Gold!

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„Wenn Sie das schlafen nennen, Herr Hufner, allerdings!" erwiderte der Angeredete. „Ich glaubte jedoch, Sie wären schon über alle Berge und säßen bereits achtzehn bis zwanzig Fuß tief unter der Erde in irgend einem gemüthlichen Goldschacht bei einer Blendlaterne. Aber dürfte ich Sie vielleicht einmal bitten, den Herrn Justizrath in die Rippen zu stoßen, und zwar nur seiner selbst wegen, denn er könnte sich wirklich Schaden thun."

„Daß er uns einen Criminalproceß an den Hals wirft, heh?" näselte da Herr Binderhof aus einer andern Koje heraus.

„Ah, Herr Binderhof aus Hamburg," rief Ohlers wieder zurück, „freue mich ungemein Ihrer werthen Nachbarschaft. - Alle Wetter, da fängt das Kind auch an zu schreien. Das hat der Justizrath auf dem Gewissen."

„Bitte, meine Herren, seien Sie ruhig," bat da des Assessor Möhler Stimme in seinen freundlichsten Tönen. „Die arme /95/ Frau Siebert kann keinenfalls schlafen und der Kleine ist ebenfalls wieder munter geworden."

„Bitte, Herr Assessor, gehen Sie doch mit dem Wurm ein wenig auf und ab. Er wird sich gleich wieder beruhigen," rief da eine andere Stimme, die aus dem Hause rechts vom California-Hotel zu kommen schien.

„Ist das nicht der Herr Lamberg?" frug Ohlers.

„Zu dienen, Herr Ohlers," antwortete dieser - „Pacific Street Nr. 17, Parterre. Sie haben Nr. 19, wenn ich nicht irre."

„Habe mir die Hausnummer noch nicht angesehen," erwiderte Ohlers. „Sie wohnen im California-Hotel?"

„Bitte um Verzeihung; noch ein Haus weiter, aber gerad' daneben. Ich bin in einer Privatfamilie untergekommen, bei einem verwittweten Hutmacher. Uebrigens möchte auch ich den Antrag an das California-Hotel unterstützen, den Justizrath zum Schweigen zu bringen. Es ist gegen alles Völkerrecht."

„Wenn der Herr Assessor nur das Kind beruhigen wollte," näselte da Binderhof wieder aus dem Parterrelocal des El Dorado-Hotels vor - „wozu ist er denn da?"

„Herr Binderhof, ich verbitte mir alle Anzüglichkeiten," sagte aber der Assessor. Ohlers unterbrach ihn jedoch und rief in seine Parterrewohnung hinunter:

„Ach, wenn Sie das Alles so genau wissen, mein bester Herr Binderhof, dann könnten Sie uns auch vielleicht Auskunft geben, wozu Sie eigentlich da sind. Ich habe mir darüber schon die ganze sechsmonatliche Reise den Kopf zerbrochen."

Aus allen drei Häusern erscholl zugleich ein laut schallendes Gelächter und erstickte die Antwort des Interpellirten. Andere Schläfer aber, die von dem Lärmen rechts und links geweckt waren, protestirten jetzt gegen einen solchen Skandal in der Nacht und verlangten Ruhe. Besonders eifrig war der ebenfalls erwachte Justizrath unter diesen, der mit seinem: „Donnerwetter - Skandal machen - Flegel andere Leute schlafen lassen" dazwischen polterte. Die Meisten wußten aber, daß er gerade der Schnarcher gewesen war, über den /96/ die eigentliche Unruhe entstanden, und Alles fiel jetzt über ihn her und lachte und schrie und tobte, bis sogar von über die Straße herüber die Nachbarn Ruhe verlangten. Endlich legte sich der Lärm etwas, die Leute wurden selber müde - denn wer von den Allen kümmerte sich eben um den Nachbar. Nur das Kind schrie noch, das der Assessor wirklich in der Stube herumtragen mußte. Auch das schlief endlich ein; der Justizrath lag wahrscheinlich auf der Seite, denn er schnarchte eben-falls nicht mehr, und so still wurde es bald in der Stadt, daß man drüben von den Küstenbergen herüber deutlich konnte die Cayotas und großen braunen Wölfe heulen hören.

