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Visionen und andere phantastische Erzählungen

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»Ellis! Ellis!« rief ich wie wahnsinnig. »Es ist der Tod! Der Tod selbst!«

Ein klagender Ton, den ich schon früher gehört hatte, drang wieder aus Ellis' Munde, – diesmal glich er aber eher einem menschlichen, verzweifelten Aufschrei, – und wir flogen dahin. Doch unser Flug war seltsam und grauenhaft ungleich; Ellis überschlug sich in der Luft, stürzte, flog im Zickzack wie das Rebhuhn, das tödlich verwundet ist oder den Hund von seinen Jungen abzubringen sucht. Indessen hatten sich von jener unbeschreiblich grauenhaften Masse lange wellenförmige Glieder abgelöst, und sie streckten sich uns entgegen wie Arme, wie Krallen… Die riesige Gestalt eines verhüllten Reiters auf fahlem Rosse erschien und schwang sich im gleichen Augenblick hoch in den Himmel hinauf… Noch unruhiger, noch verzweifelter warf sich Ellis hin und her. »Er hat mich gesehen! Alles ist zu Ende! Ich bin verloren!..« ließ sich ihr hastiges Geflüster vernehmen. »Oh, ich Unglückliche! Ich hätte die Gelegenheit benützen können, hätte neue Lebenskraft schöpfen können… und jetzt… Jetzt bin ich wieder nichts!«

Es ging über meine Kraft… Ich verlor die Besinnung.

XXV

Als ich zu mir kam, lag ich auf dem Rücken im Grase und fühlte in meinem ganzen Körper einen dumpfen Schmerz wie nach einem Sturz. Am Himmel dämmerte der Morgen, und ich konnte deutlich die Dinge unterscheiden: nicht weit von mir zog sich längs eines Birkengehölzes eine von Weidenbüschen eingefaßte Straße hin; die Gegend kam mir bekannt vor. Ich fing an, mich zu erinnern, was mit mir vorgefallen war, und ich zuckte vor Grauen zusammen, als mir das letzte entsetzliche Gesicht in den Sinn kam…

– Aber warum erschrak Ellis? – dachte ich. – Ist denn auch sie seiner Gewalt untertan? Ist sie nicht unsterblich? Ist sie denn auch der Vernichtung, der Auflösung preisgegeben? Wie wäre das möglich! –

Ganz nahe ließ sich ein leiser Seufzer vernehmen. Ich wandte den Kopf. Etwa zwei Schritte vor mir lag auf der Erde, unbeweglich hingestreckt, eine junge Frau in weißem Kleid, mit aufgelöstem üppigem Haar und entblößter Schulter. Ein Arm lag hinter dem Kopfe, der andere auf der Brust. Die Augen waren geschlossen, und auf den zusammengepreßten Lippen zeigte sich ein leichter hellroter Schaum. Ist denn das Ellis? Ellis war ja ein Gespenst, eine Vision, und vor mir liegt ein lebendiges Weib. Ich kroch zu ihr heran und beugte mich über sie…

»Ellis! Bist du es?« rief ich aus. Plötzlich öffneten sich, leise erzitternd, ihre breiten Augenlider, dunkle durchdringende Augen bohrten sich in mich, – und im gleichen Augenblick saugten sich warme, feuchte, nach Blut riechende Lippen in die meinen, weiche Arme umschlangen meinen Hals, eine glühende volle Brust drückte sich an die meine. – »Lebe wohl! Lebe wohl auf ewig!« sprach deutlich die ersterbende Stimme, – und alles war verschwunden.

Ich erhob mich, schwankte wie trunken, fuhr mir einige Male mit der Hand über das Gesicht und sah mich aufmerksam um. Ich befand mich an der Landstraße, etwa zwei Werst von meinem Gute entfernt. Die Sonne war schon aufgegangen, als ich mein Haus erreichte.

Alle folgenden Nächte wartete ich – und ich muß gestehen, nicht ohne Furcht – auf das Erscheinen meiner Vision; sie kam jedoch nicht wieder. Einmal begab ich mich sogar in der Dämmerung zur alten Eiche, doch auch dort ereignete sich nichts Ungewöhnliches. Übrigens beklagte ich den Abbruch dieser wundersamen Beziehungen nicht allzu sehr. Ich habe viel und lange über diesen unbegreiflichen, ich möchte beinahe sagen, – albernen Fall nachgedacht und bin zur Überzeugung gekommen, daß er sich nicht nur wissenschaftlich nicht erklären läßt, sondern daß auch in Märchen und Sagen nichts Ähnliches vorkommt. Was war in der Tat diese Ellis? Ein Gespenst, eine umherirrende Seele, ein böser Geist, eine Sylphide, vielleicht gar ein Vampyr? Zuweilen schien es mir wiederum, daß Ellis eine Frau sei, welche ich einst gekannt habe, und ich strengte mich entsetzlich an, um mich zu besinnen, wo ich sie früher gesehen… Halt, halt, – sagte ich mir manchmal, – da hab ich's, gleich wird's mir einfallen… Gefehlt! Alles zerrann wieder wie ein Traum. Ja, ich überlegte mir viel hin und her und brachte, wie es fast immer der Fall ist, doch nichts heraus. Andere Leute um Rat oder Meinung zu befragen, – konnte ich mich nicht entschließen. Ich fürchtete, daß sie mich für verrückt halten würden. Schließlich gab ich alle meine Bemühungen auf; offen gestanden hatte ich ganz andere Dinge im Kopf. Einerseits war die Abschaffung der Leibeigenschaft mit der Verteilung der Ländereien dazwischengekommen, und andererseits war auch meine Gesundheit ziemlich zerrüttet: ich litt an Brustschmerzen, Schlaflosigkeit, Husten. Der ganze Körper war mir wie ausgetrocknet, mein Gesicht war gelb wie bei einer Leiche. Der Arzt versichert, daß ich zu wenig Blut habe; er nennt meine Krankheit mit dem griechischen Namen »Anaemie« und schickt mich nach Gastein. Der Verwalter schwört aber, er könne ohne mich mit den Bauern nicht fertig werden…

