Inhaltsverzeichnis
Die Schatzinsel
I – Der alte Freibeuter
Erstes Kapitel – Der alte Seehund im »Admiral Benbow«
Zweites Kapitel – Der Schwarze Hund erscheint und verschwindet wieder
Drittes Kapitel – Der schwarze Fleck
Viertes Kapitel – Die Schifferkiste
Fünftes Kapitel – Der Tod des Blinden
Sechstes Kapitel – Des Kapteins Papiere
II – Der Schiffskoch
Siebentes Kapitel – Ich gehe nach Bristol
Achtes Kapitel – Die Wirtschaft ›Zum Fernrohr‹
Neuntes Kapitel – Pulver und Waffen
Zehntes Kapitel – Die Seefahrt
Elftes Kapitel – Was ich in der Apfeltonne hörte
Zwölftes Kapitel – Kriegsrat
III – Mein Abenteuer an Land
Dreizehntes Kapitel – Der Anfang meines Landabenteuers
Vierzehntes Kapitel – Der erste Schlag
Fünfzehntes Kapitel – Der Inselmann
IV – Das Blockhaus
Sechzehntes Kapitel – Der Doktor setzt die Erzählung fort: Wie das Schiff aufgegeben wurde
Siebzehntes Kapitel – Fortsetzung der Erzählung des Doktors: Die letzte Fahrt der Jolle
Achtzehntes Kapitel – Fortsetzung der Erzählung des Doktors: Der Ausgang des Gefechtes am ersten Tage
Neunzehntes Kapitel – Jim Hawkins nimmt die Erzählung wieder auf: Die Garnison im Pfahlwerk
Zwanzigstes Kapitel – Silver als Parlamentär
Einundzwanzigstes Kapitel – Der Angriff
V – Mein Seeabenteuer
Zweiundzwanzigstes Kapitel – Der Beginn meines Seeabenteuers
Dreiundzwanzigstes Kapitel – Die Ebbströmung
Vierundzwanzigstes Kapitel – Die Irrfahrt des Korakels
Fünfundzwanzigstes Kapitel – Ich hole den Jolly Roger herunter
Sechsundzwanzigstes Kapitel – Israel Hands
Siebenundzwanzigstes Kapitel – »Piaster!«
VI – Kapitän Silver
Achtundzwanzigstes Kapitel – Im feindlichen Lager
Neunundzwanzigstes Kapitel – Noch einmal der schwarze Fleck
Dreißigstes Kapitel – Auf mein Ehrenwort
Einunddreißigstes Kapitel – Die Schatzsuche; Flints Wegweiser
Zweiunddreißigstes Kapitel – Die Schatzsuche; die Stimme in den Bäumen
Dreiunddreißigstes Kapitel – Der Sturz eines Piratenhäuptlings
Vierunddreißigstes Kapitel – Schluß
Catriona
Widmung
Zusammenfassender Bericht über die früheren Abenteuer des Helden, wie sie in der Erzählung »David Balfour von Shaw« dargestellt sind
Erster Teil – Der Lord Staatsanwalt
Erstes Kapitel – Ein Bettler zu Pferde
Zweites Kapitel – Der Hochlandsadvokat
Drittes Kapitel – Ich gehe nach Pilrig
Viertes Kapitel – Der Lord Staatsanwalt Prestongrange
Fünftes Kapitel – Im Hause des Staatsanwalts
Sechstes Kapitel – Weiland Herr von Lovat
Siebentes Kapitel – Ich verstoße gegen mein Ehrenwort
Achtes Kapitel – Der Bravo
Neuntes Kapitel – Die Heide brennt
Zehntes Kapitel – Der Rothaarige
Elftes Kapitel – Der Wald bei Silvermills
Zwölftes Kapitel – Wieder auf dem Marsch mit Alan
Dreizehntes Kapitel – Gillane Sands
Vierzehntes Kapitel – Die Insel Baß
Fünfzehntes Kapitel – Was der Schwarze Andie von Tod Lapraik erzählte
Sechzehntes Kapitel – Der fehlende Zeuge
Siebzehntes Kapitel – Die Denkschrift
Achtzehntes Kapitel – Der Schwungball
Neunzehntes Kapitel – Ich bin viel in den Händen der Damen
Zwanzigstes Kapitel – Ich fahre fort, mich in guter Gesellschaft zu bewegen
Zweiter Teil – Vater und Tochter
Einundzwanzigstes Kapitel – Die Reise nach Holland
Zweiundzwanzigstes Kapitel – Helvoetsluys
Dreiundzwanzigstes Kapitel – Wanderungen durch Holland
Vierundzwanzigstes Kapitel – Ausführliche Geschichte eines Exemplars Heineccius
