Baumeister Solneß

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LUNATA

Baumeister Solneß

Baumeister Solneß

Schauspiel in drei Aufzügen

© 1892 Henrik Ibsen

Originaltitel Bygmester Solness

Aus dem Norwegischen von Sigurd Ibsen

Umschlagbild Stefan Filipkiewicz

© Lunata Berlin 2020

Inhalt

Personen

Erster Aufzug

Zweiter Aufzug

Dritter Aufzug

Personen

Baumeister Halvard Solneß

Frau Aline Solneß, seine Gattin

Dr. Herdal, Hausarzt

Knut Brovik, ehemals Architekt, jetzt Assistent bei Solneß

Ragnar Brovik, sein Sohn, Zeichner

Kaja Fosli, seine Nichte, Buchhalterin

Fräulein Hilde Wangel

Einige Damen

Volksmenge auf der Straße

Ort der Handlung: das Haus des Baumeisters Solneß Rechts und links vom Schauspieler.

Erster Aufzug

Ein einfach ausgestattetes Arbeitszimmer beim Baumeister Solneß.

Eine Flügeltür an der Wand links führt zum Vorzimmer. Rechts ist die Tür zu den inneren Räumen des Hauses. An der Hinterwand eine offene Tür zum Zeichenzimmer. Im Vordergrund links ein Pult mit Büchern, Briefschaften und Schreibmaterialien. Oberhalb der Tür ein Ofen. In der Ecke rechts ein Sofa mit Tisch und ein paar Stühlen; auf dem Tische Wasserkaraffe und Glas. Ein kleinerer Tisch mit Schaukelstuhl und Lehnstuhl im Vordergrund rechts. Angezündete Arbeitslampen auf dem Tische im Zeichenzimmer, auf dem Tische in der Ecke und auf dem Pulte.

Rechts und links vom Schauspieler.

Erster Auftritt.

Knut Brovik und sein Sohn Ragnar sitzen im Zeichenzimmer mit Konstruktionen und Berechnungen beschäftigt. Knut Brovik ist ein schmächtiger alter Mann mit weißem Haar und Bart; er trägt einen etwas fadenscheinigen, aber sauber gehaltenen schwarzen Rock, eine Brille und eine weiße, etwas vergilbte Halsbinde. Ragnar Brovik ist in den dreißiger Jahren, gutgekleidet, blond, mit leicht vornüber gebeugter Haltung. Kaja Fosli, steht im Arbeitszimmer am Pulte, im Hauptbuche eintragend; sie ist ein zart gebautes junges Mädchen von einigen zwanzig Jahren, aber von kränklichem Aussehen; ein grüner Schirm schützt ihre Augen. Alle drei arbeiten eine Weile schweigend.

Knut Brovik (erhebt sich plötzlich, wie von Angst getrieben, vom Zeichentische, atmet tief und mit Mühe, indem er zur Türöffnung vorgeht). Nein, jetzt halt ich es bald nicht länger aus.

Kaja (geht zu ihm hin). Es ist dir gewiß recht schlecht heut Abend, Onkel?

Brovik. Ach, mir scheint, es wird schlimmer von Tag zu Tag.

Ragnar (hat sich erhoben und kommt näher). Du solltest lieber heimgehen, Vater. Versuchen ein wenig zu schlafen –

Brovik (ungeduldig). Zu Bett gehen vielleicht? Willst du denn, daß ich rein ersticke!

Kaja. Aber dann mach doch einen kleinen Spaziergang.

Ragnar. Ja, tu das. Ich begleite dich.

Brovik (heftig). Ich geh nicht, ehe er kommt! Heut Abend red ich grad heraus mit – (in verbissener Wut) mit ihm – dem Prinzipal.

Kaja (angstvoll). Ach nein, Onkel – warte doch ja damit!

Ragnar. Ja, lieber warten, Vater.

Brovik (holt mühsam Atem). Ha – ha –! Ich hab wohl keine Zeit, recht lange zu warten.

Kaja (horchend). Still! Da hör ich ihn unten auf der Treppe!

Alle Drei (gehen wieder an ihre Arbeit).

(Kurze Pause.)