Und so muß ich allein mit allem fertig werden!

Doch was bedeuten jene durchdringend-reinen und schrillen Töne, den Tönen einer Ziehharmonika ähnlich, die in meinen Ohren erklingen, so oft in meiner Gegenwart von irgend einem Todesfalle die Rede ist? Sie werden immer lauter, immer durchdringender… Und warum muß ich immer beim bloßen Gedanken an das Nichts, an die Auflösung so qualvoll zusammenfahren?

Der Hund

»Wenn man die Möglichkeit des Übernatürlichen, die Möglichkeit seines Hineinspielens in das wirkliche Leben zugeben soll, – so gestatten Sie die Frage, welche Rolle soll dann noch der gesunde Menschenverstand spielen?« verkündete Anton Stepanowitsch und kreuzte seine Hände über dem Magen.

Anton Stepanowitsch hatte den Rang eines Staatsrates, war an irgendeinem sonderbaren Departement angestellt, redete langsam, gemessen und im Baß und erfreute sich allgemeiner Hochachtung. Erst kurz vorher hatte man ihm, wie seine Neider sagten, den Stanislausorden angehängt.

»Sie haben vollkommen recht,« bemerkte Skworewitsch.

»Darüber wird auch niemand streiten,« fügte Kinarewitsch hinzu.

»Ganz meine Meinung,« bestätigte mit einer Fistelstimme der Gastgeber, Herr Finoplentow, der in einer Ecke saß.

»Ich kann mich aber, offen gestanden, dieser Meinung nicht anschließen, denn mir selbst ist einmal etwas durchaus Übernatürliches passiert,« sagte ein Mann von mittlerem Wuchs und mittleren Jahren, mit einem ziemlichen Embonpoint und einer Glatze, der bisher schweigend hinter dem Ofen gesessen hatte… Alle Anwesenden blickten ihn sofort neugierig und fragend an, – und alle schwiegen.

Dieser Mann, ein nicht sehr bemittelter Gutsbesitzer aus dem Gouvernement Kaluga, war erst vor kurzem nach Petersburg gekommen. Er hatte einmal bei den Husaren gedient, sein Vermögen verspielt, den Abschied genommen und sich schließlich auf dem Lande niedergelassen. Die mit der Abschaffung der Leibeigenschaft zusammenhängenden wirtschaftlichen Veränderungen hatten seine Einkünfte erheblich gekürzt, und so war er nach Petersburg gekommen, um sich nach einer Stelle umzusehen. Er besaß weder irgendwelche Fähigkeiten noch Verbindungen, baute aber felsenfest auf die Freundschaft eines ehemaligen Regimentskameraden, der plötzlich, ohne ersichtlichen Grund, Karriere gemacht hatte und dem er einst behilflich gewesen war, einen Falschspieler zu verprügeln. Außerdem baute er auch noch auf sein Glück, welches ihn auch wirklich nicht im Stiche ließ: einige Tage später bekam er die Stelle eines Inspektors der Staatsmagazine, eine vorteilhafte und sogar ehrenvolle Stelle, die keinerlei besondere Talente erforderte: die Magazine bestanden überhaupt nur im Projekt, und es war sogar noch nicht bekannt, womit sie einst gefüllt werden sollten; ersonnen waren sie aber aus Gründen der Staatsökonomie.

Anton Stepanowitsch war der erste, der das allgemeine Schweigen brach.

»Wie, mein sehr verehrter Herr?« begann er: »Sie wollen im Ernste behaupten, daß Sie etwas Übernatürliches erlebt haben, ich will sagen, etwas, was mit den Gesetzen der Natur nicht übereinstimmt?«

»Ja, das will ich behaupten,« entgegnete der »sehr verehrte Herr«, der eigentlich Porfirij Kapitonowitsch hieß.

»Etwas, was mit den Gesetzen der Natur nicht übereinstimmt!« wiederholte Anton Stepanowitsch, dem diese Phrase offenbar gut gefiel, beinahe empört.

