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Südamerika

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Der Mann hatte das Heimweh. – Mir war er wohl schon lange aufgefallen, aber ich glaubte immer, er leide vielleicht noch an den Folgen der Seekrankheit, von der er sehr mitgenommen worden; eines Tages aber kam er mit thränenden Augen zu mir, und bat mich, ich möchte doch um Gottes Willen den Capitän dahin zu bewegen suchen, daß er ihn mit dem nächsten Schiff, was uns begegne, zurück nach Deutschland schicke. – Er habe leichtsinnig gehandelt – er habe eine Frau und drei Kinder daheim zurückgelassen, während ihm jetzt die Erinnerung an sie das Herz zerreiße und er blutige Thränen weinen möchte, wenn er an den Abschied von den Seinen dächte, wo ihm die Kleinen um den Hals fielen und ihn baten, daß er nicht von ihnen gehen möchte. – Er sähe jetzt ein daß er unrecht, daß er unverantwortlich gehandelt habe, und sey auch sein kleines Capital, was er auf die Reise gewandt, nun verloren, so wolle er doch lieber den letzten Pfennig daran wenden, wieder zurückzukommen und dann im Vaterland, bei den Seinen Tag und Nacht arbeiten, das Verlorene wieder einzubringen.

Als sich dem Mann erst einmal der starre Schmerz gelöst, als er Worte gefunden hatte, gerieth er fast außer sich und die Thränen stürzten ihm die bleich gehärmten Wangen nieder. Ich that allerdings Alles, was in meinen Kräften stand, ihn zu trösten, was aber konnte ich ihm als Trost sagen. Ein Schiff zu finden das ihn zurücknähme, darauf durfte er gar nicht rechnen, denn wenn wir wirklich eines trafen, wie das auch später geschah, so hätte ihn das gar nicht so ohne weiteres aufnehmen dürfen, und Alles was ich ihm rathen konnte war, sich den Schritt den er gethan, noch einmal recht zu überlegen und dann, wenn wir nach Rio kämen entweder alle trüben Gedanken bei Seite zu werfen und in das Leben das er sich jetzt einmal gewählt, mit beiden Füßen zugleich hineinzuspringen, oder – wenn er fühle daß er Unrecht gehandelt habe und den Schritt bereue, oder auch nicht im Stande sey die Trennung zu ertragen, von Rio de Janeiro aus, wo er fast jeden Tag Gelegenheit habe, wieder heimzukehren in die Arme der Seinen.

Der Mann beruhigte sich endlich; als wir einige Tage später ein Schiff trafen, erwähnte er nichts weiter von seiner früheren Absicht und noch vor Rio antwortete er mir auf meine Frage danach, daß er sich entschlossen habe seinen Plan durchzuführen und nach Californien zu gehen. Als er aber später in Rio de Janeiro die heimwärts bestimmten Schiffe sah, und gar Menschen sprach die sich darauf freuten nun bald wieder zu Hause bei den Ihrigen zu seyn, da mochte das Heimweh wohl wieder mit der alten gewaltigen Kraft ausgebrochen seyn und alle seine anderen Entschlüsse über den Haufen geworfen haben. Er nahm seine Sachen vom Bord des Talisman und ging als Passagier an Bord des dorthin bestimmten Schiffes, nach Bremen zurück.

Wir befanden uns jetzt ziemlich unter der Linie und kamen auch unter die hier fast unvermeidliche Windstille; die Hitze hatte ich mir aber viel schlimmer gedacht, denn bei einem kaum bemerkbaren Luftzug war sie ganz erträglich, und selbst ohne diesen kaum drückend. Am heißesten Tag hatten wir im Schatten 27° Réaumur.

