Gold!

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So sehr sich nun die Auswanderer bei ihrer Landung in Nordamerika oder Australien scheuen, das Schiff gleich die ersten Tage zu verlassen, weil sie doch gern erst einmal recognosciren und den Boden kennen lernen wollen, auf dem sie ihre neue Heimath gründen sollen; so rücksichtslos suchte jetzt hier Alles nur Land - nur Boden zu gewinnen, dem man eben mit Spaten und Spitzhacke beikommen konnte. - Daß dort Gold lag, verstand sich von selbst. In diesem nach Außendrängen der Masse konnte sich aber der Einzelne natürlich nicht um den Einzelnen bekümmern. So geschah es denn auch, daß die Frau Siebert, der man bis dahin jede Freundlichkeit erwiesen, unbeachtet und allein mit ihren drei Kindern an Deck stand, und mit klopfendem Herzen über die Bai hinausschaute, auf der sie jeden Augenblick das nahende Boot ihres Gatten erwartete. Das geankerte Schiff zeigte schon lange die Hamburger Flagge; - er wußte, daß sie mit einem solchen in dieser Zeit eintreffen mußte, und hatte gewiß schon Wochen lang auf sie und die Kinder gehofft - ja ohnedies auch in seinem Briefe fest versprochen, sie gleich von Bord abzuholen, - und doch kam er nicht.

Nur der alte Assessor Möhler war bei ihr geblieben. Ein/35/mal fürchtete er, daß das Jüngste, bei der Aufregung der Mutter und in der allgemeinen Verwirrung, vielleicht doch am Ende zu Schaden kommen könne, und dann sagte ihm auch wohl ein unbestimmtes, eben nicht ermuthigendes Gefühl, daß er immer noch früh genug jenes fabelhafte Land betreten würde. So, indem er Schutz gab, suchte er auch wieder zugleich Schutz unter den Fittigen der Frau, und glaubte die Bekanntschaft des reichen Californiers unter keinen besseren Umständen machen zu können, als wenn er ihm die gewiß sehnlichst erwartete Familie gesund und wohl überliefere.

Eine Menge kleiner Boote kreuzten herüber und hinüber zwischen den verschiedenen Schiffen und dem Land - oft dicht an ihrem eigenen Fahrzeug vorüber. Angerufen aber schüttelten die Rudernden stets mit dem Kopfe, oder antworteten auch gar nicht - sie hatten irgend ein anderes Ziel - was kümmerten sie die Neuankommenden, denen Schiff auf Schiff folgte. Nur ein paar leere Boote, von einzelnen Männern gerudert, legten langseit, Passagiere mit hinüber zu nehmen. Es waren Amerikaner, die mit ihren eigenen Booten auf solche Art ihren Lebensunterhalt verdienten, und die Passagiere wunderten sich darüber, solche Leute hier noch zu finden. Warum waren die nicht oben in den Minen und gruben Gold?

Mr. Hetson, der, seit sie die Einfahrt des goldenen Thores passirt, das Deck noch keinen Augenblick verlassen hatte, rief eins dieser Boote an, und miethete es zu einem enormen Preis für sich und seine Frau und sein Gepäck. Andere wurden von den übrigen Kajüten-Passagieren in Beschlag genommen, und mehrere Stunden mochten vergangen sein, ehe dasselbe viereckige und kastenähnliche Fahrzeug, das früher von der Bremer Barke den Matrosen zur Flucht verholfen, wieder zwischen den Schiffen sichtbar wurde und auf sie zuhielt.