Es war Mitternacht - jetzt stieß einer der alten braunen Burschen einen langgezogenen, kläglich tönenden Schrei aus, und nun fielen die kleinen grauen Prairiewölfe oder Cayotas in wildem Geheul mit ein, das bald von da, bald von dort beantwortet wurde und gar wild und wunderlich zu dem monotonen und dumpfen Rauschen und Brausen der fernen Meeresbrandung klang. Auch das Geheul der Wölfe, die sich nach den Missionsbergen hinüber gezogen hatten, verstummte endlich. Der Mond war schon lange untergegangen, und tiefe, dunkle Nacht lag auf der stillen, schlummernden Stadt.

6.

Der erste Brand.

„Feuer! Feuer!" - Wie ein Schrei scholl der Schreckensruf durch die stillen und öden Straßen der Stadt, die schlaftrunkenen Bewohner von ihren harten Lagern wild und jäh emportreibend. „Feuer!"

Noch vermochte freilich Niemand das wirklich Entsetzliche des Rufs in solcher Stadt zu fassen; noch fehlte ihnen der Maßstab für die Gewalt, mit der sich das einmal losgelassene /97/ Element die Bahn im Mark und Leben der Bevölkerung fressen würde. Aber in unbestimmten Bildern von Gefahr standen Allen die sonngedörrten Bretterbuden, die getheerten Zelte, die luftigen Kattunwände vor Augen, und mit ihnen die Ahnung des Unheils, das über sie hereinbrechen sollte.

Feuer! - Was für ein unheimlicher Ruf das ist, unter allen Verhältnissen. Die Sinne noch von kaum abgeschütteltem Schlaf gelähmt, mit der Gewißheit einer irgendwo drohenden Gefahr, ohne noch im Stande zu sein dagegen einzuschreiten; mit dem Lärm um uns her, mit Trommeln, Hörnerblasen, hastigen Glockenschlägen; mit dem dumpfen Rollen der Räder schwerer Spritzen, die über das Pflaster rasseln, mit den flüchtigen Schritten laufender Menschen - und hoch am Himmel dann den Feuerschein, der lohend flammt und zuckt und weiter frißt.

Hat man sich freilich erst überzeugt, wo es eigentlich brennt, und fühlt man sich außer Gefahr, so sucht der gleichgültig gegen solche Kalamität gewordene Städter wohl auch sein Lager wieder und tröstet sich mit einem - „Du kannst doch nichts helfen -- es werden schon mehr als genug Leute dort am Platze sein"; ja, ärgert sich zuletzt wohl gar über das unausgesetzte Stürmen, über die häufigeren Schläge der Glocken, die das Wachsen des Feuers künden. Das Leben selber lehrt uns ja nur zu oft, im Leben unsere eigene selbstsüchtige Bahn zu gehen, gleichgültig, wer dabei zu links, zu rechts vom Wege fällt und vor uns, neben uns versinkt.

„Feuer!" - wie anders schallte aber der Ruf durch die Zeltstraßen von San Francisco. „Feuer!" Der Schrei fand sein Echo in jedem Schuppen, in jedem Kattunverschlag des weiten Platzes, und blitzesschnell stand fast die ganze Bevölkerung, die fast sämmtlich angekleidet auf ihrem harten Liegen, auf der offenen Straße und schaute sich verwundert - staunend um.

Kein Feuerschein am Himmel zeigt noch die Richtung der Gefahr, - keine rollende Spritze, kein Trommelschlag, kein Lärmsignal wird laut, und Todtenstille herrscht unter den Tausenden, die Alle verstört und scheu bald rechts, bald links schauen, Bestätigung des Gehörten zu erwarten. /98/

„Wo brennt es denn?" flüsterte jetzt leise Einer dem Andern zu, und da - mit einem Schlag, als ob ein eingehemmter Krater plötzlich seine Flammensäule dem Himmel selber trotzig entgegenschleudere, so brach die rothe Lohe prasselnd sich Luft und Bahn.

„Feuer!" gellte der Angstschrei fast aus jeder Kehle, denn die ganze Stadt schien in dem einen Moment in Flammen zu stehen. „Feuer!" - Und fort stürmten sie, nur in dem einen unbestimmten Gefühl zu retten - was? - wo? wußten sie selber noch nicht - dem Orte der Gefahr entgegen.