Baumeister Halvard Solneß (tritt durch die Vorzimmertür ein; er ist ein etwas älterer Mann, gesund und kräftig, mit kurzgehaltenem, krausem Haar, dunklem Schnurrbart und dunkeln dichten Augenbrauen, trägt eine graugrüne zugeknöpfte Jacke mit Stehkragen und breiten Aufschlägen, einen weichen grauen Filzhut und unter dem Arme ein paar Mappen).

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen. Solneß.

Baumeister Solneß (an der Tür, weist gegen das Zeichenzimmer hin und fragt flüsternd). Sind sie fort?

Kaja (leise, schüttelt den Kopf). Nein. (Sie legt den Augenschirm ab.)

Solneß (geht durchs Zimmer, wirft seinen Hut auf einen Stuhl, legt die Mappen auf den Sofatisch und nähert sich dann wieder dem Pulte).

Kaja (schreibt ununterbrochen, scheint aber nervös und unruhig).

Solneß (laut). Was tragen Sie denn da ein, Fräulein?

Kaja (zusammenfahrend). O es ist nur etwas, das –

Solneß. Lassen Sie mich sehen, Fräulein. (Er beugt sich über sie, tut, als ob er im Hauptbuche nachsähe und flüstert) Kaja?

Kaja (schreibend, leise). Ja?

Solneß. Warum nehmen Sie denn immer den Schirm da ab, wenn ich komme?

Kaja (wie oben). Ich sehe ja so häßlich aus damit.

Solneß (lächelnd). Und das wollen Sie nicht, Kaja?

Kaja (blickt halb zu ihm auf). Nicht um alles in der Welt. Nicht in Ihren Augen.

Solneß (fährt ihr leicht über das Haar). Arme, arme kleine Kaja –

Kaja (senkt den Kopf). Still – sie könnten Sie hören!

Solneß (geht nachlässigen Schrittes nach rechts, kehrt um und bleibt an der Tür des Zeichenzimmers stehen). War jemand da, der nach mir gefragt hat?

Ragnar (erhebt sich). Ja, die jungen Leute, die die Villa gebaut haben wollen draußen bei Lövstrand.

Solneß (brummend). Ach die? Ja, die müssen warten. Ich bin mit mir selber noch nicht im Reinen über den Plan.

Ragnar (näher, etwas zögernd). Es wäre ihnen so sehr daran gelegen, die Zeichnungen bald zu bekommen.

Solneß (wie oben). Ja, das versteht sich – das wollen sie ja alle miteinander!

Krovik (aufblickend). Sie sehnten sich nämlich so über alle Maßen danach, ihr eigenes Haus zu beziehen, sagten sie.

Solneß. Jawohl, jawohl! Man kennt das! Und dann nehmen sie's so, wie es sich gerade trifft. Schaffen sich so 'ne – 'ne Wohnung. Eine Art von Zufluchtsort bloß. Aber kein Heim. Nein, ich danke! Mögen sie sich dann lieber an einen andern wenden. Sagen Sie ihnen das, wenn sie wiederkommen.

Krovik. (schiebt die Brille auf die Stirn hinauf und sieht ihn stutzend an). An einen andern? Würden Sie die Arbeit abgeben?

Solneß (ungeduldig). Ja, ja doch, zum Teufel! Wenn's durchaus sein muß, dann – Lieber das, als so ins Blaue hineinbauen. (Herausplatzend.) Denn ich kenne ja die Leute noch so wenig!

Krovik. Die Leute sind solid genug. Ragnar kennt sie. Er geht mit der Familie um. Sehr solide Leute.

Solneß. Ach, solid – solid! Das ist's ja gar nicht, was ich meine. Du lieber Gott – verstehen auch Sie mich jetzt nicht mehr? (Heftig.) Ich will mit den fremden Menschen nichts zu schaffen haben. Mögen sie sich meinetwegen wenden, an wen sie wollen.

Brovik (erhebt sich). Ist das Ihr Ernst?

Solneß (mürrisch). Jawohl. – Für dies eine Mal. (Er geht durchs Zimmer.)

Brovik (wechselt einen Blick mit Ragnar).

Ragnar (macht eine warnende Gebärde).

Brovik (geht ins Vorderzimmer hinein). Gestatten Sie mir, ein paar Worte mit Ihnen zu reden?