Fünfundzwanzigstes Kapitel – Die Rückkehr James Mores
Sechsundzwanzigstes Kapitel – Zu Dritt
Siebenundzwanzigstes Kapitel – Zu zweit
Achtundzwanzigstes Kapitel – In welchem ich allein gelassen werde
Neunundzwanzigstes Kapitel – Wir treffen uns in Dünkirchen
Dreißigstes Kapitel – Der Brief von dem Schiffe
Schluß
Das Flaschenteufelchen
Der Junker von Ballantrae
Erstes Kapitel – Die Ereignisse während der Irrfahrten des Junkers
Zweites Kapitel – Die Ereignisse während der Irrfahrten des Junkers (Fortsetzung)
Drittes Kapitel – Die Irrfahrten des Junkers (Aus den Memoiren des Chevalier de Burke)
Viertes Kapitel – Die Verfolgungen, die Mr. Henry erdulden mußte
Fünftes Kapitel – Bericht über alle Ereignisse, die sich in der Nacht des 27. Februar 1757 zutrugen
Sechstes Kapitel – Bericht über die Ereignisse während der zweiten Abwesenheit des Junkers
Siebentes Kapitel – Abenteuer des Chevalier Burke in Indien (Auszug aus seinen Memoiren)
Achtes Kapitel – Der Feind im Hause
Neuntes Kapitel – Mr. Mackellars Reise mit dem Junker
Zehntes Kapitel – Begebenheiten in New York
Elftes Kapitel – Die Irrfahrten in der Wildnis
Zwölftes Kapitel – Die Irrfahrten in der Wildnis (Fortsetzung)
Der Schatz von Franchard
Erstes Kapitel – Bei dem sterbenden Gaukler
Zweites Kapitel – Eine Morgenunterhaltung
Drittes Kapitel – Die Adoption
Viertes Kapitel – Die Erziehung zum Philosophen
Fünftes Kapitel – Der Schatz wird gefunden
Sechstes Kapitel – Eine Kriminaluntersuchung in zwei Teilen
Siebtes Kapitel – Der Fall des Hauses Desprez
Achtes Kapitel – Der Lohn des Philosophie
Der Selbstmordklub
Erstes Kapitel – Der Selbstmordklub
Zweites Kapitel – Der Arzt und der Reisekoffer
Drittes Kapitel – Das öde Haus
Der Strand von Falesa
Eine Südsee-Hochzeit
Der Bann
Der Missionar
Teufelswerk
Nacht im Busch
Des Rajahs Diamant
Erstes Kapitel – Frau von Vandeleurs Privatsekretär
Zweites Kapitel – Die Geschichte des Gottesmannes
Drittes Kapitel – Das Haus mit den grünen Jalousien
Die Herren von Hermiston
Vorwort
1 – Leben und Sterben von Mrs. Weir
2 – Vater und Sohn
3 – Betrifft das Hängen von Duncan Jopp
4 – Ansichten des Richterkollegiums
5 – Winter auf den Mooren
I. In Hermiston
II. Kirstie
III. Eine Familie aus den Grenzlanden
6 – Ein Blatt aus Christinas Gesangbuch
7 – Eintritt Mephistopheles'
8 – Ein nächtlicher Besuch
9 – Neben des Webers Stein
Nachwort des englischen Herausgebers
Wie Stevensons reifstes Werk entstand – Biographische Aufzeichnungen von Frau Francis Stevenson
Die Insel der Stimmen
Die krumme Janet
Die tollen Männer
Erstes Kapitel – Eileen Aros
Zweites Kapitel – Was das Wrack nach Aros brachte
Drittes Kapitel – Land und See in der Bucht von Sandag
Viertes Kapitel – Der Sturm
Fünftes Kapitel – Ein Mann aus dem Meere
Entführt
Kapitel I – Ich mache mich auf, um nach dem Hause der Shaws zu reisen
Kapitel II – Ich gelange an das Endziel meiner Reise
Kapitel III – Ich mache die Bekanntschaft meines Onkels
Kapitel IV – Ich laufe eine große Gefahr im Hause meines Onkels
Kapitel V – Ich gehe nach Queen's Ferry
Kapitel VI – Was sich in Queen's Ferry ereignete
Kapitel VII – Ich gehe zur See auf dem Segler Covenant von Dysart
Kapitel VIII – Die Offizierskajüte
Kapitel IX – Der Mann mit dem goldenen Gürtel
Kapitel X – Die Belagerung der Offizierskajüte