Eines der vielen Seemährchen ist es, daß die Schiffe bei Windstille unter dem Aequator alle halbe Stunden oder alle Stunden mit Wasser begossen werden müssen, wenn sie nicht springen sollten; unsere Decks wurden nur Morgens wie gewöhnlich gewaschen, Regenschauer sind übrigens hier gewöhnlich häufig und besonders in der Nacht störend, wo die Schläfer an Deck fast jede Nacht durch einen Guß geweckt und in ihre dunstigen Cojen mit den nassen Betten hinabgeschickt wurden. Denen, welche die Linie passiren und die Nacht gern, trotz des Regens, an Deck schlafen wollen, will ich übrigens ein Mittel nennen, wie sie auch, trotz eines recht tüchtigen Regengusses, in der freien Luft trocken ihren Platz behaupten können. Sie müssen vor allen Dingen eine Hängematte haben und mögen diese nun aufspannen wo sie wollen, darüber hin aber, und zwar von oben nach unten ziehen sie ein schwaches Tau, und über dieses hängen sie ihre wollene Decke, oder noch besser, ein großes Stück getheerter Leinwand, das sie nur bei heftigem Winde gegen die Wand hin zusammenbinden müssen, und der stärkste Regenschauer kann ihnen nichts anhaben. Während die anderen mit ihren nassen Decken und Matrazen in Cajüte und Zwischendeck hinunterrutschen und taumeln, liegen sie kühl und trocken unter ihrem Regendach. Die Schädlichkeit der Mondstrahlen unter dem Aequator haben wir auch noch nicht empfunden; ich schlafe jetzt schon seit dem 45° nördlicher Breite im Freien, – und ein großer Theil der Passagiere mit mir, seit wir unter der heißen Zone sind, – und noch befinden wir uns, hie und da ein kleines Unwohlseyn abgerechnet, vollkommen gesund.

Sonntag den 22. April, ziemlich unter dem Aequator, kam der schon vorher angemeldete Neptun mit Frau Gemahlin und »Barbier;« er wurde vom Capitän freundlich empfangen. Der Gott, der übrigens beiläufig gesagt ein wenig »ruppig« aussah, sprach sich mit dem Capitän in der englischen Sprache – ihm wahrscheinlich die geläufigste – zuerst aus, und wandte sich dann an die, ihn etwas ängstlich gespannt umstehenden Passagiere.

Die ganze Ceremonie ist bekannt genug und kann hier füglich unbeschrieben bleiben, das Ganze ist auch auf Passagierschiffen nur ein harmloser Scherz, von dem sich keiner der Passagiere – wenn er nicht wirklich krank ist – ausschließen kann, also deßhalb auch gar keinen solchen Versuch machen sollte. Man wird einfach mit einem Eimer Seewasser – ein ganz angenehmes Gefühl in der Hitze – begossen, und läßt sich von der Seeseife, die in schwarzer Farbe besteht, durch das Unterzeichnen eines freiwilligen Beitrags, der auf unserem Schiffe von zwei Dollar bis 1/3 Dollar nieder lief, freisprechen.

Mit der tropischen Taufe erhob sich aber auch eine recht frische Brise und am Nachmittag kamen wir in Sicht eines Segels. Es war die englische Fregatte Agincourt, Capitän Risbett, jetzt zum Packetschiff zwischen Calcutta und London benutzt, die dicht an uns heransegelte und zu unser aller Freude, ein Boot an Bord sandte. Glücklich alle die, welche für solchen Fall Briefe in die Heimath vorbereitet hatten. Der Agincourt war am 27. Januar von Calcutta aus gesegelt, und kam mit dem Südostpassat in sieben Tagen von Helena. An Bord hatte er viele deutsche Passagiere vom Cap der guten Hoffnung, und diese ließen uns durch den Secondelieutenant, einen liebenswürdigen jungen Mann, der zu uns an Bord kam, um deutsche Zeitungen bitten. Capitän Meyer sandte ihnen ein ganzes Packet und ich hätte nur dabei seyn mögen, wie sie bei der Rückkunft des Bootes darüber herfielen.

Am 25. fingen wir, trotz der langen vorhergegangenen Windstille, in der sich Haifische doch sonst so gern zeigen, den ersten Hai – es war ein Bursch von circa 5 Fuß Länge und so gierig, daß er, obgleich er einmal schon halb aus dem Wasser vom Haken wieder abfiel, doch ungesäumt und förmlich wüthend zu ihm zurückkehrte, ihn einschlang und nun unter Jubelgeschrei an Bord gezogen wurde, wo er nicht wenig um sich her schlug und die Neugierigen bald in ehrfurchtsvolle Ferne zurückwies. Am Abend ließ ich seinen Schwanz, den besten Theil des Fisches, braten – das Fleisch war delicat und schmeckte besonders gut kalt mit Essig und Pfeffer.

Unter dem zweiten Grad südlicher Breite trafen wir den vollen Südostpassat, der uns jetzt mit schwellenden Segeln der brasilianischen Küste entgegenführt.

