Бесплатно

Visionen und andere phantastische Erzählungen

Текст
iOSAndroidWindows Phone
Куда отправить ссылку на приложение?
Не закрывайте это окно, пока не введёте код в мобильном устройстве
ПовторитьСсылка отправлена
Отметить прочитанной
Шрифт:Меньше АаБольше Аа

Ich blickte ihnen nach… Die Sonne übergoß sie noch zum letzten Male mit ihren Strahlen, bevor sie hinter dem Hügel verschwanden. Ich blieb noch eine Weile stehen, kehrte dann langsam in den Wald zurück, setzte mich am Wege und bedeckte das Gesicht mit den Händen. Ich wußte, daß es nach der Begegnung mit einem Unbekannten genügt, die Augen zu schließen, um sich sofort sein Bild zu vergegenwärtigen; ein jeder kann die Richtigkeit dieser Wahrnehmung auf der Straße nachprüfen. Je bekannter uns ein Gesicht ist, um so schwieriger wird es, es sich auf diese Weise zu vergegenwärtigen, um so verschwommener zeigt sich uns sein Bild; an ein bekanntes Gesicht können wir uns wohl erinnern, können es uns aber nicht vergegenwärtigen… unser eigenes Gesicht können wir uns aber ganz unmöglich vorstellen… Wir kennen wohl jeden einzelnen Zug unseres Gesichtes, können uns aber daraus kein ganzes Bild aufbauen. Ich setzte mich also hin und schloß die Augen, – und sofort sah ich die Unbekannte vor mir, ihren Begleiter, die Pferde, und alles… Besonders deutlich sah ich das lächelnde Gesicht des Mannes. Ich betrachtete es aufmerksamer… es verwischte sich und verschwand in einem blauroten Nebel, und gleich darauf zerrann auch ihr Bild und wollte nicht wiederkommen. – Ich erhob mich. »Nun, jetzt habe ich sie wenigstens gesehen, habe beide deutlich gesehen,« sagte ich mir, »nun bleibt mir nur noch die Namen zu erfahren.« Ja, die Namen! Welch eine kleinliche, unnötige Neugier! Ich schwöre aber, es war nicht Neugier, die mich so bewegte: es erschien mir einfach unsinnig, nach diesen seltsamen zufälligen Begegnungen nicht wenigstens ihre Namen zu erfahren. Mein früheres ungeduldiges Erstaunen war übrigens verschwunden: ich hatte nur ein seltsam trauriges verworrenes Gefühl, dessen ich mich ein wenig schämte… Es war Neid…

Ich beeilte mich nicht, zum Landsitze zurückzukehren. Offen gesagt, schämte ich mich, so hartnäckig einem fremden Geheimnis nachzuspüren. Auch hatte mich das Erscheinen des Liebespaares bei Tageslicht, so seltsam es auch war, ich will nicht sagen beruhigt, so doch etwas abgekühlt… Ich fand in diesem Erlebnisse nichts Übernatürliches, nichts Wunderbares mehr… nichts, was einem unerfüllbarem Traum ähnlich wäre…

Ich machte mich wieder an die Jagd, wenn auch mit größerem Eifer als vorhin, so doch ohne rechte Begeisterung. Ich stieß auch auf eine Auerhahnfamilie, die für etwa anderthalb Stunden meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm… Die jungen Vögel wollten auf meine Lockpfiffe lange nicht antworten, wahrscheinlich pfiff ich nicht »objektiv« genug. – Die Sonne stand schon ziemlich hoch (die Uhr zeigte auf zwölf), als ich meine Schritte wieder nach dem Landsitze richtete. Ich ging nicht zu schnell. Da blickte mich plötzlich vom Hügel aus das kleine Haus an… Mein Herz begann wieder zu beben. Ich kam näher… und sah, nicht ohne eine heimliche Freude, Lukjanytsch wie gewöhnlich auf der Bank vor seinem Häuschen sitzen. Das Tor war geschlossen… die Fensterläden auch.

»Grüß Gott, Onkel!« rief ich ihm noch aus der Ferne zu. »Willst dich wohl wieder in der Sonne wärmen?«

Lukjanytsch wandte mir sein hageres Gesicht zu und lüftete stumm die Mütze.

Ich trat näher.

»Grüß Gott, Onkel,« wiederholte ich so freundlich, wie ich es nur konnte, um ihn milder zu stimmen. »Hast du ihn denn noch nicht gesehen?« fügte ich hinzu, als ich meinen neuen Viertelrubel noch immer auf der Erde liegen sah.

Ich zeigte auf die Silbermünze, die aus dem kurzen Grase halb hervorlugte.

»Hab ihn schon gesehen.«

»Warum hast du ihn nicht aufgehoben?«

»Das Geld gehört nicht mir, darum hab' ich es nicht aufgehoben.«

»Du bist doch wirklich merkwürdig, mein Lieber!« entgegnete ich etwas verlegen. Ich hob die Münze auf und reichte sie ihm: »Nimm, es ist ein Trinkgeld für dich!«

»Vielen Dank,« entgegnete Lukjanytsch mit ruhigem Lächeln. »Ich brauch' es nicht, kann auch ohne das Geld auskommen. Vielen Dank.«

»Ich will dir gern noch mehr geben!« sagte ich etwas verstimmt.