Der Capitain der Leontine war indessen schon lange mit seiner eigenen Jolle an Land gefahren, und der Steuermann wollte das gutgemerkte Fahrzeug nicht an seinen Bord legen lassen. Die Passagiere aber, denen das Deck unter den Füßen brannte, sammelten sich in Masse gegen den Seemann, und drohten ihn über Bord zu werfen, wenn er ihnen verbieten wolle, /36/ das Schiff zu verlassen. Das Lichterfahrzeug nahm übrigens nicht die geringste Notiz von den drohend hinübergerufenen Worten des Officiers. Einzelne der Passagiere, während sich die Matrosen vollkommen unthätig dabei verhielten, warfen ihnen dabei ein Tau hinunter, und Alle, die ihr Gepäck schon bereit hatten, reichten ihre Kisten und Kasten hinab, und sprangen nach, so rasch sie irgend konnten. - Nur die Frau Siebert blieb theilnahmlos bei dem Allen stehen und schien blos Augen für die Ufer, blos für die anfahrenden Boote zu haben, um wieder und immer wieder getäuscht zu werden. Der alte Assessor aber redete ihr fortwährend Trost ein und bat sie, ja nicht ungeduldig zu werden. In dem Wirrwarr, der dort am Ufer zu herrschen scheine, habe Herr Siebert rechr gut die Ankunft ihres Schiffes übersehen können, oder wenn er darauf gewartet, so hätte er auch die übrige kleine Flotte, die ihnen gefolgt sei, bemerken müssen. Noch eine Hamburger und eine Bremer Flagge wehe von deren Masten, und es wäre sehr leicht möglich, daß er erst nach den beiden anderen deutschen Schiffen - leider den falschen - hinübergefahren sei, ehe er an Bord käme, seine Frau und Kinder hier zu finden. Die Frau nickte schweigend mit dem Kopf; so zuversichtlich sie aber bis jetzt aufgetreten war, ein so beengendes Gefühl hatte sich jetzt ihrer bemächtigt, denn gar so einsam, gar so verlassen kam sie sich in dem fremden Land vor. Sie wußte wohl recht gut, daß das nur aus ein paar Stunden sein konnte, aber sie hatte sich den Empfang doch ganz anders gedacht und ausgemalt - hatte gehofft, daß ihr Mann noch an Bord springen würde, so lange alle Passagiere versammelt waren, sie dann im Triumph an Land zu führen, und jetzt - ein Boot nach dem andern glitt an ihnen vorüber, und keins von allen trug den so heiß Erwarteten.

Der Eigenthümer des viereckigen Lichterbootes war mit an Bord gekommen und lehnte an der Schanzkleidung, das Einladen seiner Fracht zu überwachen. Was an Bord übrigens vorging, schien ihn nicht im Mindesten zu interessiren, denn er hatte nur Augen für die aus seinem Boot eingestauten Güter. Der Assessor stand kaum zwei Schritte von ihm entfernt, aber der Bootsmann drehte ihm den Rücken /37/ zu und überhörte auch ein paar höflich und leise an ihn gerichtete Fragen des alten Mannes. Wer von ihm etwas erfahren wollte, mußte laut sprechen.

„Heda - Hans!" rief er da plötzlich in deutscher Sprache dem Einen der unten beschäftigten Leute zu - „Donnerslag, pack' nich Alles da hinüber zu Stürbord. Du willst uns woll den Kasten umdrehn?"

„Aber die Passagiere! -" rief der Mann zurück.

„Die mögen sehn, wo sie Platz finden," lautete die Antwort, „hierüber damit, Junge, wir können ja auch sonst das eine Ruder gar nicht führen."

„Verzeihen Sie," faßte sich der Assessor da ein Herz, als er den Mann deutsch sprechen hörte, indem er dem über Bord Gelehnten leicht und schüchtern auf die breiten Schultern klopfte. -

„Ja!" sagte der Seemann und drehte den Kopf nach ihm um.

„Kennen Sie einen gewissen Herrn Siebert hier in Californien?" frug jetzt der Assessor, fest entschlossen, der fraglichen Sache ernst zu Leibe zu rücken. Die Frau horchte auf, als sie den Namen hörte.

„Ja, mein guter Mann," antwortete aber der Bootseigenthümer, seine Aufmerksamkeit wieder dem eigenen Fahrzeug zuwendend, „Californien ist groß, und in dem mögen schon eine gute Portion Sieberts herumlaufen. Einen Gottlieb Siebert hab' ich hier übrigens gekannt, wenn es der sein soll.“

„Gottlieb heißt mein Mann!" rief da die Frau, indem sie rasch ans den Bootführer zutrat, „kennt Ihr den, guter Freund, und ist er in San Francisco?"

„Hm," sagte der Mann und drehte sich nach ihr um - „Jhr seid seine Frau? - ja ich weiß - er hat sie von Deutschland erwartet."

„Ist er in San Francisco?" bat die Frau. -

„Wenigstens nicht weit davon," murmelte der Deutsche leise vor sich hin und spuckte seinen Tabakssaft über Bord – „thut mir leid, Madame, den - haben wir aber vorgestern begraben.“ /38/ „Begraben?" schrie die Frau und faßte in Todesangst den Arm des Mannes, der ihr die furchtbare Kunde mitgetheilt. Selbst der Assessor setzte das kleinste Kind, das er bis dahin auf dem Arm gehalten, rasch an Deck nieder, denn er fürchtete, daß er es fallen ließe - so war ihm der Schreck in die Glieder gefahren. Der Deutsche nickte aber mit dem Kopfe und sagte:

„Ja - thut mir leid, aber - erfahren hättet Ihr's doch müssen, und so ist's vielleicht besser, Ihr hört es gleich vom Anfang an. Er ist an einer Art Ruhr gestorben, und die Sache muß entsetzlich schnell gegangen sein, denn Abends waren wir noch zusammen, und am Morgen lag er in seinem Bette todt."