Erst in der Breite von Cap Frio, unfern der brasilianischen Küste sollte unser monotones Leben in etwas unterbrochen werden. Ein sehr heftiger Pampero nämlich – ein Sturm auf den ich schon später näher zu sprechen kommen werde, und der hauptsächlich am La Plata wüthet, hatte seine gewöhnlichen Grenzen einmal ein wenig ausgedehnt, und wehte hier eben noch mit so fürchterlicher Kraft, daß mehre Schiffe an der Küste verunglückt seyn sollen und ein portugiesisches Kriegsschiff, dicht vor dem Hafen von Rio de Janeiro, alle drei Masten verlor. Wir bekamen tüchtig eins »auf die Mütze«, und arbeiteten mehren Tage unter dicht gereeften Marssegeln gegen den Sturm an. Außerdem übrigens, daß wir ein wenig umhergeworfen und aufgehalten und viele der Passagiere wieder seekrank wurden, hatten wir weiter keine bösen Folgen zu tragen.

Am 11. Mai sahen wir Morgens, nachdem wir in der Nacht vergebens nach dem für dort angegebenen Leuchtfeuer ausgeschaut, Cap Frio und liefen von hier aus, die pittoresken Küstengebirge Brasiliens fortwährend in Sicht, südwärts, dem Hafen von Rio de Janeiro entgegen. Der Wind war dabei günstig, und die Küstenberge sind so hervorragend und scharf abgezeichnet, daß ein Vorbeilaufen des Hafens, noch dazu bei klarem Wetter, kaum vorkommen kann, dennoch machte es Capitän Meyer, trotz der zeitigen Warnung des alten Steuermanns Schnell möglich. Noch vor Dunkelwerden war ich mit dem Capitän oben auf der Vor-Mars-Raae, und er zeigte mir von dort aus eine vor uns liegende kleine Insel, die er mir als den Hafen von Rio gerade gegenüber beschrieb. Als wir aber Abends, gerade nach Dunkelwerden, beim Thee saßen, kam der Steuermann herein und berichtete, daß eben dwars über zu starbord das Feuer von Raza, das gleich unter dem Eingang des Hafens brennt, sichtbar würde, und unser Capitän sprang etwas bestürzt nach oben.

Es war in der That so; wir gingen zwar augenblicklich mit dem Schiff herum, Strömung und Wind aber gegen uns, hatten wir den günstigen Augenblick schon verpaßt, und mußten nun noch bis zum nächsten Abend, also volle vier und zwanzig Stunden aufkreuzen, in den Hafen endlich einzulaufen.

Am 12. Mai Nachmittags hatten wir das ganze prachtvolle Panorama, das den schönsten Hafen der Welt umschließt, vor uns, und schon konnten wir den »Zuckerhut«, der als treffliche Landmarke das linke Ufer des Eingangs bildet, unterscheiden. Je mehr wir uns dem Lande näherten, desto deutlicher traten die einzelnen Gruppen, endlich die Umrisse der Vegetation und zuletzt sogar das so lang entbehrte, lebende Grün der Bergrücken und Wälder, aus denen hochstämmige Palmen aufragten, hervor; an den beiden kleinen Inseln Paya und Maya (Vater und Mutter) segelten wir dicht vorüber, und erreichten gerade nach Sonnenuntergang den Platz von dem wir, wäre es hell gewesen, alles hätten überschauen können, was das Auge in dieser neuen Welt überrascht und entzückt.

 

Unter den Tropen folgt aber dem Sonnenuntergang auch fast augenblickliche Nacht, und als wir vom Fort Santa Cruz angerufen oder vielmehr angebrüllt wurden (denn die Stimme klang als ob sie aus der Unterwelt käme), lag schon tiefe Nacht auf dem Meere, und nur unzählige Lichter verriethen die Nähe einer volkreichen Stadt, eines belebten Hafens.

Nachdem sich unser Cargadeur, welcher der portugiesischen Sprache mächtig war, eine Zeitlang mit dem Befehlshaber des Forts in solchen »unintelligible roars« wie sie Boz so treffend nennt, unterhalten, und keiner vom andern, wie ich fest überzeugt bin, ein Wort verstanden hatte, glitt unser Fahrzeug an vielen andern dort vor Anker liegenden dicht vorüber, wobei wir eines der Schiffe so dicht passirten, daß man eine Mütze hätte an dessen Bord werfen können. Wenige herüber und hinüber gerufene Worte sagten uns, daß es ein Landsmann sey – die Hamburger Brigg Merk oder Merks, Capitän Valentin, und ein donnerndes Hurrah begrüßte die Landsleute. Gleich darauf ließen auch wir den Anker fallen.