»Ja, das meine ich eben; gerade so etwas, wie Sie zu sagen geruhten.«

»Das ist höchst merkwürdig! Was meinen Sie, meine Herren?« Anton Stepanowitsch bemühte sich, seinen Zügen einen ironischen Ausdruck zu geben; es kam aber nichts dabei heraus, oder richtiger gesagt, der Herr Staatsrat nahm eine Miene an, als ob er einen üblen Geruch wittere. »Dürfen wir Sie vielleicht bitten, verehrter Herr,« fuhr er, sich an den Gutsbesitzer aus Kaluga wendend, fort: »Dürfen wir Sie vielleicht bitten, uns die Einzelheiten eines so merkwürdigen Erlebnisses mitzuteilen?«

»Warum nicht? Mit Vergnügen!« erwiderte der Gutsbesitzer. Er rückte seinen Stuhl ungezwungen in die Mitte des Zimmers vor und begann folgendermaßen:

»Ich besitze, meine Herren, was Ihnen vielleicht bekannt, vielleicht auch unbekannt ist, ein kleines Gut im Koselskischen Kreise. Vor Jahren hat es mir etwas eingebracht, doch heutzutage kann es mir selbstverständlich nichts als Unannehmlichkeiten bringen. Von Politik will ich übrigens nicht sprechen! Auf diesem Gute also habe ich einen kleinen Hof, einen Gemüsegarten, einen Teich mit Karauschen und was sonst noch dazu gehört, ein paar Wirtschaftsgebäude und schließlich ein Häuschen für meinen eigenen sündigen Leib… Darin hauste ich als Junggeselle. Eines Abends, – so vor sechs Jahren mag es gewesen sein – kam ich spät nach Hause: hatte beim Nachbar Karten gespielt, war aber, was ich Sie wohl zu beachten bitte, vollkommen nüchtern; ich kleidete mich aus, legte mich zu Bett und löschte das Licht aus. Nun stellen Sie sich vor, meine Herren, – kaum habe ich das Licht ausgelöscht, als sich etwas unter meinem Bette zu rühren anfängt! Ich denke mir: eine Ratte? Nein, keine Ratte: es kratzt, es rumort, es juckt sich… Schließlich klappert es mit den Ohren!

 

Selbstverständlich ist's ein Hund. Wo soll aber ein Hund herkommen? Ich halte mir keine Hunde; ist's vielleicht irgendein zugelaufener? Ich rief meinen Diener; Filjka hieß er. Der Diener kam mit einem Licht. ›Was ist das‹, sage ich ihm, ›mein lieber Filjka, für eine Unordnung!? Da ist ein Hund unter mein Bett geraten.‹ – ›Was für ein Hund?‹ sagt er. – ›Woher soll ich es wissen?‹ sage ich. ›Es ist deine Sache darauf zu sehen, daß dein Herr nicht gestört wird.‹ – Mein Filjka bückt sich und beginnt mit der Kerze in der Hand unter dem Bette zu suchen. ›Hier ist ja gar kein Hund!‹ sagt er schließlich. – Auch ich bücke mich: wirklich keine Spur von einem Hund. – Was für ein Unsinn! Ich schaue auf Filjka, er lächelt. – ›Dummkopf,‹ sage ich zu ihm: ›was grinst du? Der Hund ist wohl, als du die Türe aufgemacht hast, in den Flur geschlüpft. Und du, Maulaffe, hast es nicht bemerkt, weil du immer schläfst. Vielleicht denkst du, daß ich betrunken bin?‹ Er wollte etwas entgegnen, ich jagte ihn aber fort, rollte mich zu einem Kringel zusammen und hörte in jener Nacht nichts mehr.

Doch in der nächsten Nacht – denken Sie es sich nur! – wiederholt sich die gleiche Geschichte. Wie ich nur die Kerze ausblies, beginnt es gleich wieder zu kratzen und mit den Ohren zu klappern. Ich rief wieder Filjka herbei, er sah wieder unters Bett – wieder nichts! Ich schickte ihn weg, blies die Kerze aus und – pfui Teufel! – der Hund ist schon wieder da. Es ist auch ganz sicher ein Hund: ich höre ganz genau, wie er atmet, wie er mit den Zähnen nach Flöhen sucht… So ungewöhnlich deutlich höre ich es! – ›Filjka!‹ rufe ich wieder, ›komm mal her, doch ohne Licht!‹ Filjka kommt. – ›Nun, hörst du es?‹ – ›Ich höre es wohl,‹ sagt er. Ich kann ihn nicht sehen, doch ich fühle, daß er vor Angst am ganzen Leibe zittert. – ›Und was sagst du dazu?‹ frage ich ihn. – ›Was soll ich dazu sagen, Porfirij Kapitonowitsch? Es ist Teufelsspuk!‹ – ›Du dummer Kerl,‹ sage ich ihm, ›schweig' doch lieber mit deinem Teufelsspuk…‹ Doch wir beide piepsen wie die Vögel und zittern wie im Fieber; finster ist es auch. Ich zünde das Licht an: nichts zu sehen, nichts zu hören, wir beide stehen da weiß wie Kalk. So ließ ich die Kerze bis zum Morgen brennen. Nun erkläre ich Ihnen, meine Herren, – Sie mögen es mir glauben oder nicht – von dieser Nacht an wiederholte sich die Geschichte jede Nacht durch volle sechs Wochen. Schließlich gewöhnte ich mich daran und ließ sogar die Kerze nicht mehr brennen, denn ich kann bei Licht nicht schlafen. Soll er von mir aus lärmen, soviel er will! Er wird mir ja nichts zuleide tun!«