Die Frau Siebert war in die Kniee gesunken und barg das Gesicht in den Händen, und einzelne der Passagiere drängten herbei, zu hören, was vorgefallen.

„Siebert ist todt!" ging da die Kunde von Mund zu Mund - „na, das ist eine schöne Geschichte - die arme Frau, die sitzt jetzt da. Und was ist aus seinem Gold geworden?"

Der Deutsche zuckte die Achseln.

„'s ist eine böse Wirthschaft hier in dem Californien," meinte er. „Es sollte mir lieb sein, wenn die Frau noch 'was davon vorfände, aber - es sind schon zwei Tage her. Na, fragt da 'nmal in Nergel's deutschem Boarding-Haus an - halt da, Hans - nimm nichts mehr ein - wir haben genug. Was jetzt nicht mit kann, muß bis zur nächsten Fuhre bleiben. Hinunter mit Euch - jeder Mutter Sohn, der an Land will. - Wir stoßen jetzt ab, und wer nicht drin ist, bleibt zurück!"

Der Mann schwang sich dabei auf die Schanzkleidung und hinüber, und wollte eben nach unten gleiten, als der Assessor noch einmal seinen Arm ergriff.

„Wie hieß das Haus, das Sie uns nannten, in dem Herr Siebert gewohnt hat?" frug er rasch und ängstlich.

„Nergel's Boarding-Haus," lautete die kurze Antwort - „in Pacific Street" - und im nächsten Augenblick war er unten bei seinen Leuten. Ihm nach drängten die Passagiere; /39/ die, die ihre Sachen schon unten hatten, um nicht zurückgelassen zu werden, die übrigen ein anderes, ähnliches Boot herbeizuwinken, das gerade nicht weit von dort vorüberfuhr und dem Rufe Folge leistete. - Kreuzte es doch nur eben zu dem Zweck in der Bai umher, Passagiere und Güter von den frisch einlaufenden Schiffen an Land zu befördern. - Um die Frau bekümmerte sich Niemand mehr, und wenn sie auch wohl - wie die Leute meinten: „schlimm daran war, jetzt ohne Mann in Californien da zu sitzen", hatten sie doch zu viel mit sich selber zu thun, um länger über eine Sache nachzudenken, an der sie doch „nichts ändern konnten".

 

Nur der alte Assessor war zurückgeblieben, und als das zweite Lichterboot von Bord abstieß, kauerte die Frau noch immer mit in den Händen geborgenem Antlitz auf dem Deck, und der alte Mann stand neben ihr, hielt das Jüngste wieder auf dem Arm und zeigte ihm, mit selber blutendem Herzen, die bunte lebendige Bai, das rege, lustige Schaffen und Treiben da draußen - damit es nur nicht mehr so schreien sollte.

3.

Anf kalifornischem Boden.

Auf einer so laugen Seereise, und in einen so engen Raum zusammengedrängt, gewöhnen sich auch natürlich die Passagiere aneinander. Man ißt aus einem Topf, schläft unter einem Deck mitsammen, und wird zuletzt so gewöhnt, sich „guten Morgen" zu sagen, daß man sich ordentlich unbefriedigt fühlt, wenn man nicht mit jedem neuen Tage die verschiedenen Gefährten wieder begrüßt und gesehen hat. Unterwegs werden gewöhnlich Pläne gemacht, daß man nach der Landung sich zusammenhalten, oder, wenn wirklich ent/40/fernt, schreiben wolle - und was geschieht nach der Landung? -

Werft einen Tropfen Quecksilber auf den glatten Boden und seht, was mit ihm geschieht, und so eng eine Schiffsgesellschaft auch an Bord zusammengehalten haben mag: der erste Schritt an Land, noch dazu wenn das Land der Boden eines Golddistricts ist - trennt alle Bande, löst alle Versprechungen und streut die Einzelnen wie Spreu im Winde umher.

