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Südamerika

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Vor uns hatten wir aber am nächsten Tag, am Mittwoch den 18. Juli, ein ziemlich hartes Stück Arbeit, wir mußten heute die Cordilleren übersteigen, und schon von der Casucha selbst aus lief es steil bergan; damit war denn aber auch, aller Aussagen nach, das Schwerste überwunden, und wir gingen deßhalb mit freudigem Muth und mit Tagesanbruch an die Arbeit. Und Arbeit war es wirklich, noch dazu ein recht saures, schweres Stück, denn die Höhe wollte kein Ende nehmen, und immer, wenn wir schon den Gipfel erreicht zu haben, glaubten, lagen noch andere, weit höhere Schichten über uns. Dabei fing der Schnee an dieser steilen Hügelwand an zu thauen und gab unter dem Fuße nach, und kamen wir ja einmal auf eine gänzlich von Schnee freie Stelle, die Sonne, Regen oder Sturm gereinigt hatte, dann konnten wir gar kaum fortkommen, denn der bröckliche nasse Steinboden wich unter den Füßen und war noch viel schlüpfriger als der Schnee selber.

Eine Stelle besonders, viele viele hundert Schritt hoch – fand ich durch Wetter und Luft wunderlich zugerichtet – der Schnee lag hier zu sehr geschützt vor dem Wind, ganz zerstört zu seyn, aber die Witterung hatte doch Einfluß genug darauf ausgeübt die oberste Decke desselben förmlich in Stufen zu brechen, die sich, alle etwa zwei Fuß hoch, wie eine ungeheure Treppe an dem schroffen Hang hinaufzogen und da, wo sie hart genug waren den Körper zu tragen, das Fortschreiten sehr erleichterten, da aber wo sie nachgaben den Kletternden auch manchmal zur Verzweiflung brachten.

Der einzige Trost stand mir fortwährend vor Augen »das hier ist die letzte Kuppe – einmal diese Höhe erreicht, und das Schlimmste ist überstanden« und da uns jeder Schritt auch soviel höher brachte, konnte der Marsch ja nicht mehr ewig dauern. Endlich lag der höchste Gipfel nur noch wenige Klafter über mir, das Bewußtseyn gab mir fast neue Kräfte, und alle Müdigkeit von mir schüttelnd stand ich mit wenigen Sprüngen im nächsten Augenblick auf dem Gipfel der Cordilleren, auf der Scheidegrenze zweier Meere, dem Rückenmark eines ganzen ungeheuren Welttheils.

Ein herrliches Gefühl war es, als der Blick zum ersten Mal frei nach Westen hinüberschweifen konnte und weit hinaus, da drüben wo kein anderer Berg mehr die Aussicht dämmen durfte, den dunklen nebligen Horizont, das stille Meer, mehr empfand als erkannte, das wie ein anderer gewaltiger Gebirgsgürtel in seinem riesenhaften Umfang dem Auge gerade gegenüberlag, während, so dicht zu unserer Linken, daß es mir fast schien, als ob eine Büchsenkugel die starren Wände hätte erreichen müssen, der Tupungato die höchste Kuppe dieser südlichen Cordilleren noch fünf bis sechstausend Fuß über uns steil und schroff, die kühn gerissenen Wände dicht in Schnee gehüllt, emporstieg.

Dieser Paß soll 13,000 Fuß – der Tupungato über 18,000 Fuß über der Meeresfläche liegen.

Ich schlug die wollene Decke, die ich umgegürtet trug, fester um mich her, denn der Wind wehte hier oben gar scharf von der See her, warf mich auf einen der breitmächtigen Steine, die durch die über sie hingegangenen Stürme von Jahrtausenden weich und bröcklich geworden waren, und lange lange ruhte mein Blick – nicht auf den Gebirgen Chile’s, nicht auf dem herrlichen Panorama der um mich her und tief unter mir aufsteigenden Gebirgskuppen, die wie die starren Wogen eines Riesensees in den blauen Aether hineinstarrten – nein, auf der weiten Oede, die über den östlichen Bergen dem atlantischen Ocean zugestreckt lag, denn dort, weit zurück ließ ich die Heimath, ließ ich das Meer das sie umfloß, und wie, wann sollt ich das Alles wieder sehen?

Es war ein schöner, aber auch wehmüthiger Augenblick, den ich da oben auf dem Gipfel der Cordilleren verträumte, doch die Zeit verstrich, und rasch bergab keuchten schon die beiden Peons, die sich den Blixem um die Landschaft kümmerten.