„Nach der Plaza! nach der Plaza!" schallte hier und da ein einzelner Ruf, der von Lippe zu Lippe flog, und nach der Plaza wogte die Menschenschaar, dem Gluthenmeer, das aus dem Boden aufgeworfen schien, entgegen. Und jetzt schon fast kamen sie zu spät, den freien Platz noch zu erreichen, denn jetzt bereits, wo sie die Dauer des Feuers noch nach Secunden zählen konnten, wälzte die üppig genährte Flamme schon über die dort hinein mündenden Straßen hinüber und tanzte lustig über zischende Theer- und Bretterflächen hin. Retten! Ja wer konnte retten, wo eine Welt in Feuer stand? In dem Augenblicke, wo die Gluth ein Zelt berührte, hatte sie es auch von oben bis unten in ihre lohenden Arme geschlagen, brennende Funken zischender Fetzen auf die darunter weg Flüchtenden niederschleudernd. Lustig blies dabei der Wind mit vollen Backen in die züngelnden Flammen hinein und wirbelte lodernde Lappen hoch empor und weit hinaus, in ihrer verderblichen Flucht andere, noch fern gelegene Stellen fassend. Unter den sprühenden, flackernden Feuergarben aber flohen entsetzte Menschenkinder, hier ihre in Hast aufgegriffene Habe bergend, dort nur mit dem nackten Leben dem Flammentod entgangen, und ihnen entgegen preßte die Schaar der Neugierigen, die das furchtbare Schauspiel vor sich noch immer nicht fassen - noch nicht begreifen konnten, um was es sich hier handle - sie wären sonst nicht dorten stehen geblieben.

„Hülfe! - Hülfe!" kreischte hier und da eine einzelne Stimme über den dumpf wogenden Lärm, durch die knisternde Flamme, die in ihren mächtigen Feuersäulen, vom Winde ge/99/peitscht, ein Geräusch verursachte, wie fast das Schlagen eines schweren Segels in Windstille. „Hülfe!" Ja wer konnte ihnen Hülfe bringen? - wo war der Schwimmer, der sich in dieses Flammenmeer gewagt - wo der Salamander, der darin leben konnte? Der Schrei erstickte wieder, wie er entstanden, und durch die plötzlich eintretende Stille gellte da der jähe Schreckensruf:

„Oben in Pacific Street brennt's - unten am Werft fangen die Häuser Flammen! - Die ganze Stadt ist verloren !"

Hui! wie stoben die Menschen da wieder auseinander. Wie flüchtete Alles, was dort oder da wohnte, die eigenen Habseligkeiten, so rasch es eben ging, in Sicherheit zu bringen. Wenn Tausende aber davonstürmten, strömten andere Tausende von den entferntesten Theilen der Stadt eben so rasch wieder herbei, und der praktische Sinn der Amerikaner hatte bald in dieser allgemeinen Gefahr das Richtige gefunden, das Feuer nicht etwa zu löschen - denn das sahen Alle, war unmöglich - aber es doch in gewisse Grenzen zu bannen und nicht weiter fressen zu lassen. Glücklicher Weise ließ gerade jetzt der Wind etwas nach - geschah das nicht, so wäre die ganze Stadt ein Raub der Flammen geworden. So bildeten sich nun rechts und links, mit Aexten und Tauen bewaffnet, einzelne Partien, dort, wohin das Feuer sich die Bahn fressen wollte, seinem Wüthen durch Niederreißen der Zelte und Holzbaracken Einhalt zu thun. Während Einzelne, rücksichtslos, wer sich im Innern derselben befand, noch völlig von dem Brande unberührte Gebäude mit ihren scharfen Aexten angriffen und die Eckpfosten einhieben, warfen Hunderte von Armen die langen starken Taue um die ihrem Geschick verfallenen menschlichen Wohnungen, um sie im nächsten Augenblick dem Boden gleich zu machen. Aber selbst das half nicht immer. Die flammenden Stücke der Zelte flogen wie feurige böse Geister selbst über diese hin, und die wenigen, überhaupt m San Francisco vorräthigen Spritzen kamen dem eigentlichen Feuer gar nicht nahe, sondern hatten vollauf zu thun, nicht mindere Gefahr da und dort in den noch unerfaßten, aber bedrohten Straßen abzuhalten. Die Aufregung und Angst

 

/100/ der Bewohner stieg dadurch auch auf das Aeußerste. Jedes neu ergriffene Haus mehrte die Noth, und dumpfe, wenn auch vollkommen unbestimmte Gerüchte von Brandstiftern, die selbst während des Arbeitens von Mund zu Mund liefen, vermehrten nur die Aufregung der Leute.