Schon auf dem Ueberfahrtsboot existirte keine Gemeinschaft mehr. Jeder hatte auf sein eigenes Gepäck zu sehen, die verschiedenen theils in die, theils in jene Ecke geworfenen Gegenstände zusammenzusuchen, oder wenigstens im Auge zu behalten, und wie das Fahrzeug nur festen Grund berührte, keuchte was immer konnte den ziemlich steilen, staubigen, heißen Hang hinauf, so rasch als möglich in das neue Leben einzutauchen. - Wer dachte hier daran, auch nur den Reisegefährten Lebewohl zu sagen? Fanden sie diese zufällig wieder, desto besser; wo nicht - nun so war hier Kalifornien, und Jeder mußte ja doch zusehen, daß er selber durchkam.

Mr. Hetson hatte mit seiner Frau in dem leichten Boot die Landung schon weit früher erreicht, dort zufällig einen leeren Karren getroffen, der Güter an den Strand geführt, und diesen augenblicklich gemiethet, sein Gepäck in irgend ein Hotel zu schaffen. Der Karren hielt auch bald, durch die bunten Straßen dieser wunderlichen Stadt fahrend, vor einem Mittelding zwischen Zelt und Schuppen, denn die Wand rechts von der Thür bestand aus übereinander genagelten Brettern, die links aus Segeltuch. Ueber dem Eingang aber prangten mit großen schwarzen Buchstaben die Worte „Union Hotel", und er durfte nicht daran zweifeln, den erfragten Platz erreicht zu haben.

Union Hotel - der Verschlag sah eher einer Meßbude ähnlich, in der Merkwürdigkeiten um ein geringes Eintrittsgeld gezeigt werden, als einem Hotel, aber, lieber Gott, in solch' einem neuen Lande durfte man auch nicht hoffen, all' die Bequemlichkeiten des alten Vaterlandes wiederzufinden. Vielleicht hielt auch das Innere mehr, als das Aeußere ver/41/sprach, und Hetson wünschte deshalb vor allen Dingen zu erfahren, ob er hier Aufnahme, und dann ein eigenes Zimmer für sich und seine Frau bekommen könne.

Eine Art Kellner - ein Individuum wenigstens, das in Ermangelung eines Besseren dafür gelten konnte, - war auf des Karrenführers Ruf in der Thür erschienen, und zeigte sich hier auch insofern geschäftig, als es ohne Weiteres einen Koffer und eine Hutschachtel aufpackte und damit im Innern wieder verschwinden wollte.

„Halt!" rief ihm da Hetson nach - „kann ich hier ein eigenes Zimmer bekommen?"

„Eigenes Zimmer? - gewiß," sagte der Kellner - „Nr. 7" und tauchte damit wieder hinter der Leinwand unter. Hetson blieb nichts weiter übrig als ihm zu folgen, um den bezeichneten Platz erst selber einmal in Augenschein zu nehmen. Selbst die geringsten Anforderungen aber, die er an dieses, dem Aeußern nach sehr bescheidene Hotel gestellt, fand er nicht befriedigt. Ein „eigenes Zimmer" zeigte ihm der Kellner allerdings, aber es war das nur ein kleiner Verschlag, eine Art Zeltabtheilung, die einfach durch ein Stück blauen Kattun hergestellt schien. Das ganze Hotel bestand aus acht oder zehn solchen oben offenen Abtheilungen unter dem gemeinschaftlichen Dach, jenen engen Gefachen nicht unähnlich, deren man sich in Badeanstalten zum Aus- und Anziehen bedient.

Das mochte nun allerdings für Männer, und auf kurze Zeit, ein erträglicher Aufenthalt sein; wenigstens ließ sich darin existiren und man konnte es als eine Art Bivouak betrachten. Hier aber eine Dame einzuquartieren, blieb ganz außer der Frage.

Der Karrenführer hatte indessen schon den größten Theil des Gepäcks heruntergegeben, als Mr. Hetson erklärte, hier unter keinen Umständen bleiben zu wollen. Irgend ein passenderer Platz war wohl schon aufzufinden, schlechter wenigstens konnte er ihn nirgends treffen.

Rasch ging er deshalb wieder zu dem Karren hinaus, sich das Fuhrwerk jedenfalls so lange zu sichern, bis er ein ihm genügendes Absteigequartier gefunden habe, und blickte eben ziemlich rathlos die von Menschen wogende Straße auf und ab,/42/ als ein an dem „Hotel" gerad' vorbeikommender Mann vor ihm stehen blieb, ihn einen Augenblick aufmerksam betrachtete und dann ausrief:

„Hetson! bei Allem, was lebt! Kamerad, welcher glückliche Wind hat Dich nach Kalifornien getrieben?"