Solneß Sehr gern.

Brovik (zu Kaja). Geh da hinein derweile, du.

Kaja (unruhig). Ach, aber Onkel –

Brovik. Tu wie ich dir sage, Kind. Und schließ die Türe hinter Dir zu.

Kaja (geht zögernd ins Zeichenzimmer hinein, wirft verstohlen Solneß einen ängstlich bittenden Blick zu und schließt die Tür).

Brovik (etwas gedämpft). Ich will nicht, daß die armen Kinder erfahren, wie schlecht es mit mir steht.

Solneß. Sie sehen auch wirklich recht elend aus in diesen Tagen.

Brovik. Mit mir ist's bald vorbei. Die Kräfte nehmen ab – von einem Tag zum andern.

Solneß. Setzen Sie sich ein wenig.

Brovik. Wenn Sie erlauben?

Solneß (rückt den Lehnstuhl ein wenig zurecht). Da, bitte. – Nun?

Brovik (hat mit Mühe Platz genommen). Ja, es handelt sich also um das da mit Ragnar. Das ist das allerschwerste. Was soll mit ihm werden?

Solneß. Ihr Sohn, der bleibt natürlich hier bei mir, so lange er nur will.

Brovik. Aber das ist's ja eben, was er nicht will. Nicht so recht mehr kann – wie ihm scheint.

Solneß. Nun, er wird denn doch ganz gut bezahlt, sollt ich meinen. Sollte er aber mehr verlangen, wäre ich nicht abgeneigt, ihm –

Brovik. Nein, nein! Das ist's durchaus nicht. (Ungeduldig.) Aber er muß doch auch einmal Gelegenheit bekommen, auf eigene Hand zu arbeiten.

 

Solneß (ohne ihn anzusehen). Glauben Sie, daß Ragnar dazu alle die rechten Anlagen hat?

Brovik. Nein, sehen Sie, das ist ja eben das Entsetzliche, daß ich angefangen habe, an dem Jungen zu zweifeln. Denn Sie sagten ja nie soviel wie – wie ein ermunterndes Wort über ihn. Aber dann scheint's mir wieder, es ist unmöglich anders. Er muß die Anlagen haben.

Solneß. Nun ja, er hat aber doch nichts gelernt – recht gründlich. Außer dem Zeichnen, versteht sich.

Brovik (blickt ihn mit geheimem Hasse an und sagt mit heiserer Stimme) Sie hatten auch nicht recht viel vom Fach gelernt, damals, als Sie bei mir im Dienste standen. Aber Sie machten sich dennoch auf den Weg. (Er holt mühselig Atem.) Und kamen vorwärts. Und überholten sowohl mich wie – wie so viele andere.

Solneß. Ja, sehen Sie, das fügte sich nun so für mich.

Brovik. Darin haben Sie recht. Alles fügte sich für Sie. Dann können Sie's aber auch nicht übers Herz bringen, mich ins Grab gehen zu lassen – ehe ich sehe, wozu Ragnar taugt. Und dann möchte ich die zwei ja auch gern verheiratet sehen – ehe ich scheide.

Solneß. (unwirsch). Ist sie es, die's so haben will?

Brovik. Kaja nicht so sehr. Aber Ragnar geht herum und redet jeden Tag davon. (Bittend.) Sie müssen – Sie müssen ihm jetzt zu irgend einer selbständigen Arbeit verhelfen. Ich muß etwas zu sehen bekommen, was der Junge gemacht hat. Hören Sie?

Solneß. (gereizt). Aber ich kann doch, zum Teufel, keine Bestellungen für ihn vom Mond herunterholen!

Brovik. Er kann eine hübsche Bestellung bekommen, gerade jetzt. Eine große Arbeit.

Solneß. (unruhig, stutzend). Er?

Brovik. Wenn Sie Ihre Zustimmung geben wollten.

Solneß. Was ist denn das für eine Arbeit?

Brovik. (etwas zögernd). Er könnte die Villa zu bauen bekommen draußen bei Lövstrand.

Solneß. Die! Aber die soll ich ja selber bauen!

Brovik. Ach, Sie haben ja keine besondere Lust dazu.

Solneß. (auffahrend). Keine Lust! Ich! Wer darf das sagen?

