sagte der Förster und blieb erstaunt stehen, »wer hält denn jetzt da draußen vor dem Gitter? Die Gäste haben doch die Auffahrt alle vorn.« – Er wäre auch gern einmal vorgegangen, um den Kutscher zu fragen, was er da zu thun habe, denn Stadtwagen durften den Weg gar nicht fahren; knüpfte er aber hier ein Gespräch an, so verrieth er sich vielleicht dem möglicher Weise ganz in der Nähe befindlichen Fischdieb. Nicht einmal über das Gitter konnte er hier; ohne von dem Kutscher bemerkt und dann jedenfalls angerufen zu werden, und da der Maulwurfsfänger nicht innerhalb der Umzäunung stak, mußte er doch jedenfalls draußen sein, wo er auch noch weniger eine Entdeckung zu fürchten brauchte.

Der Förster also, dem nicht so viel daran lag, zu wissen, wer hier unbefugt fahre, da das auch eigentlich Sache des Haushofmeisters oder des Gärtners war, als vielmehr dem Maulwurfsfänger nachzuspüren, zog sich wieder in den Schutz der dichten Erlenschatten zurück und kreuzte, da er hier nicht durch den Fluß konnte, die Wiese. Weiter oben brauchte er dann nur dicht unter dem Holz über den Drahtzaun zu steigen und einen kleinen Bogen zu machen, und kam dann immer wieder, und zwar an einem der besten und bequemsten Fischplätze, an's Wasser.

Wie er den Waldrand erreichte und daran hinschlich, hörte er plötzlich ein Geräusch im Gehölz, als ob Jemand mit einem Stock auf den Boden schlüge. Er stutzte und horchte – jetzt war Alles ruhig. – Sollte denn der verteufelte Kerl selbst in dieser Nacht seinen Fasanen wieder nachstellen? Aber das war ja gar nicht möglich! Was hätte er denn in der Dunkelheit mit ihnen ausrichten können? Wenn man gegen die Bäume hinaufsah, war nichts als ein dunkler, undurchdringlicher Fleck zu erkennen, in dem man nicht einmal einen weißen Vogel so groß wie ein Truthahn unterschieden haben würde, viel weniger einen dunkeln Fasan, der sich an einen der gleichfarbigen und dichtbelaubten Äste schmiegte. Das war vollkommen unmöglich, und wenn – da wieder – wieder das nämliche Geräusch in den Büschen, genau so, als ob ein Rehbock den Grund mit den Vorderläufen schlägt.

 

Der Förster horchte noch gespannt, um sich der genauen Richtung zu vergewissern, als er hinter sich nach der Wiese zu ein Geräusch hörte und den Kopf rasch dorthin drehte.

Er selber stand hier vollständig gedeckt mit seiner dunkeln Kleidung im Schatten der Bäume; ihn konnte Niemand sehen, das wußte er gut genug, so lange er sich wenigstens nicht von der Stelle bewegte, und sich langsam dem neuen Geräusch zukehrend, erkannte er jetzt eine lichte Gestalt, der eine andere, dunkler gekleidete wie ein Schatten folgte. Beide schritten auf dem hier mitten durch die Wiese führenden Kiesweg entlang und eilten, allem Anschein nach, der Richtung zu, in der er das Pferd hatte schnauben hören.

»Das ist doch merkwürdig,« dachte er, indem er mit dem Kopf schüttelte, »da drinnen im Schloß fängt die Geschichte gerade an, und da sind zwei Damen, die jetzt schon genug davon haben? Und aus der Stadt können sie auch nicht sein, denn wie kämen die mit ihrem Wagen da hinten an das Gitter? Muß doch einmal nachher den Haushofmeister fragen. Oder ging' ich nicht lieber gleich selber hin und sähe zu? Die Sache kommt mir beinahe verdächtig vor und 'was Heimliches muß jedenfalls dahinter stecken.«

Der Förster stand noch unschlüssig, was er thun sollte, als sich der Lärm im Busch wiederholte, jetzt aber viel lauter und anhaltender, als vorher. Es schlug in den Büschen, als ob Jemand mit Gewalt durch ein Dickicht brechen wolle und nicht hindurch könne, oder an einem Busch risse, der nicht nachgeben wollte.

Selbst die beiden Frauen auf dem Weg schienen das Geräusch gehört zu haben, denn wie der Förster den Kopf noch einmal dorthin wandte, sah er, daß sie ihren Schritt beeilten, und besonders die erste in dem lichten Kleide flog wie ein gescheuchtes Reh den Weg entlang, während die andere, welche etwas zu tragen schien, nicht so rasch folgen konnte und eine Strecke zurückblieb. Zu jeder andern Zeit würde dem Förster diese nächtliche und, wie es schien, sehr eilige Wanderung der beiden Damen verdächtig vorgekommen sein und er wahrlich nicht versäumt haben, der Sache näher auf die Spur zu kommen. Aber da drin im Busche war etwas los; das klang jetzt genau, als ob sich ein Stück Wild irgendwo gefangen habe oder vielleicht im Todeskampf mit den Läufen austräte. Was kümmerten ihn die Frauenzimmer; sein Beruf lag dort im Busch drin, und sich den Hut fest auf den Kopf ziehend, daß er ihm nicht in der Dunkelheit von irgend einem vorstehenden Zweig abgeschlagen wurde, tauchte er rasch in den schmalen Streifen Dickicht ein, der die Wiese von dem Kiefernwäldchen abschied und etwa zwanzig Schritt breit sein mochte. War es doch nur eine Anpflanzung von Blüthenbüschen, um mit diesen die Lichtung zu verdecken, welche die hochstämmigen Kiefern bildeten.