Der Mann war eine zu auffallende Persönlichkeit, ihn je, wenn einmal gesehen, wieder zu vergessen, und doch konnte sich Hetson, als er überrascht zu ihm aufschaute, seiner nicht erinnern.

Um die hohe kräftige Gestalt hing eine bunte mexikanische Zarape, in derselben Art, wie sie die Spanier und Californier trugen, über die linke Schulter geschlagen; den Kopf deckte ein breitrandiger brauner Filzhut, unter dem die kleinen stechenden schwarzen Augen aus einem Wald von Haupt- und Barthaaren vorschauten. Die Beine staken in schwarzsammetnen, an den Seiten offenen und am Schlitz reich mit silbernen Knöpfen besetzten Hosen, und an den Schuhen klirrten ein Paar schwere mexikanische Sporen von polirter Bronze. Auch die dem jungen Amerikaner entgegengestreckte weiße, fast zarte Hand funkelte von fünf oder sechs steinbesetzten Ringen - aber wer war der Mann?

„Bester Herr," sagte Hetson etwas verlegen, „Sie sind da jedenfalls im Vortheil, denn Sie scheinen mich zu kennen, während ich mich in der That nicht besinnen kann, wo -"

„Hahaha!" unterbrach ihn aber lachend der Bärtige - „hab' ich mich so verändert, daß mich selbst ein alter Kommilitone nicht wiedererkennt? - Du erinnerst Dich wohl gar nicht eines gewissen Bill Siftly, heh?"

„Siftly? - ist es denn möglich!" rief Hetson jetzt erfreut, die noch immer dargebotene Hand ergreifend und schüttelnd, „das ist allerdings ein wunderbares Zusammentreffen. Das Woher? sollst Du mir aber nachher erzählen, jetzt erlaube mir erst, Dir meine Frau hier vorzustellen."

„Deine Frau?" rief der neugefundene Freund verwundert und drehte sich rasch nach der Dame um.

„Gentlemen," unterbrach da der Karrenführer die Unterhaltung, „ich kann mir wohl denken, daß es ganz angenehm sein muß, in diesem blutigen verbrannten Lande einen alten /43/ Bekannten zu treffen. Die Geschichte geht mich aber eigentlich nichts an, und ich kann deshalb nicht ein paar Stunden hier halten und meine Zeit versäumen. Zeit ist hier Geld, und wenn Sie mich nicht mehr haben wollen, so bezahlen Sie mich und ich fahre meiner Wege."

„Was giebt's? - was hast Du?" frug jetzt Siftly rasch, „Du kommst eben an? -"

„Ja - und suche ein Hotel, in dem ich mich und meine Frau einquartieren kann. In dem Neste hier ist es unmöglich."

„Ich sollt's denken," lachte der Andere, „aber ich weiß ein besseres. Dreh' um mein Bursch und fahr' nach dem Parkerhaus."

„Kein Platz mehr," brummte der Fuhrmann, „war schon vorhin mit einer andern Partie dort."

„Ich mache Euch Platz," sagte aber der mit der Zarape vollkommen zuversichtlich, „komm nur mit mir, Hetson, und ich stehe Dir dafür, daß sie Dich aufnehmen. Lad' nur wieder auf, was da liegt, wir sind gleich dort."

Der Mann gehorchte mit ziemlich mürrischem Gesicht. -

„Fehlen noch zwei Stück," sagte er dann, „die der Dings da in das Haus getragen hat."

„Ach ja, ein Koffer und eine Hutschachtel" - rief Hetson - „bitte, Kellner, bringen Sie die beiden Stücke einmal wieder heraus."

„Mit dem größten Vergnügen, mein Herr," erwiderte der Angeredete, ohne sich jedoch von der Stelle zu rühren - „sobald Sie mir die fünf Dollar Miethe für den heutigen Tag entrichtet haben."