»Wie ich sehe, gehören Sie nicht zu den Feigsten,« unterbrach ihn mit einem halb spöttischen, halb herablassenden Lächeln Anton Stepanowitsch. »Man sieht gleich den Husaren!«

»Vor Ihnen würde ich auf keinen Fall Furcht haben,« versetzte Porfirij Kapitonowitsch und sah für einen Augenblick wirklich wie ein Husar aus. »Hören Sie aber weiter. Da kommt zu mir ein Nachbar zu Besuch, derselbe, mit dem ich Karten zu spielen pflegte. Er aß bei mir zu Mittag, was es eben gab, ließ mir so an die fünfzig Rubel für den Besuch zurück und wollte sich dann nach Hause begeben, denn draußen wurde es dunkel. Ich habe aber so gewisse Absichten und sage ihm: ›Bleib doch bei mir zu Nacht, Wassilij Wassilijewitsch; morgen gewinnst du mit Gottes Hilfe alles zurück.‹ Mein Wassilij Wassilijewitsch überlegt sich hin und her und bleibt. Ich lasse ihm das Bett in meinem Schlafzimmer richten… Wir legen uns hin, rauchen und plaudern noch eine Weile – hauptsächlich über das zarte Geschlecht, wie es sich unter Junggesellen gehört, – scherzen ein bißchen… Ich sehe: Wassilij Wassilijewitsch löscht seine Kerze aus, und kehrt mir den Rücken; das heißt: Gute Nacht! Ich warte noch eine Weile und lösche auch meine Kerze aus. Nun denken Sie sich: ich habe noch gar nicht nachgedacht, was es nun für eine Karambolage geben wird, als das liebe Geschöpf auch schon zu lärmen anfängt. Es begnügt sich nicht mit dem gewöhnlichen Lärm, sondern kriecht unter dem Bette hervor, geht durchs Zimmer, klopft mit den Pfoten auf die Diele, klappert mit den Ohren und stößt plötzlich an den Stuhl, der neben Wassilij Wassilijewitschs Bett steht. – ›Porfirij Kapitonowitsch,‹ sagt der, und zwar mit einer ganz gleichgültigen Stimme, – ›ich wußte gar nicht, daß du dir einen Hund angeschafft hast. Was ist's für einer? Ein Hühnerhund oder was?‹ – ›Ich habe gar keinen Hund,‹ sage ich ihm darauf, ›und habe auch nie einen gehabt!‹ – ›Was, du hast keinen Hund? Und was ist denn das?‹ – ›Was das ist? Zünde die Kerze an, so wirst du es selbst sehen.‹ – ›Ist das kein Hund?‹ – ›Nein.‹ – Wassilij Wassilijewitsch dreht sich im Bette um. – ›Du scherzest wohl, mein Lieber?‹ ›Nein, ich scherze nicht.‹ – Da höre ich, wie er ein Zündhölzchen an der Schachtel reibt; das Vieh treibt aber noch immer sein Wesen und juckt sich das Fell. Endlich brennt die Kerze und… basta! Keine Spur mehr! Wassilij Wassilijewitsch sieht mich an, – und ich sehe ihn an. – ›Was ist das,‹ fragt er mich, ›für ein Witz?‹ – ›Das ist so ein Witz,‹ sage ich ihm, ›daß, wenn du an die eine Seite Sokrates in eigener Person und an die andere Friedrich den Großen hinsetzt, so werden auch die daraus nicht klug werden.‹ – Und ich erzähle ihm alles mit sämtlichen Einzelheiten. Wie da mein Wassilij Wassilijewitsch aufspringt! Wie wenn er sich verbrüht hätte! Kann unmöglich mit den Füßen in seine Stiefel hineingeraten. – ›Einspannen!‹ schreit er: ›Einspannen!‹ – Ich versuche ihn zu besänftigen, er will aber auf nichts hören! Er seufzt und ächzt. – ›Ich bleibe keine Minute länger hier! Du bist nach alledem ein verdammter Mensch! Einspannen!‹ Endlich gelang es mir, ihn zu überreden. Nur mußte ich sein Bett in ein anderes Zimmer schleppen und in allen Ecken Nachtlichter anzünden lassen. Am nächsten Morgen beim Tee war er schon einigermaßen ruhiger und begann, mir Ratschläge zu geben. ›Du solltest versuchen, Porfirij Kapitonowitsch,‹ sagte er mir, ›für einige Tage das Haus zu verlassen: vielleicht wirst du dann diesen Teufelsdreck loswerden.‹ – Ich muß Ihnen aber sagen, meine Herren, daß dieser Nachbar ein Mann von ungewöhnlichem Verstande war! Unter anderem hatte er seine eigene Schwiegermutter so ganz wunderbar herumgekriegt: er hatte sie einen Wechsel unterschreiben lassen, doch so, daß sie es selbst gar nicht merkte, eine so gefühlvolle Stunde hatte er sich dazu ausgesucht. Sie wurde weich wie Butter, gab ihm sogar eine Vollmacht zur Verwaltung des ganzen Gutes – was hätte er sich noch wünschen können? Und das ist doch wirklich nicht leicht, eine Schwiegermutter so herumzukriegen! Was meinen Sie, meine Herren? Er verließ mich aber ziemlich mißvergnügt: ich hatte ihm nämlich wieder an die hundert Rubel im Kartenspiel abgeknöpft. Er schimpfte sogar auf mich und sagte, daß ich undankbar und gefühllos sei. Was traf mich aber für eine Schuld? Nun, das alles versteht sich von selbst, – seinen Rat nahm ich aber zur Kenntnis: noch am gleichen Tage reiste ich in die Stadt und mietete mich in einem Gasthaus, bei einem mir bekannten alten Sektierer ein. Dieser war ein höchst ehrenwerter Greis, wenn auch etwas unwirsch infolge seiner Zurückgezogenheit: seine ganze Familie war ihm ausgestorben. Nur konnte er in seinem Hause keinen Tabakrauch leiden, und gegen Hunde hatte er eine ganz schreckliche Abneigung: ich glaube, er würde es vorziehen, sich selbst eigenhändig in Stücke zu reißen, als einen Hund zu sich über die Schwelle zu lassen! Er pflegte zu sagen: ›Hier in meiner Kammer geruht an der Wand die Himmelskönigin in eigener Person zu wohnen; wie sähe es aus, wenn ein unflätiger Hund seine unsaubere Schnauze gegen die gleiche Wand erheben wollte!‹ Man kennt es ja – Unbildung! Im übrigen bin ich der Meinung: ein jeder soll sich an die Weisheit halten, die ihm gegeben ist!«