Der Förster hütete sich dabei viel Geräusch zu machen. Während er aber selber durch die Büsche kroch, konnte er natürlich nichts hören, denn die Zweige rauschten zu viel neben ihm. Nur erst wie er den Rand und damit das offene Holz erreichte, hielt er wieder still und horchte; da drüben raschelte und schlug es noch, aber auch von links her glaubte er ein Geräusch zu hören, und als er den Kopf dorthin wandte, vernahm er die Schritte eines Menschen, der sich unfehlbar in dem dichten Schatten jenes angepflanzten Fichtenstreifens hielt, denn zu erkennen war in der Dunkelheit und hier in einer Art von Wald nicht das Geringste.

So wie er selber aber nichts sehen konnte, so brauchte er jetzt auch nicht zu fürchten, von jemand Anderem gesehen zu werden, und vorsichtig aus dem Gebüsch heraustretend, glitt er mit auf den Kiefernadeln vollständig geräuschlosem Tritt der Richtung zu, nach der er die Schritte und jetzt auch noch das immer stärker werdende Rascheln in den Büschen hörte.

Wer es sei, der hier bei Nachtzeit in dem Dickicht herumsprang, ließ sich allerdings nicht unterscheiden, ja, der Förster hatte noch nicht einmal die Gestalt erkennen können; aber das blieb sich gleich. Wer sich auch hier befand, war auf faulen Pfaden und hatte hier nichts in der Nacht zu suchen, und die Flinte gespannt in der rechten Hand, den Finger am Bügel, um rasch damit nach dem Drücker herunterfahren zu können, glitt er so leise, aber auch so rasch, wie er möglicher Weise konnte, weiter auf seiner Bahn.

Das Geräusch der Schritte hörte er dabei, als er einen Moment anhielt, um zu horchen, eine kurze Strecke vor sich; jetzt ließ es sich nicht mehr unterscheiden, da es aus einer Richtung mit dem andern kam, das stärker und heftiger wurde, aber genau auf der nämlichen Stelle blieb. Der Förster war nahe genug gekommen, um sicher zu bestimmen, daß es aus dem schmalen Fichtenstreifen herrührte, der an dem jetzt draußen angebauten Haferfeld entlang lief. Was, um Gottes willen, war da nur los? Hatte sich ein Stück Wild gefangen – Schlingen? Zum ersten Mal zuckte es dem alten Forstmann durch den Sinn: dort war eine Schlinge gestellt, und er ertappte den Verbrecher jetzt auf frischer That.

Der Maulwurfsfänger indessen, mit keiner Ahnung, daß ihm sein grimmigster und gefährlichster Feind so dicht auf den Fersen sei, sprang so rasch er konnte der Richtung zu, in der er das gefangene Wild mit den Läufen schlagen hörte. Er achtete dabei nicht einmal auf seinen kleinen Spitz, der dicht hinter ihm folgte, dem aber das Geräusch in der Nachbarschaft dabei nicht entgangen war.

Das kleine kluge Thier stutzte und knurrte leise, denn es wußte recht gut, daß es nicht laut werden durfte – der Maulwurfsfänger hatte es schon seit langen Jahren darauf dressirt, – aber sein Herr hörte nicht. Er lief ihm nach, bis er dicht hinter ihm war, und knurrte stärker, aber mit nicht besserem Erfolg. Der Maulwurfsfänger, von der Leidenschaft ergriffen, hörte und sah nichts weiter, als seine Beute. Der Förster saß, er hatte ihn selber gesehen, in der Stube des Haushofmeisters hinter einer Flasche Wein; der Forstgehülfe war mit den Böllern beschäftigt, weiter hatte er Niemanden zu fürchten, und es blieb ihm da übrig Zeit, den Lohn für seine Mühen zu nehmen und fortzuschaffen. Und mit Einem Sprung in das Dickicht hinein, war er auf dem gefangenen Schmalthier und genickte es ab.

Jetzt war Alles todtenstill – nein, da drinnen regte sich 'was, und sein Spitz, der in diesem Augenblick dicht hinter ihm stand, knurrte lauter.

»Was giebt's, Spitz?« rief der Alte erschreckt. »Kommt Jemand?«

Der Spitz knurrte noch einmal und schlug plötzlich laut an; der Wilddieb erschrak, denn das war ein untrügliches Zeichen, daß ihm Gefahr in unmittelbarer Nähe drohe. Fast unwillkürlich griff er freilich nach der Schlinge, um diese zu lösen und seine Beute frei zu bekommen; aber die Hände zitterten ihm dabei, und er horchte gespannt nach den Kiefern hinüber.

Lange in Zweifel sollte er aber nicht bleiben. War der Förster schon überhaupt in nächster Nähe, durch den Todeskampf des Thieres der richtigen Stelle zugelenkt worden, so verrieth jetzt das Bellen des Hundes nicht allein den genauen Punkt, sondern auch den, mit dem er es hier zu thun hatte.

»Hab' ich Dich endlich einmal erwischt, Dich neunhäutige Canaille?« schrie er, indem er in die jungen Fichten hineinsprang, während er mit der Linken sein Gesicht gegen die schlagenden und stachlichten Büsche schützte, in der Rechten aber noch immer das gespannte Gewehr hielt. »Steh, Schuft, oder ich schieße Dich wie einen tollen Hund über den Haufen!«

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