Es war bis dahin an Bord die Befürchtung ausgesprochen, daß die Passagiere der fremden Schiffe ohne einen vom brasilianischen Consul in Deutschland visirten Paß zu haben, nicht würden ans Land gelassen werden; glücklicherweise zeigte sich das aber anders, denn als am nächsten Morgen das sogenannte Visitenboot zu uns an Bord kam, wurde uns bald die summarische Erlaubniß zu Theil, so rasch und so zahlreich an Land zu fahren, wie wir nur wollten. Man kann sich denken, daß wir schnell genug davon Gebrauch machten, und es dauerte nicht lange, so ruderten wir (am 13. Mai Morgens), im herrlichsten Sonnenlicht, dem freundlichen Ufer entgegen. »Brasilien ist nicht weit von hier,« sangen einige, und alle freuten sich der prachtvollen Natur, die uns umgab.

Der Hafen von Rio de Janeiro ist übrigens schon zu oft beschrieben, als daß ich noch einmal etwas versuchen sollte, was eigentlich doch unmöglich ist – diese Naturschönheiten – die stille Bay, die am Ufer bald zerstreuten, bald zu Massen zusammengedrängten Gebäude, die hohen, bald schroffen, bald mit der herrlichsten Vegetation bedeckten Hügel und Gebirge, die zahlreichen Schiffe und Boote, die Flaggen aller Länder und Welttheile, die Forts und Bastionen mit ihren Kirchen und Kanonen – das alles läßt sich wohl schildern und ausmalen, aber dem Leser einen wirklichen Begriff, ein treues Bild davon zu geben, das, glaub ich, ist rein unmöglich.

2. Rio de Janeiro

Die Stadt selber, – und mit wie Manchem auf der weiten Gottes Welt geht es nicht ebenso – verliert indessen gewaltig, wenn man erst ihre nähere Bekanntschaft macht. Die Straßen sind, mit wenigen Ausnahmen, eng und schmutzig, und die Masse der Sklaven, mit ihren unzähligen farbigen Abstufungen, die dem Auge überall in den Weg tritt, macht einen zu widerlichen Eindruck auf den Europäer, ihn, in dem scharfen Kontrast nicht selbst die herrliche Natur – der man übrigens in den schmalen Straßen auch fast entrückt ist – vergessen zu machen.

Im Hafen von Rio de Janeiro lagen Massen von Fahrzeugen; so stark ich aber auch die schon begonnene Auswanderung nach Californien vermuthet haben mochte, so hatte ich doch nie geglaubt, daß eine solche Anzahl von Schiffen dahin bestimmt seyn könnte, wie sie schon, mit Passagieren, diesen Port berührt hat, und noch, fast jeden Tag, berührt. Besonders viel amerikanische Schiffe lagen im Hafen von Rio, und die Bewohner der Stadt sind so daran gewöhnt, in jedem Fremden einen kalifornischen Candidaten zu finden, daß vorzüglich die Neger ohne Unterschied schon von weitem jedem etwas fremdartig aussehenden Mann ihr »Californier« entgegenrufen – und sie begehen selten einen Irrthum.

Wo wir gingen und standen tönte uns der Ruf: »oho Californier!« nach, und besonderen Spaß machte mir Einer unserer Mitpassagiere, der fest überzeugt war, ganz in die Landestracht – weiße Beinkleider und dunklen Frack gekleidet zu seyn, und dieß Beiwort nur einzig und allein auf seinen, durch das Seewasser etwas mitgenommenen Hut bezog. Er beschloß also sich jedenfalls einen neuen, ächt brasilianischen zu kaufen und verließ uns auch bald darauf in dieser löblichen Absicht. Den Hut kaufte er allerdings, und noch dazu in guter Qualität, – wer beschreibt aber sein Entsetzen, als er kaum um die nächste Ecke schon wieder mit dem fürchterlichen Wort – »oho Californier!« begrüßt wurde. Unser Kamerad hat die Neger, von denen dieser Zuruf besonders ausgeht, für eine »barbarische Nation« erklärt, die ihre Sklavenfesseln im reichsten Maße verdient.