»Wofür denn? Machen Sie sich keine Mühe, ich danke Ihnen für die Freundlichkeit, habe auch so an meinem Brot genug zu beißen. Und selbst mit dem werde ich nicht fertig.«

Mit diesen Worten stand er auf und streckte die Hand nach der Pforte aus.

»Warte, warte noch, Alter,« sagte ich beinahe verzweifelnd. »Wie wortkarg du doch heute bist… Sag mir wenigstens, ist deine Gnädige schon aufgestanden?«

»Die Gnädige sind aufgestanden.«

»Und… ist sie jetzt zu Hause?«

»Nein, sie sind nicht zu Hause.«

»Macht sie irgendwo Besuche?«

»Nein, sie sind nach Moskau abgereist.«

»Nach Moskau? Heute früh war sie ja noch hier?«

»Ja, sie waren noch hier.«

»Hat auch hier übernachtet?«

»Ja, sie haben hier übernachtet.«

»Und war erst seit kurzem angekommen?«

»Ja, seit kurzem.«

»Wie ist es nur möglich, mein Lieber?«

»Ja, vor etwa einer Stunde sind die Gnädige wieder nach Moskau abgereist.«

»Nach Moskau!«

Ich sah ganz verdutzt auf Lukjanytsch: das hatte ich, offen gesagt, nicht erwartet…

Auch Lukjanytsch sah mich an… Ein greisenhaftes verschmitztes Lächeln lag auf seinen trockenen Lippen und leuchtete schwach in seinen traurigen Augen.

»Ist sie mit der Schwester abgereist?« fragte ich ihn schließlich.

»Mit der Schwester.«

»Also ist jetzt niemand im Hause?«

»Niemand.«

– Dieser Alte betrügt mich, – ging es mir durch den Kopf. – Nicht umsonst lächelt er so verschmitzt. –

»Hör' einmal, Lukjanytsch,« sagte ich ihm, »willst du mir einen Gefallen erweisen?«

»Ja, was wünschen Sie?« sagte er gedehnt; meine Fragen ärgerten ihn offenbar.

»Du sagst, daß im Hause jetzt niemand ist; kannst du mir das Haus zeigen? Ich wäre dir dafür sehr dankbar.«

»Sie wollen also die Zimmer sehen?«

»Ja, die Zimmer.«

Lukjanytsch wurde nachdenklich.

»Mit Vergnügen,« sagte er nach einer Pause. »Kommen Sie, bitte, mit…«

Er beugte sich und trat über die Schwelle der Pforte. Ich folgte ihm. Wir gingen durch den kleinen Hof und stiegen die baufälligen Stufen zum Flur hinauf. Der Alte stieß die Tür auf; an der Türe war gar kein Schloß; eine Schnur mit einem Knoten steckte aus dem Schlüsselloch hervor… Wir traten in das Haus. Es bestand aus fünf oder sechs kleinen Zimmern; soviel ich bei dem spärlichen Lichte, das durch die Ritzen in den Fensterläden drang, sehen konnte, waren die Möbel in allen Zimmern sehr einfach und alt. In einem der Zimmer (dessen Fenster in den Garten gingen) stand ein kleines altmodisches Klavier… Ich hob den verbogenen Deckel und schlug die Tasten an: ein unangenehmer, zischender Ton erklang und erstarb, sich gleichsam über meine Frechheit beklagend. Nichts wies darauf hin, daß in diesem Hause erst eben Menschen gewohnt hatten; selbst die Luft in den Zimmern war ungewöhnlich dumpf und tot; nur einige Papierfetzen, die auf dem Boden lagen und noch ganz frisch und weiß aussahen, ließen darauf schließen, daß sie erst seit kurzem hergekommen waren; ich hob einen der Fetzen auf. Es war ein Stück von einem zerrissenen Briefe; auf der einen Seite stand in einer temperamentvollen weiblichen Handschrift: »se taire?«, auf der anderen Seite konnte ich das Wort: »bonheur« entziffern… Auf einem runden Tischchen am Fenster stand in einem Wasserglase ein welker Blumenstrauß, und daneben lag ein zerknittertes grünes Bändchen… Dieses Bändchen nahm ich mir als Andenken mit. – Lukjanytsch öffnete eine enge, mit Tapeten verklebte Türe und sagte:

»Das hier ist das Schlafzimmer, dahinter die Mädchenkammer; mehr Zimmer gibt's hier nicht…«

Wir gingen durch den Korridor zurück.

»Und was ist das da für ein Zimmer?« fragte ich, auf eine breite, weiße Türe mit einem Vorhängeschloß zeigend.

»Das da?« antwortete Lukjanytsch mit dumpfer Stimme. »Das ist nichts.«

»Wieso nichts?«

»Nichts… Eine Rumpelkammer…« Und er ging ins Vorzimmer.