Kapitel XI – Der Kapitän gibt nach
Kapitel XII – Ich höre zum erstenmal vom »Rotfuchs«
Kapitel XIII – Der Untergang des Schiffes
Kapitel XIV – Die Insel
Kapitel XV – Der Bursche mit dem Silberknopf: Auf der Insel Mull
Kapitel XVI – Der Bursche mit dem Silberknopf: Quer durch Morven
Kapitel XVII – Rotfuchsens Tod
Kapitel XVIII – Ich spreche mit Alan im Wald von Lettermore
Kapitel XIX – Das Haus des Schreckens
Kapitel XX – Die Flucht über die Heide: Die Felsen
Kapitel XXI – Die Flucht über die Heide: Das Moor
Kapitel XXII – Clunys Höhle
Kapitel XXIII – Die Flucht über die Heide: Der Streit
Kapitel XXIV – Ende der Flucht: Wir passieren den Forth
Kapitel XXV – Ich komme zu Herrn Rankeillor
Kapitel XXVI – Auf der Suche nach meiner Erbschaft
Kapitel XXVII – Ich gelange in mein Königreich
Kapitel XXVIII – Das Lebewohl
In der Südsee
Vorwort
Erster Teil. Die Marquesas
Erstes Kapitel – Die Landung
Zweites Kapitel – Unsere neuen Freunde
Drittes Kapitel – Der Verbannte
Viertes Kapitel – Tod
Fünftes Kapitel – Entvölkerung
Sechstes Kapitel – Häuptlinge und Tabus
Siebentes Kapitel – Hatiheu
Achtes Kapitel – Der Haupthafen
Neuntes Kapitel – Das Haus Temoana
Zehntes Kapitel – Ein Charakterbild und eine Geschichte
Elftes Kapitel – Langschwein – Ein Hochsitz des Kannibalismus
Zwölftes Kapitel – Die Geschichte einer Pflanzung
Dreizehntes Kapitel – Charaktere
Vierzehntes Kapitel – Ein Kannibalental
Fünfzehntes Kapitel – Die beiden Häuptlinge von Atuona
Zweiter Teil. Die Paumotu-Inseln
Erstes Kapitel – Der gefährliche Archipel – Atolle in der Nähe
Zweites Kapitel – Fakarava: Auf einem Atoll
Drittes Kapitel – Ein Haus zu vermieten auf einer niedrigen Insel
Viertes Kapitel – Sitten und Sekten auf den Paumotus
Fünftes Kapitel – Ein paumotuanisches Begräbnis
Sechstes Kapitel – Friedhofgeschichten
Dritter Teil. Die Gilbert-Inseln
Erstes Kapitel Butaritari
Zweites Kapitel – Die vier Brüder
Drittes Kapitel – Rund um unser Haus
Viertes Kapitel – Geschichte eines Tabus
Fünftes Kapitel – Geschichte eines Tabus (Fortsetzung)
Sechstes Kapitel – Das fünftägige Fest
Siebentes Kapitel – Mann und Frau
Vierter Teil. Die Gilbert-Inseln: Apemama
Erstes Kapitel – Der König von Apemama, ein königlicher Händler
Zweites Kapitel – Der König von Apemama: Die Gründung von Equatorstadt
Drittes Kapitel – Der König von Apemama: Der Palast der vielen Frauen
Viertes Kapitel – Der König von Apemama: Equatorstadt und der Palast
Fünftes Kapitel – Der König und sein Volk
Sechstes Kapitel – Der König von Apemama: Teufelswerk
Siebentes Kapitel – Der König von Apemama
Markheim
Will von der Mühle
Die Ebene und die Sterne
Pastors Marjory
Tod
Fußnoten
Die Schatzinsel
I Der alte Freibeuter
Erstes KapitelDer alte Seehund im »Admiral Benbow«
Gutsherr Trelawney, Dr. Livesey und die übrigen Herren haben mich gebeten, unsere Fahrt nach der Schatzinsel vom Anfang bis zum Ende zu beschreiben, und dabei nichts zu verschweigen als die genaue Lage der Insel, und zwar auch dies nur deshalb, weil noch jetzt ungehobene Schätze dort vorhanden sind. So ergreife ich die Feder in diesem Jahre des Heils 17.. und versetze mich zurück in die Zeit, als mein Vater den Gasthof zum »Admiral Benbow« hielt, und als der braungebrannte alte Seemann mit der Säbelnarbe im Gesicht zuerst unter unserem Dache Wohnung nahm.