An demselben Tage war ein »Stiergefecht« mit noch einer Menge anderer Anpreisungen und Versprechungen angekündigt, und da ich hörte daß diese Art Vergnügungen hier nach und nach mehr in Verfall käme und überhaupt nicht so oft stattfände, so beschloß ich es jedenfalls zu besuchen. Ein Stiergefecht in Brasilien hatte überhaupt an sich schon eine eigene Anziehungskraft, und in höchst gespannter Erwartung ging ich mit einigen befreundeten Passagieren des Talisman dem angegebenen Orte, wo der Kampf stattfinden sollte, entgegen.

Wir fanden eine ziemlich geräumige Arena, ringsum Logen und vor diesen freie Bänke, alles übrigens von rohem Holze und eben genug mit weißer Wasserfarbe bestrichen, um Beinkleider und Röcke zu beschmutzen. An den sich gegenüberliegenden Stellen der Arena waren große viereckige Pappscheiben mit grob gemalten Figuren aufgestellt, hinter die sich, wie ich später fand, die Stierkämpfer im Fall der Noth retirirten und rings an der Einfassung liefen gleichfalls breite Latten hin, auf welche die verfolgten »Streiter« hinaufspringen konnten. Ein paar ziemlich fade Hanswurste durften auch hier nicht fehlen; der eine war, wie es in Nordamerika gewöhnlich Sitte ist, schwarz gemalt, und führte in den Pausen komische Negertänze aus; der andere schien nur an sich selber den meisten Gefallen zu haben, wenigstens lachte niemand anderes über ihn.

Die Hauptfiguren der Arena waren zwei Personen; ein Spanier der die ganze Anordnung des Schauspiels zu leiten schien, ein bildschöner junger Mann in altspanischer Tracht auf kleinem, feurigem Roß, und neben diesem ein anderer Reiter, der jedoch eher einem preußischen Kürassier aus dem dreißigjährigen Kriege, als einem spanischen Stierkämpfer glich. Er trug einen dreieckigen Hut und langen Pallasch an der Seite, hatte aber eine so fabelhafte Aehnlichkeit mit Napoleon (d. h. dem wirklichen) daß es uns Allen zugleich auffiel.

Dieser war der Hauptgegner des gehetzten Thieres, und erntete auch den meisten Beifall.

Außer den Fußkämpfern, die, wie unsere Bauerjungen in gelbe Hosen und rothe Westen gekleidet gingen, stolzirte noch eine Persönlichkeit in der Arena umher, welche um so mehr die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zog, da sie auf dem Zettel ganz besonders, und noch dazu mit großen Buchstaben angekündigt und der Menge also förmlich versprochen war. In dieser Person kann ich dem Leser aber Niemand Geringeres als el Diabo, den Teufel selber, vorführen, der in seine Lieblingsfarben, gelb und roth, gekleidet, mit langen Hörnern und längerem hintennachschleifendem Schweif die Stiere, ganz herausfordernd zu erwarten schien, sich aber, als später das Zeichen gegeben wurde, bescheidener als man es hätte glauben sollen, auf die Barriere zurückzog, und hier ebenfalls einen »stillen Beobachter« abgab.

Der spanische Ritter gab endlich das Zeichen zum Beginne, – ein Neger öffnete von innen das eine Thor und zog sich blitzesschnell auf seinen Stand zurück. Seine Eile schien übrigens ziemlich unnöthig gewesen zu seyn, denn der erste Bulle der in dem Eingang bald darauf erschien, sah harmlos genug aus, schaute sich zuerst einen Augenblick ganz erstaunt um – denn er hatte wohl kaum erwartet hier so zahlreiche Gesellschaft zu finden – und suchte dann, so rasch ihn seine Füße trugen, das gegenüberliegende Thor.

Damit schien aber dem Publikum keineswegs gedient; wildes Pfeifen und Trommeln begrüßte das arme friedliche Thier von allen Seiten, und ein paar Männer sprangen in die Arena und mit rothen Tüchern darauf zu und suchten es zu reizen und anzufeuern. Im Anfang wollte ihnen das aber nicht gelingen, der Bulle schien fest entschlossen gar nichts übel zu nehmen, und leistete nur einen höchst lobenswerthen passiven Widerstand. Nur erst als Napoleon mit einer Holzlanze auf ihn zusprengte, ihm diese in den Nacken stieß und einen mit flatterndem Papier umhüllten Stachel darin zurückließ, verließ ihn seine gute Laune etwas und er machte einige schwache Angriffe.