»Eine Rumpelkammer? Kann ich sie sehen?..«

»Ich begreife nicht, was Sie da so interessiert,« entgegnete Lukjanytsch unzufrieden. »Was wollen Sie sehen? Es sind ja nur Koffer darin und altes Geschirr… eine Rumpelkammer und nichts weiter.«

»Ich will sie aber doch sehen, zeig' sie mir bitte, Alter,« sagte ich, obwohl ich mich innerlich meiner unanständigen Beharrlichkeit schämte. »Siehst du, ich möchte… ich möchte, auch bei mir im Dorfe ein solches Haus…«

Ich schämte mich noch mehr und konnte den angefangenen Satz nicht zu Ende bringen.

Lukjanytsch stand, den grauen Kopf gesenkt, und sah mich etwas eigentümlich mit krauser Stirne an.

»Zeig' sie mir doch,« wiederholte ich.

»Nun, von mir aus,« sagte er endlich. Er holte den Schlüssel aus der Tasche und machte sehr ungern die Türe auf.

Ich blickte in die Kammer hinein. Es war da wirklich nichts Bemerkenswertes. An den Wänden hingen alte Bildnisse mit dunklen, beinahe schwarzen Gesichtern und bösen Augen. Auf dem Boden lag verschiedenes Gerümpel.

»Nun, haben Sie sich sattgesehen?« fragte mich mürrisch Lukjanytsch.

»Ja, danke!« erwiderte ich eilig.

Er schlug die Türe zu. Ich ging ins Vorzimmer und aus dem Vorzimmer in den Hof.

Lukjanytsch geleitete mich hinaus, murmelte: »Leben Sie wohl!« und begab sich in sein Häuschen.

»Und wer war die Dame, die gestern hier zu Besuch war?« rief ich ihm nach. »Sie ist mir erst heute früh im Gehölz begegnet.«

Ich hoffte, ihn durch diese unerwartete Frage zu verirren und von ihm eine unüberlegte Antwort zu bekommen. Der Alte lachte aber nur und schlug die Türe hinter sich zu.

Ich kehrte nach Glinnoje zurück. Ich schämte mich wie ein Junge, den man ausgescholten hat.

– Nein, – sagte ich zu mir: – ich werde das Rätsel wohl nicht lösen können. Also geb' ich's auf! Will nicht mehr daran denken. –

Nach einer Stunde war ich schon auf dem Wege nach Hause; ich war erregt und erbost.

 

Es verging eine Woche. Wie sehr ich mich auch bemühte, die Erinnerung an die Unbekannte, an ihren Begleiter und an meine Begegnungen mit ihnen mir aus dem Kopfe zu schlagen, sie kamen immer wieder und belästigten mich so hartnäckig und zudringlich wie eine Fliege an einem Sommernachmittag… Auch Lukjanytsch, mit seinen geheimnisvollen Blicken und zurückhaltenden Reden, mit seinem kühlen und traurigen Lächeln kam mir immer wieder in den Sinn. Sogar das Haus, so oft ich daran dachte, – sogar das Haus schien mich durch seine halbgeschlossenen Fenster schlau und stumpf anzublicken, als wollte es mich necken und mir sagen: Und doch wirst du nichts erfahren! Ich hielt es schließlich nicht aus: an einem schönen Tag fuhr ich wieder nach Glinnoje und begab mich von da zu Fuß… wohin? Der Leser kann es leicht erraten.

Ich muß gestehen, als ich mich dem geheimnisvollen Landsitze näherte, spürte ich eine heftige Erregung. Das Haus schien in seinem Äußeren ganz unverändert: dieselben geschlossenen Fenster, dasselbe traurige und einsame Bild; doch auf der Bank vor dem Hofgebäude saß statt des alten Lukjanytsch ein mir unbekannter Bauernbursche von etwa zwanzig Jahren, in einem langschößigen Kaftan aus Baumwollzeug und in rotem Hemde. Er saß auf der Bank, den lockigen Kopf auf die Hand gestützt und schlummerte; von Zeit zu Zeit fuhr er im Schlafe zusammen.

»Grüß Gott, Bruder!« rief ich laut.

Er sprang sofort auf und sah mich starr mit erschrockenen Augen an.

»Grüß Gott, Bruder,« wiederholte ich, »wo ist der Alte?«

»Was für ein Alter?« fragte mich der Bursche gedehnt.

»Lukjanytsch.«

»Ach so, Lukjanytsch!« Er blickte zur Seite. »Sie wollen also Lukjanytsch?«

»Ja, Lukjanytsch. Ist er zu Hause?«

»N–ein,« sagte der Bursche nach einer Pause. »Er ist… wie soll ich… wie soll ich es Ihnen sagen…«

»Ist er etwa krank?«

»Nein.«

»Was ist denn mit ihm los?«

»Er ist nicht mehr da.«

»Wo ist er denn?«

»Ja, es ist ihm… ein Unglück zugestoßen.«

»Ist er gestorben?« fragte ich erstaunt.