Als ich mich wieder emporrichtete stand, wie zu dem Ort gehörig, ein stattlicher Condor fast in Steinwurfsnähe über mir und schlug mit den gewaltigen Flügeln die Luft, als er aber sah daß der Körper den er da unten erkannt, noch Leben und Bewegung habe, strich er langsam der scheidenden Sonne nach. Ich hätte es für Mord gehalten auf ihn zu schießen.

Die scheidende Sonne mahnte mich aber auch, daß ich auf ein Nachtlager denken müsse, und das lag noch dort unten in bläulicher Finsterniß, tief zwischen den zackigen Schneegipfeln, die aus der jäh abschießenden Thalschlucht finster zu mir heraufdrohten – die beiden Burschen waren mit ihren Packen auch schon lang dahinter verschwunden, und allein stand ich noch immer lange, lange, und mußte mich zuletzt gewaltsam losreißen von dieser Stelle, an der ich einen Tag hätte verleben mögen.

Gerade mit dieser Stelle ist aber auch selten zu spaßen, und ich hörte später, daß ich den Uebergang gar ausgezeichnet getroffen hätte. Gewöhnlich weht hier oben ein fliegender Sturm, und im Sommer besonders danken die Reisenden manchmal Gott, wenn sie die wenigen Schritte die über diese äußerste Kuppe führen, hinter sich haben. Oben liegt auch in der That nicht die Probe von Schnee und Boreas hält seinen Tanzplatz gar rein und saubergekehrt; nur wenige Fuß hinunter aber, und der Schnee beginnt wieder, und jetzt zwar, in den engen Schluchten in solcher Tiefe daß die nächste Casucha die wir erreichten, bis an die Schwelle eingeschneit war.

Wer übrigens weiß was es sagen will ermüdet einen steilen Berg hinabzusteigen, der kann sich ungefähr denken, wie mir zu Muthe seyn mochte, als ich die Cordilleren kaum mit Mühe und Noth erklommen, wieder hinunter mußte. Meinen Körper hatte ich dabei wohl auch in der letzten Zeit etwas zu sehr angestrengt, denn wir waren kaum eine Stunde, aber fortwährend so steil daß Gefahr im Ausgleiten schien, hinabgestiegen, als mir die Glieder förmlich den Dienst versagten, und ich mich mehrmals auf den Schnee niederwerfen mußte, um nur in etwas wieder Kräfte zu sammeln. Mir wurde dabei schwindlich und übel, und ich fürchtete wirklich schon krank zu werden. Das Wörtchen muß ist aber ein vortreffliches Heilmittel; die Peons kehrten sich den Henker um mich, ob ich im Schnee da liegen blieb oder nachkam, und wollt’ ich dort nicht allein übernachten und – die nothwendige Folge – jedenfalls erfrieren, so mußte ich mich schon zusammenraffen und meine letzten Kräfte brauchen. Es ging auch endlich, und mein einziger Trost dabei war die Aussicht die nächste, nur eine Legua entfernte Casucha bald zu erreichen, und dann bei einem Becher recht heißen Thees den erschöpften Körper in etwas zu stärken. Mit Dunkelwerden erreichten wir die Casucha, aber großer Gott was für ein Aufenthalt. Als ob Vieh und Menschen darin gelagert hätten, so sah der Platz aus, und so roch er, und dicht, ganz dicht vor der Thür lag noch, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, ein gefallenes und halb schon von den Geiern verzehrtes, halb angegangenes Maulthier. Und da sollten wir übernachten? – War das ein Aufenthalt für Menschen? – Es blieb aber keine andere Wahl, die nächste, ebenfalls eine Legua entfernte Casucha hatte kein Wasser (und Schneewasser hat einen schauerlichen Geschmack Thee daraus zu kochen) und zwei Leguas, noch dazu bei Nacht, und die steilen Berge hinunter, wären wir gar nicht mehr im Stande gewesen zu erzwingen; es ging nicht anders, wir mußten dableiben.

Mit Ekel machte ich mir mein Lager in der entferntesten Ecke, und rief den Peons dann zu ein Feuer anzuzünden und den Kocher mit Wasser hinanzustellen – lieber Gott, Feuer – die Schufte hatten die Kohlen, um sie nicht bergan tragen zu müssen, bis auf die letzte in der vorigen Nacht verbrannt, und wir lagen jetzt hier mitten im Schnee, ohne einen Funken Feuer zu haben. Nichts als die kalten nackten Wände und das zerfressene Maulthier dicht vor der Thür.