Die ganze Seite der Plaza, auf der sich die eigentlichen Spielhöllen, mit dem hohen Parkerhaus in der Mitte, befanden, stand nicht allein in hellen Flammen, sondern war schon in kaum einer Viertelstunde dem Boden gleich gebrannt, und nur die rauchenden Trümmer sandten noch ihren Qualm und Funkenregen sprühend empor. Hoch auf aber, wie eine einzige Fenersäule, loderte das von der Sonne vollkommen ausgedörrte, aus dünnen Balken und Brettern bestehende, mit hölzernen getheerten Schindeln bedeckte Parkerhaus, und die Bewohner desselben hatten in der That kaum Zeit gehabt, von dem Augenblick an, wo der erste Feuerschrei ertönte, das nackte Leben zu retten.

Feuer! - Durch das ganze Gebäude zitterte der Ruf, bis unter das Dach hinauf, und die dort Zimmer an Zimmer einquartierten Bewohner eilten, aus dem Schlaf emporgeschreckt, zitternd an die Fenster. Aber nur einen Blick warfen sie hinaus, auf die drohende Gefahr da unten, und aufgreifend, was ihnen nur zunächst in die Hände kam, stürmten sie fast Alle der hölzernen schmalen Treppe zu, das Freie zu gewinnen, ehe ihnen dieser einzige Rückweg abgeschnitten würde.

Hetson, der mit seiner jungen Frau ebenfalls im oberen Stock des Parkerhauses einquartiert war, gehörte, so ganz rathlos er sich der unbestimmten Gefahr gezeigt, die seiner Liebe drohte, keineswegs zu jenen schwachen Naturen, die einer wirklichen persönlichen Gefahr in jähem Schreck erliegen. Die Nähe derselben weckte im Gegentheil alle seine Lebensgeister zu voller Thätigkeit, und mit einem Blick seine Lage überschauend, sagte er rasch:

„Jenny - dieses Haus ist verloren - ganz Francisco selber könnte es nicht mehr retten, aber unser Geld und das Nothwendigste Deiner Kleider muß ich in Sicherheit bringen, wenn wir hier in dem fremden Lande nicht verderben wollen."

„Ich gehe mit Dir!" rief die junge Frau, zum Tode er/101/schreckt, denn der Feuerschein dicht vor ihrem Fenster, der schon die Funken bis über ihr Dach wirbelte, das Schreien und Heulen der anstürmenden Menschen, das Zittern des leichten Gebäudes selber, in dem die Insassen rathlos hin und her stürzten, hatte sie fast ihrer Sinne beraubt.

„Halt - noch nicht!" rief aber Hetson, der indessen in voller kaltblütiger Ruhe seine Cassette aufgeschlossen und das Geld an seinem eigenen Körper geborgen hatte, nachdem er nur einen Blick durch die geöffnete Thür geworfen. „Die Treppe ist gedrängt voll Menschen, die rücksichtslos übereinander wegstürzen. Erst laß die Bahn wieder frei werden, denn so lange haben wir schon noch Zeit, und ich selber will indessen suchen Deinen Koffer hinabzuschaffen."

„Ich vergehe in der Zeit hier vor Angst!" klagte die Frau.

„So folge mir denn," sagte Hetson nach kurzem Besinnen, „und suche wenigstens den Reisesack zu tragen. Vielleicht ist es auch besser so. Du bleibst dann unten bei den Sachen, und ich kehre noch einmal hierher zurück, zu retten was irgend möglich ist."

„Oh, dann komm," bat da die Frau - „sieh nur um Gottes willen, wie die Flamme schon in den wenigen Secunden gewachsen ist. Sie lodert ja am Hanse empor. Wenn sie die Treppe erfaßt, sind wir verloren!"

„Noch nicht, mein Herz!" lachte da Hetson, der in der Gefahr seine ganze Energie wiedergewonnen hatte. „Halte Dich nur dicht hinter mir, und wenn Dir der Reisesack zu schwer wird, wirf ihn fort. Was er enthält, läßt sich schon immer wieder anschaffen. So denn an's Werk - kommen wir nur glücklich die Treppe hinunter, sind wir auch gerettet."

Rasch hob er sich dabei den Koffer auf die Schulter, der einen Theil von Jenny's Wäsche und Kleidern enthielt, stieß die Thür auf und schritt auf den Gang hinaus, auf den aus allen Thüren Menschen strömten. Jenny folgte, wie er ihr befohlen, dicht hinter ihm, ihre linke Hand von der seinen fest umschlossen, daß sie nicht getrennt werden konnten, und suchte mit der rechten den ihr anvertrauten Reisesack festzuhalten, Das aber war nicht möglich; in wenigen Secunden war er von Nachdrängenden bei Seite geschoben und unter /102/ die Füße getreten, und Jenny behielt eben noch Zeit genug, ihn wieder an sich zu reißen und über das Treppengeländer hinüber nach unten zu werfen.