»Er hat sich erhängt.«

»Erhängt!« rief ich erschrocken aus und schlug die Hände zusammen.

Wir blickten einander an.

»Ist es lange her?« fragte ich schließlich.

»Heute sind es fünf Tage. Gestern wurde er beerdigt.«

»Warum hat er sich erhängt?«

»Gott weiß warum. Er war ja ein freier Mensch, kein Leibeigener mehr, er bekam sein Gehalt, er kannte keine Not, die Herrschaft behandelte ihn wie einen Verwandten. Wir haben ja eine so selten gute Herrschaft, Gott schenke ihr langes Leben! Man kann gar nicht begreifen, was ihm geschehen war. Der Böse hat ihn wohl verführt.«

»Wie hat er es denn gemacht?«

»Ganz einfach. Hat sich halt erhängt.«

»Und hat man ihm vorher nichts angemerkt?«

»Wie soll ich es Ihnen sagen… Etwas Besonderes war an ihm nicht zu sehen. Er war ja immer finster und mißtrauisch. Oft begann er zu krächzen und zu stöhnen und zu sagen, daß es ihm so traurig zumute sei. Nun, er war ja auch nicht mehr jung. In der letzten Zeit schien er wirklich etwas nachdenklicher als sonst. Manchmal kam er zu uns ins Dorf; ich bin nämlich sein Neffe. – ›Komm doch mal zu mir, Wassja,‹ sagte er, ›und übernachte bei mir!‹ – ›Warum denn, Onkelchen?‹ – ›Ich fürchte mich allein zu sein, es ist so langweilig und einsam.‹ – Ich ging also ab und zu zu ihm hin. Manchmal ging er in den Hof hinaus, sah auf das Haus, schüttelte den Kopf und seufzte… Auch vor jener Nacht, das heißt bevor er sich erhängte, kam er zu uns und rief mich zu sich. Ich ging auch wirklich mit. Wie wir ankamen, saßen wir noch eine Weile auf der Bank vor seinem Häuschen; dann stand er auf und ließ mich allein. Ich wartete; als er lange nicht kommen wollte, ging ich in den Hof und rief: – ›Onkelchen, he Onkelchen!..‹ – Der Onkel gab keine Antwort. Da denke ich mir: wo ist er nur hingegangen, vielleicht in das Herrschaftshaus? Es war aber schon Abend geworden. Ich ging also ins Haus. Es war schon dunkel geworden. Wie ich an der Rumpelkammer vorbeikomme, höre ich, daß dort jemand hinter der Türe kratzt; ich mache die Türe auf; richtig, da sitzt er in der Kammer beim Fenster. ›Was machen Sie hier, Onkelchen?‹ frage ich ihn. Er dreht sich plötzlich um und schreit mich wütend an; seine Augen laufen aber nur so hin und her und leuchten wie bei einem Kater. ›Was willst du? Siehst du denn nicht, daß ich mich rasiere?‹ Und seine Stimme klingt dabei so heiser. Mir standen plötzlich die Haare zu Berge, und es wurde mir, ich wußte selbst nicht warum, so ängstlich zumute… Damals hatten ihn wohl schon die Teufel in ihrer Gewalt. ›Im Finstern?‹ frage ich ihn, mir beben aber dabei die Knie. – ›Es ist gut,‹ sagt er mir, – ›geh nur.‹ Ich ging, auch er kam aus der Kammer heraus und verschloß die Türe. Wir kamen wieder in sein Häuschen, und meine Angst war auf einmal wie weggeblasen. ›Was haben Sie, Onkelchen,‹ fragte ich ihn, ›in der Kammer gemacht?‹ Er fuhr zusammen. ›Schweig und kümmere dich nicht um fremde Sachen.‹ Mit diesen Worten legte er sich auf die Ofenbank. In der Ecke brennt aber eine Nachtlampe. So liege ich da, bin gerade beim Einschlafen… plötzlich höre ich, wie die Türe leise aufgeht… ganz wenig geht sie auf. Der Onkel lag aber mit dem Rücken gegen die Tür; Sie werden sich wohl erinnern, daß er schwerhörig war. Und doch hörte er, wie die Türe aufging, und sprang plötzlich auf… ›Wer ruft mich da? Wer? Er will mich holen!‹ Mit diesen Worten lief er wie er war ohne Mütze in den Hof… Ich dachte mir noch: ›Was hat er nur?‹ schlief aber sofort wieder ein. Wie ich am nächsten Morgen erwache, ist Lukjanytsch nicht da. Ich ging aus dem Hause, rief nach ihm, bekam aber keine Antwort. Ich frage den Wächter: ›Hast du nicht meinen Onkel gesehen?‹ – ›Nein,‹ sagt er mir, ›ich hab' ihn nicht gesehen.‹ – ›Es ist doch merkwürdig,‹ sage ich, ›daß er nirgends zu sehen ist!‹ Es wurde uns beiden ganz bange zumute. ›Komm doch, Fedossejitsch, komm doch,‹ sage ich, ›wollen wir im Herrschaftshause nachschauen.‹ – ›Komm, Wassilij Timofejitsch,‹ sagt er drauf und ist dabei weiß wie Kalk. Wir gingen ins Haus… und wie ich an der Kammer vorbeikomme, sehe ich, daß das Vorhängeschloß an der Türe aufgemacht ist; ich will die Türe aufstoßen, sie ist aber von innen zugeriegelt… Fedossejitsch lief sofort von außen herum und sah ins Fenster. ›Wassilij Timofejitsch!‹ schreit er, ›die Beine hängen, die Beine…‹ Ich laufe sofort zum Fenster. Und es sind wirklich seine Beine, Lukjanytschs Beine. Er hatte sich mitten im Zimmer erhängt… Wir schickten gleich nach der Polizei… Man nahm ihn aus der Schlinge heraus: zwölf Knoten waren im Strick.«