Ich erinnere mich, wie wenn es gestern gewesen wäre, des Mannes: wie er in die Tür unseres Hauses hereinkam, während seine Schifferkiste ihm auf einem Schiebkarren nachgefahren wurde – ein großer, starker, schwerer, nußbrauner Mann; sein teeriger Zopf hing ihm im Nacken über seinen fleckigen blauen Rock herunter; seine Hände waren schwielig und rissig mit abgebrochenen, schwarzen Fingernägeln, und der Säbelschmiß, der sich über die eine Wange hinzog, war von schmutzig-weißer Farbe. Er sah sich im Schenkzimmer um und pfiff dabei vor sich hin, und dann stimmte er das alte Schifferlied an, das er später so oft sang:
Fünfzehn Mann bei des Toten Kist' –
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
in der zitterigen, hohen Stimme, die so klang, wie wenn eine Ankerwinde gedreht würde. Dann schlug er mit einem Knüppel, so dick wie eine Handspeiche, gegen die Tür, und als mein Vater erschien, verlangte er barsch ein Glas Rum. Als dieses ihm gebracht worden war, trank er es langsam aus, wie ein Kenner, mit der Zunge den Geschmack nachprüfend, und dabei sah er sich durch das Fenster die Strandklippen und unser Wirtsschild an. Schließlich sagte er:
»Das ist 'ne nette Bucht und 'ne angenehm gelegene Grogkneipe. Viel Gesellschaft, Maat?«
Mein Vater sagte ihm, Gesellschaft käme leider nur sehr wenig.
»So? Na, dann ist das die richtige Stelle für mich. Heda, Ihr, mein Mann!« rief er dem Mann zu, der den Handkarren schob: »Ladet mal meine Kiste ab und bringt sie nach oben! Hier will ich ein bißchen bleiben! Ich bin ein einfacher Mann – Rum und Speck und Eier, weiter brauche ich nichts; und außerdem die Klippe da draußen, um die Schiffe zu beobachten. Wie Sie mich nennen könnten? Kaptein können Sie mich nennen. Ach so – ich sehe schon, worauf Sie hinauswollen – da!« und er warf drei oder vier Goldstücke auf den Tisch. »Wenn ich das verzehrt habe, können Sie mir Bescheid sagen!« rief er, und dabei sah er so stolz aus wie ein Admiral.
Und in der Tat – so schlecht seine Kleider waren und so gemein seine Sprechweise, er sah durchaus nicht wie ein Mann aus, der vor dem Mast fuhr, sondern war offenbar ein Steuermann oder ein Schiffer, der gewohnt war, daß man ihm gehorchte, oder sonst gab's Prügel. Der Mann, der den Schiebkarren gefahren hatte, sagte uns, die Postkutsche hätte ihn am Tag vorher am Royal George abgesetzt; er hätte sich erkundigt, was für Gasthöfe an der Küste wären, und als er gehört hätte, daß man unser Haus lobte, – und besonders, so vermute ich wenigstens, als man es ihm als einsam gelegen beschrieb – hätte er beschlossen, bei uns Aufenthalt zu nehmen. Und das war alles, was wir über unseren Gast erfahren konnten.