Brovik. Das sagten Sie ja selbst in diesem Augenblicke.

Solneß. Ach was, achten Sie nie auf das, was ich so – sage. – Kann Ragnar die Villa zu bauen bekommen?

Brovik. Jawohl. Er kennt ja die Familie. Und dann hat er – nur so zum Spaß – Zeichnungen gemacht und Überschläge und alles miteinander –

Solneß. Und die Zeichnungen, mit denen sind sie zufrieden? Die Leute, die da wohnen sollen?

Brovik. Gewiß. Wenn bloß Sie sie durchsehen wollten und sie gutheißen, dann –

Solneß. Dann würden sie Ragnar ihr Heim bauen lassen?

Brovik. Es gefiel ihnen so ausnehmend gut, das, was er draus machen wollte. Es schiene ihnen so etwas durchaus neues, sagten sie.

Solneß. Aha! Neues! Kein so altmodischer Plunder, wie ich ihn zu bauen pflege!

Brovik. Es schien ihnen etwas anderes.

Solneß (in unterdrückter Erbitterung). Ragnar war's also, zu dem sie kamen, hier – während ich fort war!

Brovik. Sie kamen, um Sie zu sprechen. Und dann um zu fragen, ob Sie vielleicht geneigt wären zurückzutreten –

Solneß. Zurücktreten! Ich!

Brovik. Im Falle Sie fänden, daß Ragnars Zeichnungen –

Solneß. Ich! Zurücktreten vor Ihrem Sohn!

Brovik. Von der Verabredung zurücktreten, meinten sie.

Solneß. Ach was, das kommt ja auf eins hinaus. (Er lacht erbittert.) So, so! Halvard Solneß – der soll jetzt anfangen zurückzutreten! Platz machen denen, die da jünger sind. Den Allerjüngsten vielleicht! Nur Platz machen! Platz! Platz!

Brovik. Du lieber Gott, da ist doch wohl Platz genug für mehr als einen Einzigen.

Solneß. O so reichlicher Platz ist denn doch nicht da. Na, dem mag nun sein wie ihm will. Aber ich trete niemals zurück! Weiche niemals vor irgend jemand! Niemals freiwillig! Niemals bei meinen Lebzeiten tu ich so 'was!

Brovik (erhebt sich mühsam). Soll ich denn aus dem Leben gehen ohne Zuversicht? Ohne Freude? Ohne Glauben und Vertrauen in Ragnar? Ohne ein einziges Werk von ihm zu sehen? Soll ich das?

Solneß (wendet sich halb zur Seite und murmelt). Hm – fragen Sie doch jetzt nicht mehr.

Brovik. Doch. Antworten Sie mir darauf. Soll ich so ganz in Armut aus dem Leben gehen?

Solneß (scheint mit sich selbst zu kämpfen; endlich sagt er mit gedämpfter, aber fester Stimme). Sie müssen aus dem Leben gehen, wie Sie's am besten wissen und können.

Brovik. Mag's denn so sein. (Er geht durchs Zimmer.)

Solneß (ihm nachgehend, halb verzweifelt). Ja, ich kann ja doch nicht anders, verstehen Sie! Ja bin nun einmal so, wie ich bin! Und umschaffen kann ich mich doch auch nicht!

Brovik. Nein, nein – das können Sie wohl nicht. (Er schwankt und bleibt am Sofatisch stehen.) Gestatten Sie, daß ich ein Glas Wasser trinke?

Solneß. Bitte sehr. (Er schenkt ein und reicht ihm das Glas.)

Brovik. Ich danke. (Er trinkt und stellt das Glas wieder hin.)

Solneß (geht zur Türe de» Zeichenzimmers und öffnet sie). Ragnar – Sie müssen Ihren Vater nach Hause begleiten.

Ragnar (erhebt sich rasch).

Ragnar und Kaja (gehen ins Arbeitszimmer).

Ragnar. Was gibt's, Vater?

Brovik. Reich mir den Arm. Und jetzt gehen wir.

Ragnar. Jawohl. Mach du dich auch fertig, Kaja.

Solneß. Fräulein Fosli muß zurückbleiben. Nur einen kleinen Augenblick. Ich habe einen Brief, der geschrieben werden muß.