„Die Miethe für den heutigen Tag?" rief der junge Amerikaner erstaunt aus - „ich habe noch gar nicht daran gedacht, mich hier einzumiethen "

„Sie haben von dem Zimmer mit Ihrem Gepäck Besitz genommen," sagte achselzuckend der Kellner, „und ich hätte es seit der Zeit schon dreimal wieder vermiethen können. Wenn Ihnen unser Hotel nicht gut genug ist, zahlen Sie wenigstens, was Sie schuldig sind, oder Sie bekommen Ihr Gepäck nicht eher wieder." /44/

„Nun das ist aber doch zu arg," rief Hetson entrüstet, „ich will doch einmal sehen, ob -"

„Zahle um Gottes willen," beschwichtigte ihn jedoch der Andere, „und laß die Gerichte hier in Frieden, wenn Du nicht hundert Dollar für Deine fünf loswerden willst. Du kannst noch froh sein, daß der junge Herr mit der weißen Schürze nicht unverschämt war und zwanzig forderte. - Ich werde Euch empfehlen, Jack," wandte er sich dann an den Kellner, „doch nun schafft die Sachen heraus, denn unser Fuhrmann wird ungeduldig. Ihr sollt Euer Geld bekommen."

Der Bursche nickte nur mit dem Kopfe, verschwand dann in der Thür und kam nach wenigen Minuten mit dem Gepäck zurück. Dieses wurde auf den Karren geworfen, Hetson zahlte, bot seiner Frau den Arm, und wenige Minuten später erreichten sie den Hauptplatz der Stadt, die sogenannte Plaza, und mit ihr das Parkerhaus, ein mehrstöckiges hölzernes Gebäude.

Siftly hielt Wort; der Wirth machte Raum für die beiden Gatten, wenn er ihnen auch nur ein einziges Stübchen anweisen konnte, und Mrs. Hetson fand sich bald, wenn auch nicht gerade wohnlich, doch wenigstens erträglich eingerichtet. Hetson hatte übrigens seinen so zufällig gefundenen alten Universitätsfreund gebeten, unten auf ihn zu warten, da er ihn noch um Einiges fragen wolle, und Siftly ihn zu dem Zweck in den Schenk- und Spielsalon des Hauses bestellt. Als Hetson seine Frau eben in der Eile so gut es gehen wollte eingerichtet, stieg er die schmale Treppe wieder hinab. Aus dem ersten Gange aber schon traf er Doctor Rascher von der Leontine, der eben seine Zimmerthür hinter sich abschloß.

„Ah steh da, Mr. Hetson!" sagte dieser, über das Begegnen sichtlich erfreut - „haben Sie sich ebenfalls hier einquartiert? Das Haus ist wie ein Bienenstock, und Ihre Frau Gemahlin wird eine unruhige Zeit bekommen."

„Ach Doctor," rief Hetson, ihm die Hand entgegenstreckend, „es ist mir lieb, daß wir Sie wenigstens in der Nähe haben. Gedenken Sie in San Francisco zu bleiben?"

„Für's Erste, ja," erwiderte der alte Mann, „dann aber werde ich hinauf in die Berge ziehen, mir das Leben dort einmal mit anzusehen."

„Und Gold zu graben?"

„Nein, das nicht," lächelte der alte Mann gutmüthig, „dazu reichen meine Kräfte doch wohl nicht aus. Aber der Hauptzweck, wegen dessen ich hierhergekommen, ist, die Flora des Landes zu untersuchen. Ich will nicht im Mineralreich, sondern in der Pflanzenwelt meine Schätze sammeln, und glaube kaum, daß ich darin einen Mißgriff machen werde. Sie, mein lieber Mr. Hetson, werden sich wohl auch nach andern Beschäftigung als Spitzhacke und Schaufel umschauen.“

„Wer weiß," lächelte der junge Mann düster vor sich hin - „in den Bergen drin - wenn sie so sind, wie ich sie mir denke, - entgeht man vielleicht mancher unangenehmen, unerwünschten Gesellschaft, die uns hier in der Stadt doch aufgedrungen wird. - Ich habe große Lust in die Minen zu gehen."

„Mit Ihrer Frau?"

„Und warum nicht? Wie ich aus den Zeitungen gesehen habe, sind gar nicht so wenig Frauen in den Bergen, und die Sommermonate über muß der Aufenthalt sogar reizend sein."

„Das überlegen Sie sich doch vorher noch recht reiflich, mein guter Mr. Hetson," sagte aber der alte Mann, bedenklich dabei mit dem Kopfe schüttelnd. „Für einen einzelnen Mann geht es wohl, ja; aber eine so zarte Frau wie die Ihrige hielt es am Ende nicht aus, und Sie machten sich nachher die bittersten Vorwürfe. Gold ist schon ein gut Ding, und wir brauchen es nun einmal zu unserem Leben; aber wir dürfen dagegen nichts noch Kostbareres einsetzen, sonst bleiben wir immer die Verlierer, erbeuteten wir auch noch so viel davon."