Er war ein schweigsamer Mann. Den ganzen Tag lungerte er an der Bucht oder auf den Klippen herum und sah durch sein Messingfernrohr über See und Strand; den ganzen Abend aber saß er in einer Ecke der Schenkstube ganz dicht am Feuer und trank Rum und Wasser, und zwar eine sehr steife Mischung. Wenn jemand ihn anredete, antwortete er für gewöhnlich nicht, sondern sah nur plötzlich mit einem wütenden Blick auf und blies durch seine Nase wie durch ein Nebelhorn; und wir und unsere Besucher merkten bald, daß man ihn dann in Ruhe lassen mußte. Jeden Tag, wenn er von seinen Gängen zurückkam, fragte er, ob Seeleute auf der Landstraße vorübergekommen wären. Anfangs dachten wir, er fragte, weil er sich nach Gesellschaft von Kameraden sehnte; schließlich aber merkten wir, daß er im Gegenteil es zu vermeiden wünschte. Wenn ein Seemann im »Admiral Benbow« einkehrte – wie es ab und zu geschah, wenn Leute auf der Küstenstraße nach Bristol gingen – so sah er sich ihn durch das verhängte Fensterchen in der Tür an, bevor er die Schenkstube betrat; und wenn solch ein Seemann anwesend war, verhielt er sich immer mäuschenstille. Vor mir suchte er auch kein Geheimnis aus der Sache zu machen, sondern er beteiligte mich im Gegenteil gewissermaßen an seiner Unruhe. Er hatte mich nämlich eines Tages beiseite genommen und mir versprochen: er wollte mir am Ersten jeden Monats ein silbernes Vier-Penny-Stück geben, wenn ich bloß »mein Wetterauge offen halten wollte nach einem Seemann mit nur einem Bein«, und wenn ich ihm, sobald der auftauchte, augenblicklich Bescheid geben wollte. Wenn nun der Monatserste da war und ich meinen Lohn von ihm verlangte, dann kam es oft genug vor, daß er nur durch die Nase blies und mich mit einem wütenden Blick ansah; aber bevor die Woche zu Ende war, hatte er es sich jedesmal besser überlegt: er brachte mir das Vier-Penny-Stück und wiederholte seinen Befehl, »nach dem Seemann mit dem einen Bein Ausguck zu halten«.
Wie dieser Seemann mich in meinen Träumen verfolgte, brauche ich kaum zu sagen. In stürmischen Nächten, wenn der Wind die vier Ecken unseres Hauses schüttelte und die Brandung in der Bucht gegen die Klippen donnerte, sah ich ihn in tausend Gestalten und mit tausend teuflischen Gesichtern. Bald war das Bein am Knie abgenommen, bald dicht an der Hüfte; dann wieder war er ein ungeheuerliches Geschöpf, das immer nur ein einziges Bein gehabt hatte, und zwar mitten unter dem Rumpf. Ihn zu sehen, wie er sprang und lief und mich über Gräben und Hecken verfolgte, das war für mich der fürchterlichste Nachtmahr. So mußte ich eigentlich mein monatliches Vier-Penny-Stück recht teuer bezahlen, denn ich bekam dafür diese gräßlichen Traumgesichte in den Kauf.
Wenn ich vor dem einbeinigen Seemann eine schreckliche Angst hatte, so hatte ich dafür vor dem Kaptein selber weniger Furcht als andere, die ihn kannten. An manchen Abenden nahm er mehr Rum und Wasser zu sich, als sein Kopf vertragen konnte; dann saß er zuweilen, ohne sich um irgendeinen Menschen zu bekümmern, und sang seine ruchlosen alten wilden Schifferlieder; zuweilen aber bestellte er Runden und zwang die ganze zitternde Gesellschaft, seine Geschichten anzuhören oder als Chor in seine Lieder einzufallen. Oft zitterte das Haus von dem »Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum«; alle Nachbarn stimmten aus voller Kehle ein, mit einer Todesangst im Leibe, und einer sang noch lauter als der andere, damit nur der Kaptein keine Bemerkungen machte. Denn wenn er diese Anfälle hatte, war er der ungemütlichste Gesellschafter von der Welt; dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und gebot Ruhe; wenn irgendeine Zwischenfrage gestellt wurde, regte er sich fürchterlich auf – manchmal aber noch mehr, wenn keine Frage gestellt wurde, weil er dann glaubte, die Gesellschaft hörte nicht auf seine Geschichte. An solchen Abenden durfte keiner die Schenkstube verlassen, bis er selber vom Trinken schläfrig geworden war und ins Bett taumelte.