Brovik (mit einem Blick auf Solneß). Gute Nacht. Schlafen Sie wohl – wenn Sie können.

Solneß. Gute Nacht.

Brovik und Ragnar (ab durch die Vorzimmertüre).

Dritter Auftritt.

Solneß. Kaja.

Kaja (geht an das Pult hin).

Solneß (steht mit gesenktem Kopf rechts am Lehnstuhl).

Kaja (unsicher). Ist's ein Brief?

Solneß (kurz). Ach, keine Spur. (Er blickt sie rau an.) Kaja!

Kaja (angstvoll, leise). Ja?

Solneß (weist befehlend mit dem Finger auf den Fußboden). Herkommen! Gleich!

Kaja (zögernd). Ja.

Solneß (wie oben). Näher!

Kaja (gehorcht). Was wollen Sie von mir?

Solneß (blickt sie eine Weile an). Sind Sie's, der ich die Geschichte zu verdanken habe?

Kaja. Nein, nein, glauben Sie das ja nicht!

Solneß. Aber heiraten – das wollen Sie ja jetzt.

Kaja (leise). Ragnar und ich sind schon vier – fünf Jahre verlobt, und da –

Solneß. Und da meinen Sie, es muß ein Ende nehmen. Ist's nicht so?

Kaja. Ragnar und der Onkel sagen, ich soll. Und da muß ich mich ja fügen.

Solneß (in sanfterem Tone). Kaja, sind Sie nicht auch, im Grunde genommen, Ragnar ein bißchen gut?

Kaja. Ich war Ragnar sehr, sehr gut – einmal. – Ehe ich hierher kam zu Ihnen.

Solneß. Aber jetzt nicht mehr? Gar nicht mehr?

Kaja (leidenschaftlich, faltet die Hände gegen ihn). Ach, Sie wissen es ja, jetzt bin ich bloß einem einzigen gut! Keinem andern in der ganzen Welt! Kann nie einem andern gut werden!

Solneß. Ja, so sagen Sie. Und da gehen Sie trotzdem von mir fort. Lassen mich hier mit allem allein.

Kaja. Aber dürfte ich denn nicht bei Ihnen bleiben, wenn auch Ragnar –?

Solneß (abweisend). Nein, nein, das läßt sich durchaus nicht machen. Geht Ragnar weg und fängt er an, auf eigene Hand zu arbeiten, dann hat er Sie ja selber nötig.

Kaja (ringt die Hände). Ach, mir kommt's vor, ich kann mich von Ihnen nicht trennen! Das ist doch so rein, rein unmöglich, kommt's mir vor!

Solneß. Dann sehen Sie zu, daß Sie Ragnar die dummen Einfälle da aus dem Kopfe bringen. Heiraten Sie ihn, soviel Sie wollen – (Er verändert den Ton.) Ja, das heißt – reden Sie ihm zu, daß er hier bleibt in seiner guten Stellung bei mir. Dann kann ich ja auch Sie behalten, liebe Kaja.

Kaja Ach ja, wie wunderschön wär's, wenn sich's so machen ließe!

Solneß (legt ihr beide Hände um den Kopf und flüstert). Denn ich kann's ohne Sie nicht aushalten, begreifen Sie. Ich muß Sie um mich haben, Tag aus, Tag ein.

Kaja (nervös hingerissen). Ach Gott! Ach Gott!

Solneß (drückt ihr einen Kuß aufs Haar). Kaja – Kaja!

Kaja (sinkt vor ihm nieder). O wie gut sind Sie gegen mich! Wie unsäglich gut sind Sie!

Solneß (heftig). Stehen Sie auf! So stehen Sie doch auf, zum –! Mir scheint, ich höre jemand! (Er hilft ihr auf.)

Kaja (wankt ans Pult hin).

Frau Solneß (erscheint in der Türe rechts; sie ist mager und sieht abgehärmt aus, zeigt aber Spuren einstiger Schönheit; sie trägt blonde Hängelocken, ist elegant, vollständig schwarz gekleidet; sie spricht etwas langsam und mit klagender Stimme).

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Frau Solneß.

Frau Solneß (in der Türöffnung). Halvard!

Solneß (dreht sich um). Ach, du bist's, liebe –?