»Wie ich sehe, sind Sie ein großer Philosoph!« unterbrach ihn schon wieder Anton Stepanowitsch mit dem gleichen ironischen Lächeln.

Porfirij Kapitonowitsch runzelte diesmal sogar die Stirne.

»Was ich für ein Philosoph bin, das ist noch ungewiß,« versetzte er, sich nervös den Schnurrbart zupfend. »Aber Sie würde ich gerne in die Lehre nehmen!«

Wir alle blickten erwartungsvoll auf Anton Stepanowitsch: ein jeder von uns erwartete eine stolze Antwort oder wenigstens einen strafenden Blick… Doch der Herr Staatsrat veränderte sein ironisches Lächeln in ein gleichgültiges, gähnte, schlenkerte etwas mit dem Fuß, – und das war alles!

»Bei eben diesem Greis mietete ich mich ein,« fuhr Porfirij Kapitonowitsch fort. – »Er gab mir aus Bekanntschaft eine ziemlich elende Kammer; er selbst hauste dicht daneben, hinter einer dünnen Bretterwand, doch das paßte mir ausgezeichnet. Diese paar Tage waren für mich übrigens ein wahres Martyrium! Die Kammer war klein, und dazu die Hitze, die stickige Luft, die vielen Fliegen, die so eigentümlich klebrig schienen. In der Ecke stand ein mächtiger Heiligenschrein mit uralten Bildern; die Beschläge an den Bildern waren trübe, pompös, doch innen hohl; es roch nach Lampenöl und nach anderen Spezereien. Auf dem Bette lagen zwei Daunenpfühle, wenn ich aber ein Kissen anrührte, so lief schon gleich eine Schabe hervor… Aus lauter Langeweile trank ich eine Unmenge Tee – ein wahres Elend! Schließlich legte ich mich hin. Vom Einschlafen war nicht die Rede, – denn der Wirt hinter dem Verschlage wollte gar nicht aufhören zu seufzen, zu stöhnen und Gebete zu lesen. Schließlich begab er sich doch zur Ruhe. Ich höre: er schnarcht, aber so ganz leise, ganz bescheiden und altmodisch. Die Kerze hatte ich schon längst ausgeblasen, vor den Heiligenbildern brennt aber noch ein Lämpchen… Also ein Hindernis! Ich stehe leise auf, schleiche barfuß in die Ecke zum Heiligenschrein und blase das Lämpchen aus… Nichts geschieht. – Aha! – sage ich mir, – bei Fremden will es nicht anbeißen… Kaum lege ich mich aber ins Bett, als die Geschichte schon wieder losgeht! Es scharrt und kratzt, und klappert mit den Ohren… Mit einem Worte ganz wie es sich gehört! Gut. Ich liege da und warte, was weiter geschieht. Da höre ich wie der Alte aufwacht. – ›Herr‹, sagt er mir, ›Herr!‹ – ›Was denn?‹ – ›Hast du die Lampe ausgeblasen?‹ Und ohne meine Antwort abzuwarten, fängt er auf einmal an zu schimpfen: ›Was ist das? Was ist das? Ein Hund? Ein Hund! Ach du verdammter Ketzer!‹ ›Warte Alter mit dem Schimpfen,‹ sage ich, ›komme lieber zu mir herüber, hier gehen erstaunliche Dinge vor.‹ Der Alte krächzt noch eine Weile und kommt dann zu mir ins Zimmer, mit einer ungewöhnlich dünnen Kerze aus gelbem Wachs in der Hand; er macht einen wirklich merkwürdigen Eindruck! Er ist ganz struppig, die Ohren sind behaart, die Augen böse wie bei einem Iltis, auf dem Kopfe hat er eine weiße Kappe aus Filz, der Bart reicht ihm bis zum Gürtel und ist ebenfalls weiß, über dem Hemde trägt er eine Weste mit Messingknöpfen und an den Beinen Pelzstiefel; und obendrein riecht er nach Wacholder. In diesem Aufzuge ging er zu den Heiligenbildern, bekreuzigte sich dreimal nach dem Ritus der Altgläubigen mit zwei Fingern, zündete das Lämpchen an, bekreuzigte sich wieder, wandte sich dann zu mir und fuhr mich an: ›Erkläre!‹ – Und nun erzähle ich ihm sofort alles, ohne irgend etwas zu verheimlichen. Der Alte hört mich aufmerksam an, unterbricht mich mit keinem Wort, schüttelt nur ununterbrochen den Kopf. Dann setzt er sich zu mir aufs Bett und schweigt noch immer; kratzt sich die Brust, den Nacken und das übrige und schweigt. – ›Nun, Fedul Iwanowitsch,‹ sage ich ihm, ›was meinst du dazu? Ist das ein höllisches Blendwerk oder was?‹ – Der Alte sieht mich an und sagt: ›Was redest du von einem höllischen Blendwerk! Wenn es noch in deinem Hause wäre, du Ketzer – aber hier! Bedenke doch nur, wieviel Heiligkeit hier in meinen Räumen ist! Wie könnte hier höllisches Blendwerk hereinkommen!‹ – ›Und wenn es keines ist, was ist es dann?‹ – Der Alte schweigt wieder eine Weile, kratzt sich und sagt schließlich mit dumpfer Stimme, denn der Bart wächst ihm in den Mund hinein; ›Begib dich in die Stadt Bjelew. Außer einem gewissen Menschen kann dir niemand helfen. Und dieser Mensch wohnt in Bjelew: er ist einer von den Unsrigen. Wenn er dir helfen will, ist es dein Glück; will er aber nicht, so muß es bleiben, wie es ist.‹ – ›Und wie soll ich diesen Menschen finden?‹ frage ich ihn. – ›Das kann ich dir ganz genau sagen, aber wie kannst du nur von höllischem Blendwerk sprechen? Es ist entweder eine Erscheinung, oder ein Zeichen; verstehen kannst du es sowieso nicht, denn dazu reicht dein Verstand nicht aus. Lege dich jetzt im Namen Christi schlafen, ich werde ein wenig mit Weihrauch räuchern, und morgen wollen wir sprechen. Denn Morgenstunde hat Gold im Munde.‹