»Und was sagte die Polizei?«

»Die Polizei? Die sagte nichts. Sie dachten lange nach, was da für eine Ursache gewesen war. Es gab aber keine Ursache. Man entschied also, daß er es im Wahnsinne getan hatte, und dabei blieb's. In der letzten Zeit hatte er auch wirklich oft über Kopfschmerzen geklagt…«

Ich sprach noch etwa eine halbe Stunde mit dem Burschen und ging schließlich heim, verstimmt und verwirrt. Ich muß gestehen, daß ich das alte Haus nicht ohne eine geheime abergläubische Angst ansehen konnte… Nach einem Monat reiste ich ab, und alle die schrecklichen Eindrücke und geheimnisvollen Begegnungen gingen mir allmählich aus dem Kopf.

II

Drei Jahre vergingen. Diese Zeit verbrachte ich zum größten Teil in Petersburg und im Auslande; und wenn ich auch einige Male mein Landgut aufgesucht hatte, so war es doch nur für wenige Tage, so daß ich kein einziges Mal Gelegenheit hatte, nach Glinnoje oder Michailowskoje zu kommen. Auch meine Schöne sah ich nicht wieder, ebensowenig ihren Begleiter. Nach drei Jahren kam ich aber ganz zufällig mit Frau Schlykowa und ihrer Schwester, Fräulein Pelageja Badajewa, derselben Pelageja, die ich bis dahin, offen gesagt, für eine erdichtete Person gehalten hatte, in Moskau in einer Abendgesellschaft zusammen. Beide Damen waren nicht mehr jung, doch von recht angenehmem Äußeren; im Gespräch zeigten sie Geist und heiteres Temperament; sie hatten große Reisen gemacht und offenbar mit Nutzen; beide benahmen sich höchst ungezwungen und schienen lustig. Doch keine von ihnen erinnerte auch im entferntesten an jene Unbekannte. Ich wurde ihnen vorgestellt. Ich kam mit Frau Schlykowa ins Gespräch (ihre Schwester unterhielt sich gerade mit einem zugereisten Geologen). Ich erklärte ihr, daß ich das Vergnügen hätte, ihr Gutsnachbar im N–schen Kreise zu sein.

»Wirklich? Ich besitze dort tatsächlich ein kleines Gut,« erwiderte sie, »in der Nähe von Glinnoje.«

»Gewiß, gewiß,« entgegnete ich, »ich kenne Ihr Michailowskoje. Kommen Sie manchmal hin?«

»Ich? Sehr selten.«

»Waren Sie nicht vor drei Jahren dort?«

»Ich muß mich erst besinnen… Ich glaube, ja. Richtig, ich war wirklich da.«

»Allein oder mit Ihrer Fräulein Schwester?«

Sie sah mich an.

»Mit meiner Schwester. Wir blieben acht Tage dort. Wir hatten geschäftlich zu tun. Sind übrigens mit keinem Menschen zusammengekommen.«

»Hm… Ich glaube, daß es dort nicht viel Gutsnachbaren gibt, mit denen man verkehren kann.«

»Nein, nicht viel. Auch macht mir solcher Verkehr wenig Spaß.«

»Sagen Sie doch,« sagte ich, »ich glaube, daß dort im gleichen Jahr ein Unglück passiert ist. Lukjanytsch…«

Frau Schlykowa traten Tränen in die Augen.

»Haben Sie ihn gekannt?« fragte sie mich mit großem Interesse. »Dieses Unglück! Er war ein so schöner, guter Greis… Und denken Sie sich: ohne jede Ursache…«

»Ja, ja,« murmelte ich, »wirklich schrecklich…«

Die Schwester der Frau Schlykowa trat zu uns heran. Sie war wohl der gelehrten Erörterungen des Geologen über die Formation der Wolgaufer überdrüssig geworden.

»Denke dir nur, Pauline,« sagte Frau Schlykowa, »der Herr hat unsern Lukjanytsch gekannt!«

»Wirklich? Der arme Alte!«

»Ich bin öfters in der Gegend von Michailowskoje zur Jagd gewesen, und gerade um die Zeit, als Sie dort waren, also vor drei Jahren,« bemerkte ich wie nebenbei.

»Ich?« entgegnete Pelageja etwas verlegen.