„Die Treppe bricht!" schrie da eine helle Angststimme von unten herauf, und in dem plötzlichen Schreck vor solchem Unfall drängte davon zurück, wer oben noch Raum zum Weichen hatte.

Das half den Uebrigen, und Hetson, der nur zu gut wußte, daß sie doch rettungslos verloren waren, wenn der da unten wahr gesprochen, riß seine Frau den ächzenden engen Stufen zu und floh mit ihr hinab, so rasch es seine Last erlaubte.

Jetzt aber half ihnen das Feuer über eine Stelle, die ihnen sonst vielleicht verderblich geworden wäre. Ein Theil des Treppengeländers war nämlich, gerade wo die Treppe sich herumzog, durch das Dagegenpressen der Niederspringenden abgebrochen worden; die draußen emporlodernde Flamme verrieth jedoch den Flüchtigen die Gefahr, und glücklich kamen sie in's untere Haus. Aber selbst hier schienen sie noch nicht gerettet, denn wie der Strom der Flüchtigen hinaus in's Freie zu drängen suchte, so preßte ihnen durch die enge Thür ein anderer Menschenschwarm entgegen, der theils in's Haus gehörte und noch zu retten hoffte, theils aus Neugierde in tollem Eifer heranstürmte - theils vielleicht die Gelegenheit zum Stehlen ersehen wollte. Eine Thür war noch verschlossen, und die zwar, die in den Saal führte. Die also Eingehemmten nahmen sich aber keine Zeit zu untersuchen, ob von innen oder außen. Gegen das dünne Gewände warfen sie sich an und schleuderten die schwache Thür in Stücken in den Saal, durch diesen jetzt die Bahn in's Freie suchend. Was kümmerte es sie, daß ihr Weg hier über Stühle und Tische und vielleicht noch nicht gerettete, hier eingestellte Schätze führte. Dort lag der Ausgang - dort lag die Bahn in's Freie, und rücksichtslos unter die Füße tretend, was sich ihnen in den Weg stellte, an zur Seite geschleuderten Tischen vorbei, über zerknickte Stühle hin, wälzte sich die Menge.

„Hetson!" rief da plötzlich eine laute, rauhe Stimme den Fliehenden an. „Alle Wetter, Du hast ein hübsches Entree in Kalifornien!"

„Siftly - Dich führt mein guter Stern hierher!" rief erfreut der junge Mann - „nimm Dich meiner Frau an, daß ich zurück kann, um unsere Effecten zu retten."

„Thut mir leid, Kamerad," rief aber der Spieler achselzuckend - „das, was ich auf dieser Welt mein nenne, brennt ebenfalls lichterloh, und ich muß sehen, daß ich noch reiten kann."

„Aber meine Frau -"

„Gehe mit ihr hinüber nach dem Courthouse; dort ist der einzige Platz, wo Ihr vorläufig sicher seid. - Wie lange freilich, weiß der Teufel," brummte er in den Bart, „denn es scheint wahrhaftig, als ob alle bösen Geister losgelassen wären, dieses Nest niederzusengen."

Hetson hörte aber schon nicht mehr, was er sprach, sondern floh jetzt so rasch er konnte mit seiner Frau dem Ausgang zu, um quer über den Platz der unmittelbaren Gefahr zu entkommen. Dort hatte sich aber eine solche Masse von Neugierigen und Müßiggängern versammelt, und solche Haufen von Gepäck waren ebenfalls da aufgeschichtet worden, daß Hetson dem Wind entgegen nach der linken Seite der Plaza hinüberhielt, dort vielleicht in einem der nächsten Häuser augenblickliches Unterkommen, wenigstens für seine Frau, zu finden.