 

Am anderen Morgen besprachen wir noch einmal die Sache, doch war ich von seinem Weihrauch beinahe erstickt. Und der Alte gab mir folgende Anweisung: In Bjelew angekommen, sollte ich mich sofort auf den Marktplatz begeben und im zweiten Laden rechter Hand nach einem gewissen Prochorytsch fragen. Und diesem Prochorytsch sollte ich ein Handschreiben übergeben. Dieses Handschreiben bestand aus einem Papierfetzen, auf dem folgendes geschrieben war: ›Im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiliges Geistes. Amen. An Ssergej Prochorowitsch Perwuschin. Traue diesem. Feodul Iwanowitsch.‹ Und unten stand noch: ›Schick mir Kraut, um Christi Willen.‹

Ich dankte dem Alten, ließ sofort meinen Reisewagen anspannen und machte mich auf die Reise nach Bjelew. Denn ich sagte mir: obwohl mir mein nächtlicher Besucher eigentlich wenig Kummer zufügt, so ist die Sache doch etwas unheimlich und auch nicht ganz anständig für einen Adligen und Offizier – was meinen Sie?«

»Sind Sie denn wirklich nach Bjelew gereist?« flüsterte Herr Finoplentow.

»Geradewegs nach Bjelew. Ich ging auf den Marktplatz und fragte im zweiten Laden rechter Hand nach Prochorytsch: ›Gibt's hier so einen Menschen?‹ – ›So einen gibt es schon.‹ – ›Und wo wohnt er?‹ – ›An der Oka, hinter den Gemüsegärten.‹ – ›In wessen Haus?‹ – ›In seinem eigenen.‹ Ich ging also zur Oka und fand sein Haus; es war eigentlich kein Haus, sondern eine baufällige Hütte. Ich sehe einen Mann in blauem geflicktem Kittel und zerrissener Mütze; wie ein Kleinbürger sieht er aus. Er steht mit dem Rücken zu mir und gräbt in seinem Krautgarten. Ich gehe auf ihn zu. – ›Sind Sie der und der?‹ – Er wendet sich zu mir um, und ich muß Ihnen sagen, daß ich so durchdringende Augen noch nie gesehen habe. Im übrigen ist das ganze Gesicht so groß wie eine Faust; hat ein Ziegenbärtchen und eingefallene Lippen, mit einem Worte – ein alter Mann. – ›Ich bin der und der,‹ sagt er mir, ›und was wünschen Sie?‹ – ›Das werden Sie gleich erfahren,‹ sage ich und reiche ihm den Zettel. Er mustert mich sehr aufmerksam und sagt: ›Wollen Sie gefälligst in die Stube kommen; ohne Brille kann ich nicht lesen.‹ Wir gingen also zusammen in seine Hütte; es war tatsächlich eine Hütte: arm, kahl und schief; die Wände hielten sich kaum zusammen. An einer Wand hing ein uraltes Heiligenbild, schwarz wie Kohle; nur die Augen leuchteten darauf weiß. Er holte aus der Tischlade eine runde eiserne Brille, setzte sie sich auf die Nase, las das Sendschreiben und blickte mich noch einmal über die Brille hinweg an. – ›Haben Sie ein Anliegen?‹ – ›Richtig, ich habe ein Anliegen.‹ – ›Nun, wenn Sie ein Anliegen haben, so melden Sie mir alles, und ich werde zuhören.‹ – Stellen Sie sich vor: er setzt sich selbst hin, holt aus der Tasche ein kariertes Tuch und breitet es über seine Knie aus, – und das Tuch ist voller Löcher. Und sieht mich dabei so würdevoll an, wie ein Senator oder ein Minister; mich fordert er aber gar nicht zum Sitzen auf. Und was noch viel merkwürdiger ist: ich fühle plötzlich, daß ich ganz schüchtern werde; ich ersterbe förmlich. Er durchbohrt mich mit den Augen. Ich fasse mir jedoch ein Herz und erzähle ihm meine ganze Geschichte. Er schweigt eine Weile, rückt hin und her, kaut ein bißchen mit den Lippen und beginnt mich auszufragen, wieder wie ein Senator, so würdevoll und ohne sich zu übereilen. Wie ich heiße? Alter? Wer meine Eltern gewesen? Ob ich ledig sei oder verheiratet? – Dann kaut er wieder mit den Lippen, runzelt die Stirne, hebt einen Finger und sagt: – ›Verbeugen Sie sich zuerst vor dem Bilde der heiligen Bischöfe von Ssolowezk, Zosima und Sawwatius.