»Nun ja, natürlich!« fiel ihr die Schwester ins Wort. »Weißt du es nicht mehr?«

Sie blickte ihr scharf in die Augen.

»Ach ja, gewiß!« antwortete plötzlich Pelageja.

– He he, – sagte ich mir – ich glaube kaum, daß du damals in Michailowskoje gewesen bist, meine Liebe! –

»Wollen Sie uns nicht etwas vorsingen, Pelageja Fjodorowna?« sagte plötzlich ein schlanker junger Mann mit blondem Lockenkopf und trüben süßlichen Augen.

»Ich weiß wirklich nicht,« erwiderte Fräulein Badajewa.

»Sie singen?« rief ich lebhaft aus und erhob mich von meinem Platze. »Um des Himmels Willen… singen Sie uns etwas vor.«

»Was soll ich denn singen?«

»Kennen Sie vielleicht,« sagte ich, indem ich mir Mühe gab, möglichst gleichgültig und unbefangen zu erscheinen, »kennen Sie vielleicht ein italienisches Lied, das mit den Worten beginnt: Passa quei' colli?«

»Ich kenne es,« antwortete Pelageja ganz unschuldig. »Wollen Sie, daß ich es Ihnen vorsinge? Mit Vergnügen.«

Sie ging ans Klavier. Ich bohrte meinen Blick durchdringend wie Hamlet in Frau Schlykowa. Es schien mir, daß sie beim ersten Ton des Liedes etwas zusammenfuhr; sie hörte übrigens das Lied bis zum Ende ruhig an. Fräulein Badajewa sang recht nett. Als das Lied zu Ende war, erscholl das übliche Händeklatschen. Man bat sie, sie möchte noch etwas singen; doch beide Schwestern verständigten sich mit einem stummen Blick und brachen auf. Als sie das Zimmer verließen, glaubte ich das Wort »importun« zu hören.

»Ganz recht!« sagte ich mir. Ich bin mit ihnen nie wieder zusammengekommen.

Es verging noch ein Jahr. Ich war inzwischen nach Petersburg gezogen. Im Winter begannen die Maskenbälle. Als ich eines Abends gegen elf Uhr das Haus eines Freundes verließ, überkam mich plötzlich eine ungemein düstere Stimmung, und ich beschloß, um mich zu zerstreuen, den Maskenball im Adelsklub aufzusuchen. Lange irrte ich zwischen den Säulen und den Spiegeln herum, mit jenem bescheidenen und zugleich vielsagenden Gesichtsausdruck, den, wie ich bemerkt habe, ich weiß nicht warum, bei ähnlichen Gelegenheiten selbst die anständigsten Menschen annehmen. Lange irrte ich so herum, fertigte ab und zu mit einem Scherz manchen zudringlichen Domino in zweifelhaften Spitzen und nicht ganz sauberen Handschuhen ab, der mich mit kreischender Stimme anrief und sprach noch seltener selbst einen solchen an; lange ließ ich das Heulen der Blasinstrumente und das Winseln der Geigen über mich ergehen. Schließlich hatte ich diese Langeweile satt, ich bekam Kopfschmerzen und beschloß, nach Hause zu fahren; und doch… und doch blieb ich noch da. Mir war eine Frau in schwarzem Domino aufgefallen, die an eine Säule gelehnt stand. Ich ging sofort auf sie zu, blieb vor ihr stehen und… werden es mir meine Leser glauben wollen?.. ich erkannte in ihr meine Unbekannte. Woran ich sie erkannte: ob am Blick, den sie mir zerstreut durch die länglichen Schlitze in der Maske zuwarf, oder an der herrlichen Form ihrer Schultern und Arme, an ihrer ganzen ungewöhnlich majestätischen Erscheinung, oder sagte es mir plötzlich eine innere Stimme, – ich weiß es nicht; jedenfalls hatte ich sie erkannt. Ich ging einige Male mit bebendem Herzen an ihr vorüber. Sie rührte sich nicht. Ihre ganze Haltung drückte ungewöhnliche, hoffnungslose Trauer aus, und ich mußte unwillkürlich an die Worte einer spanischen Romanze denken:

 
 
Soy un cuadro de tristeza,
Arrimado a la pared…
 
 
Bin ein trauriges Gemälde
Angelehnt an eine Wand…
 

Ich trat hinter die Säule, an der sie lehnte, beugte mich zu ihrem Ohr und raunte ihr zu:

»Passa quei' colli…«

Sie erbebte am ganzen Körper und wandte sich rasch nach mir um. Unsere Augen kamen einander so nahe, daß ich deutlich erkennen konnte, wie sich ihre Pupillen vor Angst erweiterten. Sie blickte mich ganz bestürzt an, die eine Hand etwas vorgestreckt.