Jene Seite schien auch in der That außer aller Gefahr zu liegen, denn der Wind trug Flammen und Funken nach der entgegengesetzten. Hier hatte ein englischer Arzt einen sogenannten shop - das Schild war hell von der Gluth beleuchtet - und Hetson besann sich nicht lange, diesen um Hülfe anzusprechen. Gern wurde dieselbe auch zugesagt, so weit es in diesem Wirrwarr überhaupt möglich war. Freilich rieth ihm der Besitzer des kleinen Ladens selber, lieber einen entfernteren Schutzort aufzusuchen, denn die Plaza war wahrlich in diesem Augenblicke kein Aufenthalt für eine zarte Frau. Hetson aber drängte es, noch einmal in das Parkerhaus zurückzukehren, um wenigstens das Nöthigste von seinen eigenen Kleidungsstücken zu retten. Er bat deshalb Jenny nur mit /104/ flüchtigen Worten, seiner hier einen Augenblick zu harren, und eilte dann, so rasch ihn seine Füße trugen, zu dem schon in Flammen gehüllten Parkerhause zurück. In voller Hast vorwärts drängend, erreichte er auch die Schwelle desselben wieder, aber ein Betreten desselben war nicht mehr möglich. An ihm vorbei stürmten ein paar rauchgeschwärzte Gestalten, in deren einer er Siftly zu erkennen glaubte. Aber ihm blieb keine Zeit, selbst nur den Kopf nach jenen umzudrehen, denn prasselnd, krachend brach in diesem Augenblicke das Sparrwerk des Parkerhauses zusammen, schlug durch die leichte, schon überdies hier und da vom Feuer angegriffene Saaldecke und füllte im nächsten Moment die noch stehenden äußeren Wände mit einer einzigen Flammensäule an. Thurmhoch wirbelte dabei ein wahrer Schauer von glühenden Funken und brennenden Stücken Holz in die Nacht hinein - aber die Richtung des Windes hatte sich in dem Augenblicke geändert. Nicht mehr die Straße hinab zog die lohende Gluth, sondern gerade über die Plaza hinüber und der andern Häuserreihe zu warf es den glühenden, verderblichen Regen.

Furchtbare Verwirrung entstand dadurch auf der Plaza selbst, wo man indessen all' die geretteten Güter und Habseligkeiten aufgeschichtet hatte. Dort mittenhinein fielen die lodernden Brände, und ein Haufen dort übereinander geworfener leichter Kleider fing zuerst Feuer. Die nächst Stehenden, anstatt sie zusammenzupressen und die Gluth zu ersticken, rissen sie in jähem Schreck auseinander und fachten den Brand dadurch nur rascher an. In wenigen Secunden hatten sich die nächsten Gegenstände ebenfalls entzündet, und nur Minuten später loderte Alles, was man dort sicher und gerettet geglaubt, lustig und hoch empor, die fernen Häuserreihen selbst gefährdend. Das Entsetzen hatte dadurch unter den Bewohnern von San Francisco den höchsten Grad erreicht, und mit ihm stieg zugleich die Wuth und Rachbegier gegen die Missethäter - denn daß das Feuer böswillig angelegt sei, bezweifelte Niemand mehr.

Flüche und Verwünschungen, Gott und die Erde und was sie trug und barg lästernd, strömten von tausend Lippen, und daß ihnen für alles dies ein bestimmtes Ziel fehlte, daß /105/ Niemand ihnen entgegenstand, an dem sie diese mit jeder Secunde wachsende Wuth auslassen konnten, mehrte, vergrößerte den wilden Ingrimm nur desto mehr. Durch das Umschlagen des Windes war dabei die ganze Stadt bedroht, und schon fingen dort drüben die bis jetzt verschonten und nur von der Hitze gedörrten Häuser an zu brennen, sowie nur die ersten Funken darauf niederfielen. Zwei Spritzen kamen allerdings gerade von dort herüber, und von der Bai heraus führten die Karrenleute unablässig Wasser, aber wie durften sie hoffen, das zornige, übermächtige Element zu besiegen.

Hetson sah im Augenblick, daß jeder weitere Versuch, in das seinem Geschick verfallene Haus einzudringen, Wahnsinn gewesen wäre, und wollte jetzt nur so rasch als möglich zu seiner Frau zurückkehren. - Aber selbst das war nicht so rasch geschehen, und zu seinem Entsetzen bemerkte er, wie auch dort schon die Flammen aufstiegen, während das Gewirr und Gedränge von Menschen auf der Plaza selber seinen Höhepunkt erreicht hatte. Durch diesen Knäuel hin und her wogender Massen, durch die dazwischen vom Feuer erfaßten Güter selber schien es für den Einzelnen unmöglich, einer bestimmten Bahn zu folgen.