‹ – Ich verbeugte mich bis zur Erde und blieb auf den Knien; ich fühlte in mir eine solche Furcht vor dem Manne und eine solche Demut, daß ich wohl alles getan hätte, was er mir auch befohlen haben würde!.. Ich sehe, meine Herren, Sie schmunzeln; mir war aber damals ganz anders zumute, bei Gott! – ›Stehen Sie auf, Herr,‹ sagte er schließlich. ›Ihnen kann geholfen werden. Dies ist Ihnen nicht als Strafe beschert, sondern als Warnung; es besteht wohl eine himmlische Fürsorge für Sie; wahrscheinlich betet jemand für Sie. Gehen Sie jetzt auf den Markt und kaufen Sie sich einen jungen Hund; diesen Hund halten Sie bei sich Tag und Nacht. Die Erscheinungen werden aufhören, und außerdem wird Ihnen der Hund nützlich sein.‹

Es war mir, als ob mir ein Licht aufginge; seine Worte machten mir große Freude! Ich verbeugte mich vor Prochorytsch und wollte gehen, als mir noch einfiel, daß ich mich ihm doch irgendwie erkenntlich zeigen müsse: ich zog aus dem Beutel einen Dreirubelschein. Er schob aber meine Hand von sich fort und sagte: ›Geben Sie das Geld in unsere Kapelle oder an die Armen, aber mein Dienst ist unentgeltlich.‹ Ich verbeugte mich wieder vor ihm, fast bis zum Boden, und begab mich sofort auf den Markt. Und denken Sie sich: kaum komme ich zu den Marktbuden, begegnet mir schon ein Kerl in einem Friesmantel und trägt unter dem Arm einen jungen Hühnerhund, zwei Monate alt, braun mit weißer Schnauze und weißen Vorderpfoten. ›Halt!‹ sage ich dem Mann: ›Was willst du für den Hund?‹ – ›Zwei Rubel.‹ – ›Da hast du drei Rubel!‹ Jener wundert sich und glaubt wohl, daß der Herr verrückt geworden sei; ich drücke ihm aber die Banknote in die Hand, nehme den Hund und steige sofort in den Reisewagen. Der Kutscher spannte rasch an, und am gleichen Abend war ich zu Hause. Der Hund saß auf dem ganzen Wege unter meinem Mantel und gab keinen Ton von sich; ich sagte ihm immer: ›Tresoruschka, Tresoruschka!‹ Zu Hause gab ich ihm sofort zu fressen und zu trinken, ließ Stroh bringen, richtete ihm das Lager und ging selbst zu Bett. Nun blies ich die Kerze aus; es wurde dunkel. ›Nun,‹ sage ich, ›fange an!‹ Es bleibt still. ›Fang doch an, du Teufelsvieh!‹ Kein Ton, wär's auch nur zum Scherz gewesen. Ich werde kühn: ›Fang' doch an, du verdammtes Höllenvieh!‹ Wieder kein Ton – es ist aus! Ich höre nur, wie mein Hund schnarcht. – ›Filjka!‹ schreie ich, ›Filjka! Komm doch her, du dummer Kerl!‹ Er kommt herein. – ›Hörst du den Hund?‹ – ›Nein,‹ sagt er, ›ich höre nichts, Herr,‹ und lacht selbst dabei. – ›Und wirst ihn auch nie wieder hören! Da hast du einen halben Rubel für Schnaps!‹ – ›Lassen Sie mich Ihre Hand küssen,‹ sagt der Narr und geht im Finstern auf mich los… Die Freude war wirklich groß, sage ich Ihnen.«

»Und damit war die Sache zu Ende?« fragte Anton Stepanowitsch, diesmal ganz ohne Ironie.