Das war ein harter Schlag, ließ sich aber jetzt unter keiner Bedingung ändern – eine harte Brodrinde kaute ich deßhalb, würgte ein kleines Stück des getrockneten Fleisches hinunter, trank einen Schluck Magenbitter, den ich der Vorsorge des italienischen Apothekers in Mendoza verdankte und glücklicherweise noch bei mir führte, und warf mich dann, zum Tode erschöpft, in meine Decken gewickelt, zum Schlafen, wenigstens zum Ausruhen nieder.

Eine Hundekälte, kein Feuer, die Luft selbst faul und verpestet – das Lager feucht und widerlich, und die Gesellschaft unsicher in der man schläft – hier waren Abenteuer für den, der danach gelüstete, mich schüttelte es vor Kälte und Ekel, und nur das Bewußtseyn meinen als von Gefahren umlagerten Marsch, wie die Schilderungen lauteten, doch wenigstens jetzt zum größten Theil beendet zu haben, während das wirklich herrliche Wetter nun auch einen glücklichen Schluß hoffen ließ, schien das einzige Trostbringende bei der ganzen Geschichte.

Es war ein trauriges Erwachen – mich fror und alle Glieder schmerzten mich – und dazu die Umgebung – »a cheerless home« – es schauderte mich nur die Luft einzuziehen, die kalt und fröstelnd genug durch den engen Eingang strömte – endlich überwand ich mich, stand auf, zündete mit großer Mühe, denn meine Schwefelhölzer hatte ich fast sämmtlich verloren, ein glücklicherweise mitgebrachtes Talglicht an und rief dann auch die Peons, um heute mit Tagesgrauen aufzubrechen und recht bald die Maulthiere zu erreichen, und meiner Umgebung und Begleitung enthoben zu seyn.

Die Burschen mochten ehrlich seyn – oder waren sie auch nur vielleicht feige, weil ich ihnen keine günstige Gelegenheit geboten, aber der Schmutz, in dem sie sich augenscheinlich wohl fühlten, fing an, mir widerlich zu werden, und ich sehnte mich um so mehr den sonnigen Thälern Chiles zu.

Noch vor Sonnenaufgang, ja sogar noch bei völliger Dunkelheit marschirten wir aus; denn heute gerade trieb es mich vorwärts mit einem Eifer, den ich mir selber nicht recht erklären konnte. Das Widerliche des letzten Nachtlagers mochte wohl viel dazu beigetragen haben, ich fühlte aber daß ich keine Ruhe haben würde, bis ich in Valparaiso wäre, und dort wenigstens Gewißheit über mein Schiff bekäme. Wir konnten übrigens Gott danken, daß wir gestern Abend nicht mehr weiter marschirt waren, denn der Weg den wir heute zu gehen hatten, zeigte sich am hellen Tage gefährlich, wie vielmehr also in Nacht und Dunkelheit und mit erschöpften Kräften.

 

Die Berge bildeten hier lauter abschüssige Hänge, und die obere Kruste war durch den scharfen Südwestwind, der sie hier vollkommen gut bestreichen konnte, gefroren, und spiegelglatt; dabei mußten wir gerade an diesen Abhängen hinklettern, und so steil und hart war der Schnee, daß eine Stelle besonders, als wir sie erreichten, fast unpassirbar schien.

Es war der weite Hang eines förmlichen Gebirges, denn wirklich »Bergehoch« thürmte es sich noch an unserer Linken empor, während es sich zur rechten in einem Winkel von etwa 60 Grad soweit niedersenkte, daß das Thal da unten, oder die Schlucht vielmehr, bläulich dunkel zu uns herauf schimmerte. Der Schnee lag wer weiß wie tief, war aber oben mit einer hart gefrorenen Kruste, so glatt wie Eis, überdeckt und kein Busch, keine Erhöhung, keine Biegung gewährte auch nur den mindesten Trost, daß man sich, im Falle eines Ausgleitens, daran halten könne. Fortwährend wehte dabei von den höher liegenden Kuppen der feine Schneestaub herüber und wirbelte über die Fläche hin, jede Unregelmäßigkeit ausfüllend und einen Platz suchend, wo er selber den Ruhepunkt finden könne.