 

Unter den Thätigsten an dem Abend, soviel als möglich vom Eigenthum zu retten und, als das nicht ging, dem Feuer wenigstens Einhalt zu thun, war ein großer, breitschulteriger Farbiger - ein freier Neger aus den Vereinigten Staaten - gewesen, und jetzt nur herzugeeilt, seine Hülfe bei der neuen Gefahr auf der Plaza anzubieten. Hier aber sah er bald, daß die Leute, in ihren Bemühungen die aufgeschichteten Güter auseinander zu reißen, das Uebel eher noch schlimmer machten, als verbesserten und gar nichts dabei nützten, während sie drüben durch Einreißen an den meistbedrohten Stellen die Flammen doch vielleicht auf einen gewissen Raum beschränken konnten. Von Schweiß triefend, seine Kleider schon in Fetzen um sich her hängend, aber noch voll guten Muths in seinem Rettungswerk, sprang der Bursche, gerade als Hetson dort hindurch sich Bahn zu brechen suchte, denn auch zwischen die bestürzte Menge, die zum großen Theil den Kopf verloren /106/ halte oder ihre Kräfte wenigstens unzweckmäßig benutzte, und schrie dazwischen:

„Laßt doch den Plunder da brennen - was liegt an den paar Kisten und Stühlen? Da drüben -"

„Zum Teufel auch!" schrieen Andere dazwischen, deren ganzes Eigenthum vielleicht hier aufgespeichert lag, - „Plunder brennen? - Die schwarze Canaille freut sich wohl gar über das Feuer!"

„Aber ich sage Euch -" rief der Schwarze in das Toben hinein, indem er vergebens suchte sich verständlich zu machen - „daß Ihr da drüben nöthiger seid. - Wenn das Feuer -"

„Der gehört wohl gar mit zu den verdammten Brandstiftern, die sich noch freuen, daß hier unser Eigenthum zu Grunde geht!" rief eine Stimme.

„Was ist da los - wen haben sie dort? Einen von den Brandstiftern? Nieder mit dem Hunde! schlagt ihn zu Boden! reißt ihm das Herz aus dem Leibe!" tobten die ferner Stehenden, die nicht deutlich gehört hatten, was da vorging.

„Zurück da, - seid Ihr wahnsinnig?" rief aber der Neger lachend aus, indem er sich Bahn zu machen suchte und über einige der dort aufgehäuften Gegenstände hinübersprang.

„Das ist er, - haltet ihn, - laßt ihn nicht fort!" gellte da ein wilder Schrei, - „werft ihn in die Flammen und laßt ihn braten!"

„Wo ist der Brandstifter? - wo?" - brüllten jetzt auch die dem Neger Nächsten, die da glaubten, daß man irgendwo anders einen der Missethäter erwischt habe. „Wo ist der Hund?"

„Da springt er - laßt ihn nicht fort! zum Feuer mit ihm!" brüllte die Menge jetzt ein Ziel vsr Augen, an dem sie ihre Wuth auslasten konnte.

Der Neger, wohl schon von den Vereinigten Staaten her gewitzigt, daß ein Farbiger, einem Haufen aufgeregter Weißer gegenüber, nicht viel Schonung zu erwarten hat, mochte sein Gewissen so weiß und rein sein wie es wollte, suchte den ärgsten Schreiern auszuweichen, und einmal aus ihrem Bereich, brauchte er nicht zu fürchten, weiter belästigt /107/ zu werden. Eine Kiste aber, auf deren Ecke er sprang, hatte an der Seite keine Unterlage und schlug mit ihm über, und als er sich vor einem Fall retten wollte und zur Seite sprang, knickte er in die Kniee.

„Das ist er! - haltet ihn - nieder mit ihm, zum Feuer mit der schwarzen brandstifterischen Bestie!" heulte die Schaar in rasender Wuth.

„Aber Gentlemen!" schrie der arme Teufel jetzt wirklich erschreckt, indem er die Nächsten von sich abzuhalten suchte, „ich habe gerettet, was ich konnte, und bin kein Brandstifter!"

Was halfen die Worte in dem Wuthgebrüll der Tobenden, die in ihrer ganzen gewichtigen Masse gegen ihn anpreßten und ihn zu Boden rissen. Der Neger fühlte jetzt auch, daß sein Leben - wenn auch nur durch ein tolles Mißverständniß - bedroht sei, und suchte sich mit seiner ganzen riesigen Kraft Bahn zu machen - was er in seine nervigen Fäuste packte, schrie laut auf vor Schmerz - aber retten konnte ihn das nicht.