 

„Haben Sie keine Sorge, guter Doctor," sagte der junge Mann, „das Gold hat mich nicht nach Kalifornien geführt, und wird mich also auch nicht verleiten, einen thörichten Streich zu begehen. Also auf Wiedersehen, Doctor. - Sie thun mir aber einen Gefallen, wenn Sie nachher einmal nach meiner Frau sehen, Nr. 57. Ich bleibe vielleicht eine /46/Stunde aus, und sie klagte vorhin über heftigen Kopfschmerz."

„Es wird mir ein Vergnügen sein, Mrs. Hetson auf festem Lande zu begrüßen," sagte der alte Herr, und Hetson sprang mit einer freundlichen Handbewegung die Treppe hinab, seinen Gefährten dort aufzusuchen.

Der Doctor folgte ihm langsam, um unten im Hause noch einige Abänderungen in seinem Zimmer zu verlangen. Die californische Lebensart war ihm noch zu fremd - er hatte die deutschen Gasthöfe noch nicht vergessen. Außerdem sehnte er sich aber auch einmal wieder nach einer kräftigen Mahlzeit von grünem Gemüse und frischem Fleisch, was man auf einer so langen Seereise freilich entbehren muß, und zuletzt oft schmerzlich vermißt.

Der Speisesaal - ein großer, mit einer Menge von Tischen besetzter Raum - war zu dieser Tageszeit noch ziemlich leer. Zwischen Mittag und Abend lag immer eine stille Zeit, die nur von geschäftig hin und her eilenden Kellnern benutzt wurde, die Tische wieder für das Souper in Ordnung zu bringen. Das Schicksal der armen, hier nach Kalifornien geworfenen Dame ging dem alten Mann aber doch im Kopfe herum, und er achtete deshalb weniger auf seine Umgebung, als sonst wohl der Fall gewesen wäre. Leise nickte er dabei vor sich hin, als er der heimlichen Beweggründe gedachte, die den geängstigten Mann in die Minen trieben - und war es denn gar nicht möglich, ihn von diesem Wahn zu heilen?

Der Oberkellner - eine dürre, vertrocknete Gestalt - wie alle Uebrigen in Hemdsärmeln, schneeweißer Wäsche, einer Granattuchnadel und einem ächt französischen, sonngebräunten Gesicht, hatte den einzelnen Gast bemerkt und sandte einen seiner dienstbaren Geister zu ihm, zu fragen, was er verlange. Der Geschickte, ein schlanker junger Mann mit blondem Haar und blauen Augen, einem leichten lichten Schnurrbart und einer, für einen Kellner eben nicht passenden, tiefen Narbe auf der rechten Wange, trat zu dem Fremden, die Serviette unter dem einen Arm, den Speisezettel in der Hand:

,,Anything you want, Sir?"

Der Doctor sah langsam, noch ganz in seine Grübeleien vertieft, auf und starrte verwundert in das lächelnd auf ihm haftende Auge des Kellners.

„Und was bringt Sie nach Califormen, Doctor? lachte dieser endlich, indem er dem Doctor die Hand entgegenstreckte.

„Baron Lanzot?" rief der Doctor aber, in vollem Erstaunen von seinem Sitz emporspringend - „guter Gott, spielen Sie Komödie?"

„Wenn Sie wollen - ja," lautete die leichtherzige Antwort des jungen Edelmanns, indem er des Doctors Hand ergriff und schüttelte. „Für zweihundert Dollar per Monat spiel' ich eine kurze Zeit Marqueurs-Rollen, anstatt einem Phantom in den Minen nachzulaufen - dem Phantom des Millionärs."

„Aber um Gottes willen, Baron, wenn das Ihre Eltern erführen - Ihre Mutter grämte sich zu Tode."

„Ich halte sie für eine weit vernünftigere Frau, Doctor. Sie wird mich lieber hier mein Brod in ehrlicher Weise verdienen sehen, als daß ich müßig ginge und vielleicht Schulden machte. Wir, die uns das Schicksal an diese Küste geworfen, arbeiten nun Alle einmal für unser Leben, und während ich einem Theil der Leute hier verlangte Speisen als garcon vorsetze, lasse ich mir von Anderen als gentleman mein Gold aus den Minen graben. Ob das nun direct oder indirect in meine Tasche kommt, bleibt sich gleich - wenn es nur eben den Weg dahin findet."