»Am 6. Mai 184* in Sorrent, um zehn Uhr abends, in der Straße della Croce,« sagte ich langsam, ohne die Augen von ihr zu wenden, »dann in Rußland, im N'schen Gouvernement, im Dorfe Michailowskoje, am 22. Juli 184*…«

Ich sagte das alles französisch. Sie rückte von mir weg, und maß mich von Kopf bis zu den Füßen mit einem erstaunten Blick. Dann flüsterte sie mir zu: »venez!..« und ging mit raschen Schritten aus dem Saal; ich folgte ihr.

Wir gingen schweigend. Ich kann gar nicht wiedergeben, was ich empfand, als ich so an ihrer Seite ging. Es war mir, als ob ein herrliches Traumbild plötzlich zur Wirklichkeit geworden wäre, als ob die Statue der Galathea zum erstaunten Pygmalion als lebende Frau vom Sockel herabgestiegen wäre. Ich traute meinen Augen nicht und wagte kaum zu atmen.

Wir gingen durch einige Zimmer… Schließlich blieb sie in einem der Räume stehen und setzte sich auf einen kleinen Divan vor ein Fenster. Ich setzte mich an ihre Seite.

Sie wandte mir langsam ihr Gesicht zu und betrachtete mich eine Weile mit aufmerksamen Blicken.

»Kommen Sie… von ihm?« fragte sie schließlich.

Ihre Stimme klang schwach und unsicher…

Diese Frage machte mich etwas verlegen.

»Nein… nicht von ihm,« antwortete ich stotternd.

»Kennen Sie ihn?«

»Ja, ich kenne ihn,« antwortete ich mit geheimnisvoller und wichtiger Miene. Ich wollte meine Rolle zu Ende spielen. »Ich kenne ihn.«

Sie sah mich mißtrauisch an, wollte mir wohl etwas sagen, sagte aber nichts und blickte zu Boden.

»Sie haben ihn in Sorrent erwartet,« fuhr ich fort, »Sie waren mit ihm in Michailowskoje zusammengekommen, sind dort mit ihm einmal ausgeritten…«

»Wie konnten Sie…« fing sie an.

»Ich weiß alles, alles,« unterbrach ich sie.

»Ihr Gesicht kommt mir etwas bekannt vor,« fuhr sie fort, »doch nein…«

»Nein, Sie kennen mich nicht.«

»Was wollen Sie also von mir?«

»Ich weiß alles,« wiederholte ich.

Ich wußte sehr wohl, daß ich den guten Anfang hätte besser ausnützen und im gleichen Sinne fortfahren sollen, daß meine Wiederholungen »Ich weiß alles« auf die Dauer lächerlich wirkten; meine Aufregung war aber so groß, die unerwartete Begegnung hatte mich so verwirrt, daß ich gar nicht wußte, was ich ihr noch weiter sagen sollte. Außerdem wußte ich auch in der Tat nichts mehr. Ich fühlte, daß ich vor ihr auf einmal ganz dumm dastand und daß ich aus dem geheimnisvollen allwissenden Wesen, als welches ich ursprünglich erscheinen mußte, mich allmählich in einen blöde lächelnden Idioten verwandelte; konnte aber nichts mehr dagegen tun.

»Ja, ich weiß alles,« sagte ich noch einmal.

Sie sah mich an, stand schnell auf und wollte fort.

Das war aber zu grausam. Ich ergriff sie bei der Hand.

»Um Gotteswillen,« begann ich, »setzen Sie sich und hören Sie mich an…«

Sie dachte eine Weile nach und setzte sich schließlich wieder auf den Divan.

»Ich habe Ihnen soeben gesagt,« fuhr ich, mich ereifernd, fort, »daß ich alles weiß; das ist Unsinn. Ich weiß nichts, absolut nichts. Weder wer Sie sind, noch wer er ist; und wenn Sie sich über die Worte wundern, die ich Ihnen vorhin bei der Säule zugeraunt habe, so schreiben Sie doch alles einem Zufall zu, einem merkwürdigen, unbegreiflichen Zufall, der mich zweimal wie zum Scherz Ihnen in den Weg geführt und zu einem unfreiwilligen Zeugen von Dingen gemacht hat, die Sie vielleicht geheim halten wollen…«

Und ich erzählte ihr, ohne irgend etwas zu verheimlichen, alles: von meinen Begegnungen mit ihr in Sorrent und in Rußland, von meinen erfolglosen Nachforschungen in Michailowskoje und selbst von meinem Gespräch mit Frau Schlykowa und deren Schwester zu Moskau.

»Jetzt wissen Sie alles,« fuhr ich fort, als ich mit dem Bericht fertig war. »Ich will Ihnen gar nicht sagen, welch einen tiefen und erschütternden Eindruck Sie auf mich gemacht haben: Sie zu sehen und von Ihnen nicht bezaubert zu werden, ist ganz unmöglich… Andererseits brauche ich gar nicht zu sagen, welcher Art dieser Eindruck war. Besinnen Sie sich doch nur, unter welchen Verhältnissen ich Sie beide Male sah… Glauben Sie mir, ich gebe mich nicht gerne wahnsinnigen Hoffnungen hin, begreifen Sie aber jene ungewöhnliche Erregung, die sich meiner heute abend bemächtigt hat, und entschuldigen Sie mir die plumpe List, die ich anwandte, um Ihre Aufmerksamkeit, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, auf mich zu lenken…«

Sie hörte meinen verworrenen Erklärungen mit gesenktem Kopfe zu.