Es mag sonst in jeder Hinsicht ein höchst schätzbares Thier gewesen seyn, zur Arena eignete es sich aber nicht, und als ihm endlich zum Abgang das Thor wieder geöffnet wurde, folgte ihm ein solches Zischen und Pfeifen, wie ich es selbst bei der ersten und einzigen Aufführung eines Oettinger’schen Lustspieles in Leipzig nicht gehört hatte – es fehlten ihm nur die faulen Orangen um ihn vollständig zu demüthigen.

Der zweite Bulle »war eine Kuh,« aber ein kleines munteres, keckes Ding, das sich dem ersten, der sich ihm in der Arena zeigte, mit trotzigem Muthe entgegenwarf und, ganz das Gegentheil von seinem stillen Vorgänger, förmlich auf Krakeel auszugehen schien.

Hier muß ich übrigens bemerken, daß der brasilianische Stierkampf keineswegs wie der altspanische, auf Tod und Blutvergießen hinausläuft – den Stieren sind deßhalb auch die Hörner mit großen hölzernen Futteralen und Knöpfen bedeckt, so daß sie weder Roß noch Reiter verwunden können; aus gegenseitiger und nicht mehr als billiger Höflichkeit wird dann aber auch das Thier zum Schluß nicht von dem Matador abgestochen, sondern einfach hinausgejagt, oder, soll das Vergnügen noch größer seyn, eingefangen und hinausgeworfen.

Unsere Kuh hatte indessen schon einige der papierrauschenden Stacheln eingesetzt bekommen, und Napoleon sprengte ihr jetzt entgegen, den Kampf zu vollenden, fand aber hier einen weit gewandteren und schnelleren Gegner als an dem vorigen Kopfhänger, und eine einzige ungeschickte oder ängstliche Bewegung des Pferdes brachte dieses so weit in den Bereich seines gehörnten Feindes, daß es ihm mit dem raschen Seitensprung nicht mehr entgehen konnte. Die Kuh faßte es unter dem Bauch und würde ihm diesen, wären ihre Hörner in ihrem natürlichen Zustand gewesen, aufgeschlitzt haben, so aber fanden die stumpfen Kuppen, in allem Grimm und Kampfesmuth vorwärts gestoßen, einen zu harten Widerstand, und das rechte Horn des armen Thieres brach dicht über dem Kopfe weg, so daß nur der blutende innere Stumpf stehen blieb; mit diesem kämpfte sie aber noch unverdrossen, uneingeschüchtert fort, und bot den stets neu auf sie einstürmenden, doch nie Stand haltenden Angreifern trotzig die blutige Stirn. Es war ein widerlicher Anblick, und ich freute mich als man das arme Thier endlich erlöste, damit es einem anderen, kräftigeren, Bahn machen konnte.

Eine Zwischenpause folgte hier, die wieder mit einigen höchst matten Tänzen des Bemalten ausgefüllt wurde, bis endlich der dritte Stier erschien. Es war dieß ein junger, feuriger, schwarzer Bursche, mit hohem Hocker auf den Schultern und ein paar düster und wild blickenden Augen. Er strafte auch sein muthiges Aussehen keineswegs Lügen, und hielt sich tapfer genug, das ganze Necken und Verfolgen blieb aber doch immer dasselbe und wurde schon langweilig, als einer der Fußkämpfer dem Gefecht eine ganz unerwartete Wendung gab. Er stellte sich nämlich dem Stier mit eben den papierumhüllten Stacheln, wie das früher geschehen war, entgegen, anstatt diese aber dem Thier an den Hals zu werfen, und darin rasch zur Seite zu springen, begegnete er muthig dem Angriff, umfaßte das gegen ihn anstürmende niedergebogene Haupt des Feindes mit den Armen, und suchte es durch sein Gewicht niederzudrücken. Seine Kameraden eilten ihm natürlich gleich zur Hülfe und warfen sich ebenfalls auf den gemeinsamen Feind; dieser aber schleifte trotz allen Widerstandes den kühnen Gegner mit sich bis zur Einfassung der Arena und preßte ihn gegen diese mit aller Kraft seines schweren Körpers. Der Stierkämpfer wußte sich aber geschickt zwischen den Hörnern zu halten, und als nun der erste Anlauf vorüber war, gewannen die vier Kämpfer endlich die Ueberhand, und schleppten den sich machtlos sträubenden Stier, unter dem donnernden Beifallsruf der Menge, hinaus. Der Mann kam allerdings dießmal gut davon – d. h. er hinkte nur etwas und verließ bald darauf den Kampfplatz – wäre hier aber, wie vorher, dem Stier das Horn abgebrochen, so mußte er ihn rettungslos gegen die Bretterwand zerquetschen, es bleibt deßhalb jedenfalls ein etwas riskantes Handwerk.