Frau Solneß (mit einem Blick auf Kaja). Ich komme gewiß recht ungelegen, kann ich mir denken.

Solneß. Durchaus nicht. Fräulein Fosli hat nur einen kleinen Brief zu schreiben.

Frau Solneß. Jawohl, das sehe ich.

Solneß. Was wolltest du denn von mir, Aline?

Frau Solneß. Ich wollte nur sagen, daß Doktor Herdal im Eckzimmer drinnen ist. Kommst du vielleicht auch herein, Halvard?

Solneß (blickt sie mißtrauisch an). Hm – muß mich denn der Doktor so notwendig sprechen?

Frau Solneß. Nein, so notwendig gerade nicht. Er kam, mir einen Besuch zu machen. Und dann möchte er natürlich dich auch begrüßen.

Solneß (lacht leise). Kann mir's denken, jawohl. Na, dann mußt du ihn bitten, sich ein wenig zu gedulden.

Frau Solneß. So kommst du also zu ihm herein nachher?

Solneß. Vielleicht. Nachher – nachher, liebe Aline. Nach einer kleinen Weile.

Frau Solneß (wieder mit einem Blick auf Kaja). Gut, vergiß es aber ja nicht, Halvard. (Sie zieht sich zurück und schließt die Türe.)

Fünfter Auftritt.

Solneß. Kaja.

Kaja (leise). Ach Gott, ach Gott – die gnädige Frau denkt gewiß etwas schlechtes von mir!

Solneß. Ach was, keinen Schein. Nicht mehr als gewöhnlich wenigstens. Es ist aber doch am besten, wenn Sie jetzt gehen, Kaja.

Kaja. Ja, ja, jetzt muß ich gehen.

Solneß (streng). Und dann bringen Sie also die andere Geschichte da in Ordnung für mich. Hören Sie!

Kaja. Ach, gebe Gott, daß es nur auf mich ankäme, dann –

Solneß. Ich will's geordnet wissen, sage ich! Und morgen soll's geschehen!

Kaja (angstvoll). Geht's auf andere Weise nicht, will ich gern mit ihm ein Ende machen.

Solneß (auffahrend). Ein Ende machen! Sind Sie rein toll geworden! Wollen Sie ein Ende machen?

Kaja (verzweifelt). Lieber noch das. Denn ich muß – ich muß bei Ihnen bleiben dürfen! Ich kann nicht von Ihnen gehen! Es wäre ja rein – rein unmöglich!

Solneß (platzt heraus). Aber zum Teufel – was wird's mit Ragnar! Es ist ja eben Ragnar, den ich –

Kaja (sieht ihn mit erschreckten Augen an). Ist's hauptsächlich wegen Ragnar, daß – daß Sie –?

 

Solneß (faßt sich). Ach nein, keine Spur, gewiß nicht! Sie begreifen aber auch gar nichts. (Sanft und leise.) Sie sind's natürlich, die ich dahaben will. Allererst Sie, Kaja. Aber gerade darum müssen Sie Ragnar zureden, daß er auch in seiner Stellung bleibt. Na, lassen Sie es gut sein – und jetzt gehen Sie nach Hause.

Kaja. Nun ja, gute Nacht also.

Solneß. Gute Nacht. (Indem sie sich zum Gehen anschickt.) Ach, hören Sie mal! Sind Ragnars Zeichnungen drinnen?

Kaja. Ich glaube. Wenigstens bemerkte ich nicht, daß er sie mitnahm.

Solneß. Dann gehen Sie hinein – und holen Sie sie mir. Ich könnte Sie vielleicht doch ein bißchen ansehen.

Kaja (erfreut). Ach, tun Sie das doch ja!

Solneß. Um Ihretwillen, liebe Kaja. Na, holen Sie sie mir also geschwind, hören Sie!

Kaja (eilt ins Zeichenzimmer hinein, wühlt ängstlich in der Schublade herum, holt eine Mappe hervor und bringt sie). Da sind alle die Zeichnungen.

Solneß. Schön. Legen Sie sie dorthin auf den Tisch.

Kaja (legt die Mappe von sich). Gute Nacht also (bittend) und denken Sie gut und lieb von mir.