„Sie sind Philosoph, Baron."

„Bitte um Verzeihung, ich bin Kellner," lachte der junge Mann, „und wenn Sie nicht bald etwas bestellen, werde ich von meinem französischen Vorgesetzten dahinten - ich nenne ihn immer mon capitain - wahrscheinlich eine Nase bekommen."

„Aber ich kann mich doch, weiß es Gott, nicht von Ihnen bedienen lassen?" rief der Doctor ordentlich verlegen aus.

„Sie werden Ihre Freude an mir haben," unterbrach ihn der Kellner, indem er ihm mit einer leichten Verbeugung den Speisezettel vorschob - „bitte, befehlen Sie: beefsteal. roastbeef, mutton chops - Eier, Kartoffeln, Bohnen - mehr Auswahl können Sie nicht verlangen; nur unsere Weine sind vortrefflich, und alle geschmuggelt." /48/

Der Doctor nahm den Speisezettel, schob ihn aber wieder von sich und rief:

„Nein wahrhaftig, Baron, die ganze Geschichte hier kommt mir wie ein toller Spuk vor. Sie, den ich zuletzt in der Soirée des Fürsten Lichtenstein, mit Orden geschmückt, mit der Fürstin selber tanzend, verlassen, finde ich jetzt mit der Serviette unter dem Arm, mit dem Speisezettel in der Hand - oh gehen Sie - Sie haben mich zum Besten."

„Da ich sehe," lächelte der junge Mann, „daß Sie Ihre, in Californien höchst kostbare Zeit nur mit vollkommen nutzlosen Ausrufungen verschwenden, werde ich mich Ihrer annehmen und Ihnen selber etwas zu essen bestellen - ich hoffe, Sie sollen damit zufrieden sein. Wenn Sie nachher die Preise erfahren, werden Sie merken, daß wir hier keineswegs spaßen, sondern bittern Ernst machen."

Der junge Mann ging lachend zum Buffet zurück und ließ den Doctor, noch immer stumm und starr vor Staunen, an seinem Tische, denn so hatte er sich Californien doch eigentlich nicht gedacht.

Baron Lanzot - oder vielmehr Emil mit seinem Kellnernamen, kam indessen bald zurück, servirte äußerst geschickt und blieb dann an der andern Seite des Tisches vor dem Gaste stehen.

„Aber, bester Baron -"

„Emil, wenn ich bitten darf -"

„Es geht nicht, Baron, es geht wahrhaftig nicht," rief aber der alte Mann in Verzweiflung aus - „bedenken Sie, ich bin noch kein Californier."

„Das entschuldigt allerdings Vieles," erwiderte Emil. „Seien Sie übrigens versichert, daß Ihnen da noch Manches zu erleben bevorsteht, von dem Sie sich im Augenblick nichts träumen lassen. Hier in Californien sind alle Bande des gesellschaftlichen Lebens, die wir im alten Vaterlande nur zu oft als unumgänglich nothwendig für jede Existenz halten, gelöst. Jeder lebt für sich, so gut oder so schlecht er kann der Nebenmann kennt ihn nicht, oder bekümmert sich nicht um ihn, und wenn er oben schwimmt, hat er's nur allein sich selber zu verdanken. Wir leben allerdings unter Gesetzen /49/ einer civilisirten Nation, aber auch nur dem Namen nach, denn keine Kraft ist genügend, sie aufrecht zu erhalten, und das Faustrecht blüht deshalb so wunderbar und herrlich wieder hier, wie je im Mittelalter daheim im lieben Vaterlande."

„Aber weshalb sind Sie nach Californien gegangen?"

„Fragen Sie das Jahr 48," sagte achselzuckend der junge Mann. „Es giebt nichts Entsetzlicheres als einen Bürgerkrieg, und da ich die Wahl hatte, zog ich diese Verhältnisse vor. Ob sie mir auch auf die Länge der Zeit zusagen werden, ist eine andere Sache, mit der ich mir aber vor der Hand den Kopf noch nicht zerbreche. Jetzt bin ich einmal in Californien, und mit den Wölfen - Sie kennen wohl das Sprüch-wort. Wohnen Sie hier im Hause?"

Der Doctor nickte nur und arbeitete in die ihm vorgesetzten Speisen hinein, schüttelte aber fortwährend dabei mit dem Kopfe und schmeckte in der That gar nicht, was er aß. Emil wurde aber in diesem Augenblick abgerufen, und das Gespräch war für jetzt unterbrochen.

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