»Die Erscheinungen hörten wirklich auf, und ich hatte meine Ruhe; warten Sie aber: die Sache war damit noch nicht zu Ende. Mein Tresor begann zu wachsen, wurde so ein großer ungeschlachter Kerl, mit dicker Rute, langen Ohren, dicker Schnauze, – ein richtiger ›Pile avance.‹ Außerdem hing er ungewöhnlich an mir. Die Jagd ist in unserer Gegend schlecht; da ich aber schon einen Hund hatte, so schaffte ich mir auch ein Gewehr an. Ich fing an, mich mit meinem Tresor in der Umgegend herumzutreiben: manchmal erbeuteten wir einen Hasen (wie scharf er auf diese Hasen war, du lieber Himmel!), manchmal auch eine Wachtel oder eine Wildente. Aber was die Hauptsache war: Tresor folgte mir auf Schritt und Tritt, wo ich war, da war auch er; selbst ins Dampfbad nahm ich ihn mit, mein Ehrenwort! Eine von unseren Damen wollte mich wegen dieses Tresors aus ihrem Salon hinauswerfen lassen, aber ich machte einen großen Krach und schlug fast sämtliche Fensterscheiben kaput! Da ereignete es sich einmal im Sommer… Ich muß Ihnen sagen, es war ein so heißer und trockner Sommer, wie es seit Menschengedenken keinen solchen gegeben hat; die Luft war voll Rauch oder Nebel, es roch wie bei einem Brand, die Sonne hing im Dunst wie eine glühende Kugel, und vor lauter Staub kam man gar nicht aus dem Niesen! Die Menschen gingen mit offenen Mäulern wie die Krähen herum. Es war mir zu langweilig, immer den ganzen lieben Tag völlig entkleidet hinter verschlossenen Fensterläden zu Hause zu sitzen; auch nahm die Hitze ein wenig ab… Ich begab mich also zu einer meiner Nachbarinnen. Sie wohnte etwa eine Werst von mir und war eine recht angenehme Dame. Auch war sie noch jung, stand in der Blüte ihrer Jahre und hatte ein gewinnendes Äußere, nur war sie von höchst unbeständigem Charakter. Bei weiblichem Geschlecht ist das aber kein Unglück; ist sogar manchmal recht interessant… So kam ich zu ihrem Haus, – der Weg war aber bei der Hitze ein hartes Stück Arbeit! Nun, denke ich mir, Nymphodora Ssemjonowna wird mich wohl mit Preiselbeersirup laben, auch mit anderen süßen Sachen – und ich habe schon die Türklinke ergriffen, als sich plötzlich hinter der Gesindestube ein Stampfen, Winseln und Kindergeschrei erhebt… Ich blicke mich um. Du lieber Himmel! Gerade auf mich zu rennt ein riesengroßes rotes Tier, welches ich auf den ersten Blick gar nicht für einen Hund hielt: mit aufgerissenem Rachen, blutunterlaufenen Augen, gesträubten Haaren… Ich hatte noch nicht Zeit, Atem zu holen, als das Ungeheuer schon auf den Flur stürzt, sich auf die Hintertatzen stellt und mir an die Brust springt – denken Sie sich nur die Situation! Mir steht das Herz still, kann nicht einmal die Hände rühren, bin völlig erstarrt… ich sehe nur die furchtbaren weißen Hauer dicht vor meiner Nase, die rote schaumbedeckte Zunge… Doch im gleichen Augenblick erhebt sich vor mir ein anderer dunkler Körper, er springt in die Höhe wie ein Gummiball; es war mein lieber Tresor, er kam mir zu Hilfe und biß sich wie ein Blutegel dem anderen, dem Ungeheuer, in die Kehle fest. Jener röchelte, knirschte mit den Zähnen und prallte zurück… Ich reiße in einem Nu die Türe auf und bin schon im Vorzimmer. So stehe ich fast besinnungslos da, stemme mich mit meinem ganzen Körper gegen die Türe und höre, wie draußen eine verzweifelte Schlacht vor sich geht. Ich beginne zu schreien, nach Hilfe zu rufen; das ganze Haus gerät in Aufruhr. Nymphodora Ssemjonowna kommt mit aufgelösten Zöpfen herbeigerannt, draußen schreien viele Stimmen durcheinander, und plötzlich hört man: ›Haltet ihn, haltet ihn, sperrt das Tor zu!‹ – Ich öffne ein klein wenig die Türe und sehe: das Ungeheuer ist nicht mehr auf dem Flur, die Leute rennen auf dem Hofe umher, fuchteln mit den Armen, heben Holzscheite vom Boden auf – sind alle wie besessen – ›Nach dem Dorf! Nach dem Dorf ist er fortgerannt!‹ kreischt ein Weib in einem Kopfputze von ungewöhnlichen Dimensionen, sich aus einem Bodenfenster herausreckend. Ich ging wieder in den Hof. – ›Wo ist mein Tresor?‹ Und im gleichen Augenblick erblickte ich meinen Retter. Er kommt vom Tore her, hinkt, ist ganz zerbissen und blutig… – ›Was ist denn eigentlich los?‹ frage ich die Leute; die rennen aber noch immer wie besessen auf dem Hofe umher. – ›Ein toller Hund!‹ antwortete man mir schließlich. ›Er gehört dem Grafen… Seit gestern treibt er sich hier herum.‹

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