 

Die Sonne war jetzt ihrem Untergange nahe und gleich danach bricht in den Tropen die Nacht ein; das Stiergefecht näherte sich also jedenfalls seinem Ende, und noch immer hatte der »Teufel« auch nicht den mindesten Antheil an dem Kampf genommen, sondern sich wirklich den Teufel um das Ganze gekümmert. Das einzige, was ihn vor den übrigen Zuschauern auszeichnete, war seine gelbe und rothe Tracht, und Hörner und Schwanz – die Sinnbilder Sr. höllischen Majestät. Damit war aber das lebendige brasilianische Publikum nicht zufrieden, einen Theil des auf dem Anschlagzettel Verzeichneten hatten sie nun gehabt, und jetzt verlangten sie auch den versprochenen Teufel.

»Oh Diabo – Diabo!« tönte es zuerst von einer, und gleich darauf im wilden stürmischen Chor, von allen Seiten – oh Diabo – Diabo! ohrengellendes Pfeifen, Stampfen, Trommeln und mit den Stöcken gegen die Bänke Schlagen – wildes Geschrei und Getobe – »oh Diabo, oh Diabo!«

Der Spanier sprengte dem Orte zu, wo Diabo noch immer in stiller Beschauung saß, dieser aber erwartete sein Kommen nicht, sondern tauchte lieber, sich unangenehmen Erörterungen zu entziehen, hinter die Bretterwand unter und verschwand. Damit aber war das jetzt einmal gereizte Publikum nicht zufriedengestellt; ob bei der Ankündigung des Teufels auf dem Zettel die Direktion beabsichtigt hatte, diesen eine aktive, oder nur rein passive Stellung einnehmen zu lassen; ferner, welche Ansicht der Teufel selber von der ganzen Sache hatte, blieb sich vollkommen gleich – der Lärm wurde immer toller – der Teufel sollte und mußte vor, und der Spanier sah sich so lange genöthigt, ab- und zuzureiten, bis Diabo endlich unter Gelächter und Pfeifen mißmuthig genug erschien, in die Arena langsam hinunterkletterte und auf den, indessen nur ärger gereizten Stier zuschlenderte.

Dieser gewahrte aber kaum die grellfarbige, abenteuerliche Gestalt, als er seinen anderen Feind ganz vernachlässigte und mit eingelegten Hörnern ohne weitere Warnung, blitzesschnell auf den nicht wenig Erschreckten zusprang. Der arme Teufel mußte jedenfalls eine Ahnung des ihm bevorstehenden Unfalls gehabt haben, er machte auch fast gar keinen Versuch, der drohenden Gefahr zu entgehen – im nächsten Moment hatte ihn der Stier auf die Hörner gefaßt, schleuderte ihn zu Boden, stürmte über ihn hin und wurde nur durch die anderen herbeieilenden Kämpfer daran verhindert, dem gestürzten Fürsten der Finsterniß weiteren Schaden zuzufügen. Der unglückliche Teufel ließ aber seinerseits Schwanz und Hörner hängen und schlich unter dem donnernden Hohn und Jubelruf der Menge, hinkend, und sich nur noch manchmal scheu nach dem wilden Gegner umschauend, zu seinem sicheren Sitz hinter der Barriere zurück.

Es war indessen ziemlich dunkel geworden, immer aber verlangte das aufgeregte Publikum nach längerem Kampf und neuen Anstrengungen des schon ermatteten Thieres, bis sich dieses endlich auf das entschiedenste weigerte, auch nur das mindeste weiter zum Vergnügen der nicht zufrieden zu stellenden Menge beizutragen. Es warf sich brüllend auf die Erde nieder, und als wir, der Quälerei satt, die Arena verließen, zerrten noch im Dunkeln fünf oder sechs Menschen an dem armen gequälten Geschöpf herum und suchten es vergebens wieder aufzustacheln.

Das war ein Sonntagsvergnügen der Brasilianer, an dem auch zahlreiche Damen Theil nahmen.

Am nächsten Abend besuchte ich das, dem heiligen Januarius geweihte Theater; das große und Haupttheater der Stadt steht gegenwärtig unbenutzt, dieß aber ist ein kleines, gemüthliches Gebäude mit zwei Rängen, und in der Mitte die dicht verhangene, kaiserliche Loge. Die Einrichtung ist übrigens ganz nach europäischer Art, nur daß in den Logen, schon des Klimas wegen, Rohrsessel stehen.