Solneß. Ach, das tue ich ja immer. Gute Nacht, liebe kleine Kaja. (Er blickt verstohlen nach rechts.) So gehen Sie doch!

Frau Solneß und Doktor Herdal (kommen durch die Tür rechts; Herdal ist ein älterer, wohlbeleibter Herr mit rundem, zufriedenem Gesicht, bartlos, hat dünnes helles Haar und trägt eine goldene Brille).

Sechster Auftritt.

Die Vorigen. Frau Solneß. Doktor Herdal.

Frau Solneß (noch in der Türöffnung). Halvard, jetzt kann ich den Doktor nicht länger halten.

Solneß. Na, kommen Sie nur herein.

Frau Solneß (zu Kaja). Schon fertig mit dem Brief, Fräulein?

Kaja (welche die Pultlampe herunterschraubt, verwirrt). Der Brief –?

Solneß. Es war nur ein ganz kurzer Brief.

Frau Solneß. Recht kurz muß er gewesen sein.

Solneß. Bitte, gehen Sie nur, Fräulein Fosli. Und dann sind Sie morgen zu rechter Zeit wieder da.

Kaja. Gewiß. – Gute Nacht, gnädige Frau. (Ab durch die Vorzimmertür.)

Frau Solneß. Du kannst recht froh sein, Halvard, daß du das Fräulein da bekommen hast.

Solneß. Ja freilich. Die läßt sich zu vielerlei Dingen verwenden.

Frau Solneß. Es scheint so. Herdal. Tüchtig in der Buchführung nebenbei?

Solneß. Na – einige Übung hat sie sich immerhin angeeignet in den zwei Jahren. Und dann ist sie gutmütig und willig zu allem, was man von ihr verlangt.

Frau Solneß. Das muß allerdings eine große Annehmlichkeit sein –

Solneß. Das ist's auch. Besonders wenn man nicht verwöhnt ist in dieser Beziehung.

Frau Solneß (mit mildem Vorwurf). Kannst du das behaupten, Halvard?

Solneß. Ach nein, nein, liebe Aline. Ich bitte um Verzeihung.

Frau Solneß. Keine Ursache. – Also Doktor, Sie kommen nachher wieder und trinken den Tee mit uns?

Herdal. Sobald ich den Krankenbesuch da gemacht habe, komme ich.

Frau Solneß. Sehr liebenswürdig. (Ab durch die Türe rechts.)

Siebenter Auftritt.

Solneß. Doktor Herdal.

Solneß. Haben Sie Eile, Doktor?

Herdal. Durchaus nicht.

Solneß. Wir können also ein wenig miteinander plaudern?

Herdal. Wird mir sehr angenehm sein.

Solneß. Dann setzen wir uns. (Er weist dem Doktor den Platz im Schaukelstuhl an und setzt sich selbst in den Lehnstuhl; mit einem forschenden Blick.) Sagen Sie mir – merkten Sie Aline etwas an?

Herdal. Soeben, während sie hier war, meinen Sie?

Solneß. Ja. Mir gegenüber. Merkten Sie etwas?

Herdal (lächelnd). Na, hören Sie mal – das mußte man ja wohl merken, daß Ihre Frau – hm –

Solneß. Nun?

Herdal. Daß Ihre Frau keine besondere Vorliebe hat für dieses Fräulein Fosli.

Solneß. Weiter nichts? Das habe ich schon selber bemerkt.

Herdal. Und ein Wunder ist es ja eigentlich nicht.

Solneß. Was denn?

Herdal. Daß sie es nicht gerade gern sieht, wenn Sie da tagtäglich ein anderes Frauenzimmer um sich haben.

Solneß. Nun, darin können Sie recht haben. Und Aline auch. Aber das – das kann nun einmal nicht anders sein.

Herdal. Könnten Sie sich denn nicht einen Buchhalter anschaffen?

Solneß. Den ersten besten Kerl? Nein, da dank' ich – damit ist mir nicht gedient.

Herdal. Aber wenn nun Ihre Frau –? So schwach, wie sie ist – Wenn sie's nun nicht aushält, die Sache mitanzusehen?

Solneß. Na, dann mag's in Gottes Namen so sein – hätt' ich beinahe gesagt. Ich muß Kaja Fosli behalten. Kann niemand anderen brauchen als gerade die.