Am meisten Angst machte er den Leuten mit seinen Geschichten. Und fürchterliche Geschichten waren es allerdings: von Hängen, über die Planke gehen lassen, von Stürmen auf hoher See, und von den Schildkröteninseln, und von wilden Gefechten und Taten, und von Häfen in den westindischen Gewässern. Nach seinen eigenen Berichten mußte er unter den größten Verbrechern gelebt haben, die Gott jemals zur See gehen ließ; und die Worte, in denen er diese Geschichten erzählte, entsetzten unsere guten Landleute beinahe ebensosehr wie die Verbrechen, von denen sie handelten. Mein Vater sagte fortwährend: unser Gasthof werde zugrunde gerichtet werden, denn die Leute würden bald nicht mehr kommen, um sich anschnauzen und niederducken zu lassen und dann mit zitternden Gebeinen zu Bett zu gehen. Aber ich glaube, daß in Wirklichkeit seine Anwesenheit uns Vorteil brachte. Die Leute grauelten sich allerdings, aber in der Rückerinnerung hatten sie die Geschichten eigentlich gern; es war eine angenehme Aufregung in ihrem stillen Landleben. Unter den jüngeren Leuten gab es sogar eine Partei, die voll Bewunderung von ihm sprach. Sie nannten ihn »einen echten Seehund« und »eine richtige alte Teerjacke« und so ähnlich und sagten, das wären gerade die Leute, die England so gefürchtet zur See machten. In einer Beziehung richtete allerdings der Kaptein uns zugrunde: er blieb eine Woche nach der anderen, so daß die Goldstücke, die er auf den Tisch geworfen hatte, längst verrechnet waren; aber mein Vater konnte sich niemals ein Herz fassen und mehr Geld von ihm verlangen. Sobald er eine leichte Anspielung machte, blies der Kaptein so laut durch die Nase, daß es beinahe ein Brüllen war, und sah meinen Vater so wütend an, daß dieser die Schenkstube verließ. Ich habe ihn nach solcher Abweisung die Hände ringen sehen, und ich bin überzeugt, daß der Verdruß über seinen Gast und die Angst, worin er lebte, seinen allzu frühen unglücklichen Tod sehr beschleunigt haben.
Während der ganzen Zeit, daß der Kaptein bei uns wohnte, trug er immer denselben Anzug; niemals änderte er etwas daran, nur einmal kaufte er Strümpfe von einem Hausierer. Als eine von den Krempen seines Hutes sich losgelöst hatte und herunterhing, ließ er ihn so, wie er war, obwohl diese Krempe ihn bei starkem Wind sehr belästigte. Ich sehe vor meinen Augen noch seinen Rock, auf den er selber oben in seinem Zimmer einen Flicken setzte, sooft er das für nötig hielt; schließlich bestand der ganze Rock nur aus Flicken. Niemals schrieb er einen Brief, niemals empfing er einen; er sprach mit keinem Menschen ein Wort außer mit den Nachbarn, die zu uns in die Wirtschaft kamen, auch mit diesen gewöhnlich nur, wenn er zuviel Rum getrunken hatte. Seine große Schifferkiste hatte keiner von uns jemals offen gesehen.