Eine Eigenthümlichkeit hat aber dieß brasilianische Theater, die einige von unseren Passagieren selber ein kleines Intermezzo spielen ließ.

Ich besuchte es mit drei Mitpassagieren des Talisman, zwei jungen Kaufleuten aus Bremen und einem unvermeidlichen Weinreisenden; als wir aber das Parterre betraten, richteten sich Aller Blicke nach uns, und ich fing mich schon an von oben bis unten zu betrachten, ob ich vielleicht irgend etwas Auffallendes, Ungewöhnliches an mir trage, das die Aufmerksamkeit des ganzen Publikums so plötzlich angezogen hätte. Ich konnte aber nichts Derartiges an mir, noch an meinen Begleitern entdecken, ebensowenig in der Nachbarschaft, denn wir alle Viere sahen uns gleichzeitig danach um, und setzten uns endlich ruhig auf die nächsten Bänke, in der Hoffnung nieder, das Publikum bald mit einem anderen Gegenstand als unseren werthen Personen beschäftigt zu sehen, als plötzlich ein ehrwürdig dreinschauender Logenschließer zu uns trat und sich – o wie freundlich die uns umgebenden Gesichter alle lächelten – an meine drei Begleiter wandte, denen er, da sie seine portugiesische Anrede ungemein passiv hinnahmen, durch Zeichen und mehrmaliges Antupfen kund that, daß sie mit ihren hellen Röcken hier wohl erschienen seyen, aber durchaus nicht bleiben könnten. Ich schaute mich jetzt um und sah wirklich, daß alle Männer ohne Ausnahme dunkle Ueberkleider trugen; die Gesticulationen des Alten wurden aber immer ungeduldiger und deutlicher, das Publikum in den Rängen freute sich ungemein, und die drei armen Teufel – ich selber trug ganz zufällig einen dunklen Rock – mußten, mit dem Weinreisenden an der Spitze – das Orchester spielte indessen immer fort – das Haus wieder verlassen.

Es wurden einzelne Akte aus Tragödien und Lustspielen gegeben; zwei davon hielt ich aus, aber es war nichts als Dialog, bei dem sich das Publikum ebenfalls zu langweilen schien. Alle Augenblick meldete der Bediente einen Fremden oder brachte einen Brief, der dann, regelmäßig vier Seiten haltend, laut vorgelesen wurde. Applaudiren hörte ich nur einem der Schauspieler, der sehr beliebt schien, und den sie dreimal hintereinander empfingen.

Am nächsten Morgen beschloß ich eine kleine Landpartie zu machen und ritt mit einigen Freunden zusammen hinaus ins Freie.

Die brasilianischen Pferde sind kleine, muntere, ausdauernde Thiere und gehen meistens, was ich wenigstens daran sah, Paß oder Galopp. Die auf dem Land wohnenden Pflanzer und Kaufleute aber, die Morgens in die Stadt kommen und Abends wieder hinausreiten, gebrauchen auch nicht selten Maulthiere – ebenfalls eine kleinere Race als ich sie in Nordamerika gefunden habe – und erreichen mit diesen ihr Ziel wohl nicht ganz so rasch, aber doch jedenfalls weit bequemer und sicherer. Die Umgegend von Rio ist wirklich paradiesisch – die stille Bai mit ihren zahlreichen Masten und lebendig hin- und wiederschießenden Booten – die niedlichen Gärten mit ihren Orangen, Bananen und Palmen, Kaffeebäumen und Blumenbüschen, die hohen pittoresken Berge und Felskuppen, die weit übereinander herüber schauen – die eigenthümliche Tracht und Farbe der Eingeborenen und Sklaven, die zu Markt ziehenden Neger, die Viehtreiber und Verkäufer, das Alles macht mit seinen wechselnden phantastischen Gestalten auf den Fremden einen eigenthümlichen, wohl kaum zu vergessenden Eindruck. Der Unterschied mit der Heimath ist zu auffallend; man fühlt, daß man in einem fremden, tropischen Lande ist, und jeder Schritt, jede Biegung der Straße, jede uns begegnende Persönlichkeit bringt dem mehr und mehr erregten Geiste, dem gierig umherschweifenden Auge Neues, Interessantes.

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