Herdal. Niemand anderen?

Solneß. Nein, niemand anderen.

Herdal (seinen Stuhl näher rückend). Jetzt hören Sie mal, lieber Herr Solneß. Erlauben Sie mir eine Frage ganz im Vertrauen?

Solneß. Bitte.

Herdal. Frauenzimmer, sehen Sie – die haben in gewissen Dingen einen verflucht feinen Spürsinn –

Solneß. Den haben sie. Das ist so wahr wie nur irgend etwas. Aber –?

Herdal. Nun gut. Hören Sie weiter. Wenn nun Ihre Frau diese Kaja Fosli schlechterdings nicht ausstehen kann –?

Solneß. Nun, was dann?

Herdal. Hat sie dann nicht so 'nen – 'nen ganz winzig kleinen Grund zu dieser unwillkürlichen Abneigung?

Solneß (blickt ihn an und erhebt sich). Oho!

Herdal. Nehmen Sie mir's nicht übel. Aber hat sie das nicht?

Solneß (kurz und bestimmt). Nein.

Herdal. Nicht den allermindesten Grund also?

Solneß. Keinen anderen Grund als ihr eigenes Mißtrauen.

Herdal. Ich weiß, daß Sie in Ihrem Leben verschiedene Frauen gekannt haben.

Solneß. Das leugne ich nicht.

Herdal. Und auch, daß Sie einzelne davon ganz gern gehabt haben.

Solneß. O ja, das auch.

Herdal. Aber in dieser Sache mit Fräulein Fosli –? Hier ist also nichts derartiges mit im Spiele?

Solneß. Nein. Absolut nichts – meinerseits.

Herdal. Aber von der andern Seite?

Solneß. Danach, scheint mir, haben Sie kein Recht zu fragen, Doktor.

Herdal. Es war der Spürsinn Ihrer Frau, von dem wir ausgingen.

Solneß. Richtig. Und insofern – (Er senkt die Stimme.) Alines Spürsinn, wie Sie's nennen – der hat sich denn auch gewissermaßen erprobt.

Herdal. Na – sehen Sie wohl!

Solneß (setzt sich). Doktor Herdal – jetzt will ich Ihnen eine sonderbare Geschichte erzählen. Wenn Sie sie anhören wollen, heißt das.

Herdal. Sonderbare Geschichten höre ich immer gern.

Solneß. Nun gut. Sie entsinnen sich jedenfalls, daß ich Knut Brovik und seinen Sohn in meinen Dienst nahm – damals, als es mit dem Alten so sehr bergab gegangen war.

Herdal. Das ist mir so ziemlich bekannt, jawohl.

Solneß. Denn sie sind im Grunde ein paar tüchtige Kerle, die beiden, wissen Sie. Sie haben Anlagen, jeder auf seine Art. Da bekam aber der Sohn den Einfall, sich zu verloben. Und nun, natürlich, wollte er auch heiraten – und anfangen selber zu baumeistern. Denn alle miteinander denken sie nun einmal an solche Geschichten, die jungen Leute.

Herdal (lachend). Sie haben in der Tat die üble Gewohnheit, daß sie gern einander kriegen wollen.

Solneß. Gut. Damit konnte aber mir nicht gedient sein. Denn Ragnar hatte ich ja selber nötig. Und den Alten auch. Der ist nämlich ausgezeichnet zu verwenden bei Berechnungen von Tragfähigkeit und Kubikinhalt – und all dem Teufelszeug, wissen Sie.

Herdal. Nun ja, das gehört wohl auch mit dazu.

Solneß. Allerdings. Aber Ragnar, der wollte auf eigene Hand beginnen um jeden Preis. Da war alles Reden umsonst.

Herdal. Dann blieb er ja aber trotzdem bei Ihnen.

Solneß. Jetzt passen Sie nur auf. Eines Tages also, da kommt diese Kaja Fosli zu ihnen herauf, um etwas auszurichten. War früher nie hier gewesen. Und als ich sah, wie herzlich die zwei ineinander vergafft waren, da kam mir plötzlich der Gedanke: hätte ich nur das Mädchen hier im Bureau, dann bliebe vielleicht Ragnar auch bei mir sitzen.

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