»Was wollen Sie also von mir?« fragte sie schließlich.

»Ich?.. Ich will nichts… Ich bin ohnehin glücklich… Ich respektiere fremde Geheimnisse.«

»Wirklich? Bisher hatte ich eigentlich den Eindruck… Ich will Ihnen, übrigens, keine Vorwürfe machen. An Ihrer Stelle würde wohl ein jeder so gehandelt haben. Auch hat uns das Schicksal gar zu beharrlich unter so ungewöhnlichen Umständen einander zugeführt… Das gibt Ihnen vielleicht ein gewisses Anrecht auf meine Offenherzigkeit. Hören Sie also: ich gehöre nicht zu jenen unverstandenen und unglücklichen Frauen, die auf Maskenbälle gehen, um mit dem ersten Besten von ihren Leiden zu reden und nach mitfühlenden Seelen zu suchen… Ich brauche keines Menschen Mitgefühl; mein Herz ist längst tot, und ich bin hergekommen, um es endgültig zu begraben.«

Sie führte ihr Taschentuch an die Lippen.

»Ich hoffe,« fuhr sie mit einiger Überwindung fort, »daß Sie meine Worte nicht als gewöhnliche Maskenballergüsse auffassen. Sie müssen einsehen, daß es mir ganz anders zumute ist…«

Und wirklich glaubte ich in ihrer Stimme, wie angenehm und einschmeichelnd sie auch klang, etwas Unheimliches zu hören.

»Ich bin Russin,« fuhr sie russisch fort; bisher hatte sie französisch gesprochen, »obwohl ich in Rußland wenig gelebt habe… Meinen Namen brauchen Sie nicht zu wissen… Anna Fjodorowna ist meine alte Freundin; ich war wirklich einmal in Michailowskoje unter dem Namen ihrer Schwester… Damals durfte ich mit ihm noch nicht öffentlich zusammenkommen… Es waren auch ohnehin Gerüchte über uns im Umlauf… es gab noch verschiedene Hindernisse, er war noch nicht frei… Diese Hindernisse sind nun beseitigt… Da hat aber er, dessen Namen ich hätte tragen sollen, mit dem Sie mich gesehen haben, mich verlassen.«

Sie ließ hoffnungslos die Arme sinken und schwieg eine Weile… Dann fragte sie mich:

»Kennen Sie ihn wirklich nicht? Ist er Ihnen nie begegnet?«

»Wirklich nie.«

»Er hat sich fast immer im Ausland aufgehalten. Jetzt ist er übrigens hier… Das ist meine ganze Geschichte,« setzte sie hinzu. »Wie Sie sehen, ist an ihr nichts Geheimnisvolles, nichts Außergewöhnliches.«

»Und Sorrent?« wandte ich schüchtern ein.

»Ich hatte ihn in Sorrent kennen gelernt,« antwortete sie langsam und wurde wieder nachdenklich.

Wir schwiegen beide. Eine seltsame Unruhe bemächtigte sich meiner. Ich saß an ihrer Seite, an der Seite jener Frau, deren Bild so oft meine Gedanken beherrscht und mich so schmerzvoll bewegt und erregt hatte, – ich saß an ihrer Seite, doch mein Herz blieb kühl, beklommen. Ich wußte, daß dieses Gespräch zu nichts führen würde, daß zwischen mir und ihr ein unüberbrückbarer Abgrund lag, daß wir uns nach dieser Begegnung nie wieder sehen würden. Den Kopf etwas vorgebeugt, beide Hände nachlässig auf die Knie gesenkt, saß sie gleichgültig da. Ich kenne nur zu gut diese nachlässige Gebärde des unheilbaren Schmerzes, diese Gleichgültigkeit des nicht wieder gutzumachenden Unglücks! Maskierte Paare zogen an uns vorbei; die Töne eines »eintönigen und wahnsinnigen« Walzers klangen bald leise wie aus der Ferne und bald dröhnend in unsere Ohren; die lustige Ballmusik machte auf mich einen traurigen, schweren Eindruck. Ist denn diese Frau – dachte ich – die gleiche, die mir einst am Fenster jenes fernen Landhauses im Glanze ihrer sieghaften Schönheit erschienen war?.. – Und doch schien sie von der Zeit unberührt. Der untere Teil ihres Gesichts, den die Spitzen der Maske offen ließen, war zart wie bei einem Kinde; ihr entströmte aber ein Hauch von Kälte wie einer Statue… Galathea war auf ihr Postament zurückgekehrt und durfte es nie wieder verlassen.

Купите 3 книги одновременно и выберите четвёртую в подарок!

Чтобы воспользоваться акцией, добавьте нужные книги в корзину. Сделать это можно на странице каждой книги, либо в общем списке:

  1. Нажмите на многоточие
    рядом с книгой
  2. Выберите пункт
    «Добавить в корзину»