„Nieder mit dem Hunde, - nieder mit ihm!" jauchzten die Rasenden, und über ihn, von den Herzudrängenden gepreßt, stürmten die vermeintlichen Rächer. Ohne Waffen, wie er da unter ihren Füßen lag, blieben ihm allerdings nur seine Arme und Zähne, und in grimmiger Verzweiflung griff er damit an, was er erreichen konnte - umsonst. Ueber ihn wälzte die Menschenmenge, und die, die ihn nicht mehr erreichen konnten, um ihn, was ihre erste Absicht gewesen, dem Feuer zuzuschleppen, traten ihn mit den scharfen Hacken nach dem Leben und zermalmten ihn unter ihren Füßen. Einer Schaar von losgelassenen Dämonen glichen, schauerlich von dem flammenden Feuer beleuchtet, die Wüthenden, die jauchzend und heulend, und doch im Gefühl ihres Rechts, ein unschuldiges Menschenleben unter ihren Füßen zerstampften; aber wer wollte hier, in diesem Augenblick der ringsum lodernden Gefahr, von Ruhe, von Untersuchung einer Anschuldigung hören? Das unglückliche Wort, das ihn zum Brandstifter stempelte, ob mißverstanden, ob absichtlich entstellt, war gefallen, die gereizte Menge tobte es nach, und das Opfer, das sich ihnen so unerwartet bot, wurde vernichtet. /108/

Den leblosen verstümmelten Körper schleppten die Wüthenden nachher noch in die Flammen - vielleicht in einem unbestimmten Gefühl, den Beweis dieser Rache sobald als möglich aus dem Wege zu haben, und von Lippe zu Lippe, bis in die entferntesten Straßen der Stadt flog der Jubelruf:

„Das Feuer war angesteckt, und einen der Brandstifter haben sie erwischt und in die Flammen geworfen!"

Hetson schauderte zusammen, als er, ein unfreiwilliger Zeuge dieser furchtbar schnellen Volksjustiz, mitten in den Haufen der Wüthenden, ja über den zu Boden getretenen Neger selbst hinweggedrängt wurde, ohne im Stande zu sein, sich aus dem Menschenknäuel herauszuwinden. Wie er sich aber nur frei sah, floh er auch, so rasch ihn seine Füße trugen, der jetzt ebenfalls brennenden Häuserreihe zu, in der er seine Frau zurückgelassen hatte. Aber auch hier Verderben, wohin die Spur des Feuers sich gewandt, so daß er in den schon von der Hitze verkohlten Fronten nicht einmal mehr das früher aufgesuchte Haus erkennen konnte.

So ruhig und selbst kaltblütig Hetson aber bis jetzt der Gefahr begegnet war, so unerwartet und bis in's innerste Mark traf ihn dieser neue Schlag, und wie rasend stürmte er, stürzende, flammende Balken und Bretter nicht achtend, an der Häuserreihe hin, jetzt Jenny's Namen rufend, und nun seinen Leichtsinn, mit dem er die Unglückliche sich selber überlassen, verfluchend. Vergebens aber suchte er Haus nach Haus ab und fand endlich, das eigene Leben in diesem kecken Wagniß mehr als einmal in die Schanze schlagend, den „Doctor-shop" wieder, in dem er sie gelassen. Er kannte den Platz an den jetzt niedergeworfenen Regalen und den umhergestreuten Gläsern und Büchsen - aber von den früheren Bewohnern war keine Spur mehr zu entdecken. Diese hatten sich auch in der That, dem Feuer ausweichend, durch die Hintergebäude und über niedergerissene Planken hin, gerettet, und die Spritzen waren gerade am Eckhaus - einem niedern Lehmgebäude noch aus der spanischen Zeit her - aufgefahren, um dieses wo möglich zu schützen und dadurch dem Feuer nach dieser Richtung hin Einhalt zu thun.

Todmatt, aber die Erschöpfung in der Angst um die /109/ Verlorene kaum fühlend, hielt Hetson athemlos einen Augenblick inne, sich erst zu sammeln, erst zu überlegen, wohin er jetzt sich wenden, wo er suchen solle. Ueberlegen - guter Gott, das Hirn brannte ihm in wilderer Gluth, als sie da draußen an den Gebäuden leckte, und er mußte sich auf das Rad eines dort haltenden Wasserkarrens stützen, um nicht umzusinken.

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