Nur ein einziges Mal wagte ein Mensch, ihm über den Mund zu fahren, und das geschah erst in der letzten Zeit, als mein armer Vater schon sehr krank und dem Tode nahe war. Doktor Livesey kam eines Nachmittags zu später Stunde, um noch nach dem Kranken zu sehen; meine Mutter setzte ihm ein bißchen zu essen vor, und dann ging er in die Schenkstube, um eine Pfeife zu rauchen, bis sein Pferd vom Dorf zurückgebracht würde; denn wir hatten im alten »Admiral Benbow« keine Stallung. Ich ging mit dem Doktor in die Schenkstube, und ich erinnere mich noch, daß mir der Unterschied zwischen dem sauberen, munteren Doktor mit seiner schneeweiß gepuderten Perücke, seinen hellen, schwarzen Augen und seinem liebenswürdigen Benehmen und den plumpen Landleuten auffiel, besonders aber der Gegensatz zu dem schmutzigen, zerlumpten alten Piraten, der stark angetrunken hinter seinem Tische saß und die Ellenbogen aufgestützt hatte. Plötzlich begann er, der Kaptein nämlich, sein ewiges Lied zu brüllen:
Fünfzehn Mann bei des Toten Kist' –
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
Suff und der Teufel holten den Rest –
Johoho, und 'ne Buddel, Buddel Rum!
Anfangs hatte ich vermutet, »des Toten Kist'« sei die große Schifferkiste oben im Vorderzimmer, und ich hatte sie in meinen Träumen mit dem einbeinigen Schiffer in Verbindung gebracht. Inzwischen aber hatten wir alle schon längst aufgehört, auf sein Singen zu achten; an diesem Abend war das Lied nur dem Dr. Livesey neu, und ich bemerkte, daß es auf ihn keinen angenehmen Eindruck machte; denn er sah einen Augenblick ganz ärgerlich aus, bevor er in seinem Gespräch mit dem alten Gärtner Taylor fortfuhr, mit dem er sich über ein neues Mittel gegen das Gliederreißen unterhielt. Der Kapitän wurde bei seinem eigenen Lied lustig und schlug schließlich mit der Faust vor sich auf den Tisch; wir alle wußten, daß er damit den Anwesenden Schweigen befehlen wollte. Alle hörten sofort auf zu sprechen – mit Ausnahme des Dr. Livesey; der sprach ruhig weiter, indem er zwischen jedem zweiten oder dritten Wort einen kurzen Zug aus seiner Pfeife tat. Eine Weile starrte der Kaptein ihn an, schlug wieder mit der flachen Hand auf den Tisch, starrte ihn noch grimmiger an und schrie endlich mit einem gemeinen Fluch:
»Stille da unter Deck!«
»Sagten Sie etwas zu mir, Herr?« sagte der Doktor.
Und als der Kerl mit einem neuen Fluch ihm sagte, das wäre allerdings der Fall, antwortete der Arzt:
»Ich habe Ihnen nur eins zu sagen, Herr: wenn Sie mit dem Rumtrinken so weiter machen, wird die Welt bald von einem sehr dreckigen Schuft befreit sein!«
Die Wut des alten Burschen war schrecklich anzusehen. Er sprang auf, zog ein Matrosen-Klappmesser, öffnete es, schwang es auf der offenen Handfläche und drohte dem Doktor, er werde ihn an die Wand spießen.
Der aber rührte sich nicht einmal. Er sprach wie bisher über die Schulter weg zum Kaptein und sagte mit der gleichen ruhigen Stimme, ziemlich laut, so daß alle im Zimmer ihn hören konnten, aber ganz gelassen:
»Wenn Ihr nicht augenblicklich das Messer in die Tasche steckt, so gebe ich Euch mein Wort darauf: nach der nächsten Gerichtssitzung hängt Ihr am Galgen!«
Dann kreuzten ihre Blicke sich; aber der Kaptein gab bald klein bei, steckte seine Waffe ein und setzte sich wieder hin, wobei er wie ein geprügelter Hund knurrte. »Und nun noch eins, mein Mann!« fuhr der Doktor fort: »Da ich jetzt weiß, daß solch ein Bursche in meinem Bezirk ist, so könnt Ihr Euch darauf verlassen, daß ich Tag und Nacht ein Auge auf Euch haben werde. Ich bin nicht nur Arzt, ich bin auch Beamter; und wenn ich auch nur die leiseste Beschwerde über Euch höre – wär's auch bloß wegen einer Unhöflichkeit wie heute abend –, so werde ich dafür zu sorgen wissen, daß man Euch an dem Kragen nimmt und abschiebt. Und damit genug!«
Bald darauf wurde Dr. Liveseys Pferd gebracht, und er ritt ab; der Kaptein aber war an diesem Abend still und tat noch viele Abende hinterher den Mund nicht auf.
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