Ein Umgehen dieses Platzes war nicht möglich und der eine Peon versicherte mich, wir könnten hier nicht anders hinüber, als wenn wir mit dem Messer Stufen, Schritt für Schritt, in den Schnee stächen – der alte Correo, der uns gestern begegnet wäre, hätte, weiter oben oder unten, jedenfalls dasselbe gethan, die Spuren seyen aber lange wieder durch den Schneestaub ausgefüllt.

Das war ein böses Stück Arbeit, ließ sich aber nicht ändern und Schritt für Schritt mußte ich jetzt, vorangehend, mit meinem schweren Jagdmesser einhauen in die glatte Rinde, die obere Kruste zu brechen und einen Eintritt für den Fuß zu gewinnen, und das hier gleich zum erstenmal auf eine Strecke von über eine Viertel englische Meile – später bekamen wir noch einige solche Stellen, aber nicht mehr so lang, eine aber dagegen noch steiler. Die nachfolgenden Peons traten langsam und vorsichtig hinter mir ein und ein Fehltritt, ein Ausgleiten hätte uns hundert von Fuße hinab in die bläulich schimmernde Tiefe gesandt, und dort in dem dünnen hinabgewehten Schneestaub rettungslos begraben.

Glücklicherweise kamen diese Stellen nicht häufig vor, aber doch immer oft genug, unseren Weg um ein Bedeutendes aufzuhalten, und waren dabei, ich kann wohl sagen ein klein wenig zu interessant.

Nach etwa dreistündigem Marsch, bei dem wir einmal auch einen ganz ähnlichen Hang zur Abwechslung niedersteigen mußten, nur mit dem Unterschied, daß wir hier zum Glück weicheren Schnee fanden, ich weiß sonst wahrhaftig nicht wie wir hätten hinunterkommen wollen, erreichten wir wieder eine Casucha, die höchst malerisch in einem tiefen, gegen Stürme ziemlich geschützten Kessel lag.

Von hier ab war der Weg, oder der Schnee vielmehr, denn Wege gibts im Winter nicht in den Cordilleren, besser, wenigstens fanden wir keine lebensgefährlichen Stellen mehr, und hie und da kamen schon Plätze, an denen man erkennen konnte, daß der Schnee, in dem tiefer gelegenen Land, dünner wurde. Und es däuchte mich Zeit, daß wir in tieferes Land kommen mußten, denn was für Hänge waren wir schon hinunter gerutscht.

Die Quellen deren Lauf wir heute, wenigstens in den Schluchten der Gebirge, gefolgt waren, schienen sich hier zu sammeln und fingen schon wieder an einen etwas größeren Bergstrom, den Puente, zu bilden. Von hier ab wurde das Thal breiter, ja hie und da kamen schon vom Schnee freie Stellen vor, und als wir endlich die nächste Casucha erreichten fanden wir, der alte Correo hatte wahrhaftig recht gehabt, einen kleinen Trupp Maulthiere, mit deren Führer ich augenblicklich um ein Thier bis dem Orte zu, wo ich frische Pferde bekommen sollte, akkordirte.

Von hier ab sollte der Weg nämlich schon für Maulthiere, wenn auch an einigen Stellen etwas schwer, zu passiren seyn, und die Leute waren hierhergekommen zu recognosciren, ob sie durch den Schnee hinüber könnten. Zu diesem Zweck hatten sie mehre Tage hier gelagert und einzelne Partien ausgesandt, diese waren aber sämmtlich an dem nämlichen Morgen mit keineswegs befriedigenden Nachrichten zurückgekehrt, und heute Nachmittag wollten sie wieder nach Santa Rosa zu aufbrechen, günstigere Jahreszeit abzuwarten.

Dadurch, daß ich jetzt ritt und auch keine Provisionen mehr brauchte, hatte ich den beiden Peons die ganze Last abgenommen, die nun leicht und unbeladen ebenso rasch wie das Maulthier auf der immer noch nichts weniger als bequemen Passage, vorwärts schreiten konnten. Wir hielten hier jedoch etwa eine halbe Stunde, um wenigstens vorher einen Becher heißen Kaffees zu machen, und brachen dann, fortwährend dem Lauf des »Puente« folgend, dem flachen Lande zu, auf. Der Weg zeigte sich aber immer noch für Maulthiere sehr beschwerlich und oft kamen Schneestürze, in ungeheuern Massen von den Bergen heruntergeschossen, welche die ganze Thalseite an der wir uns befanden, ausfüllten, und uns zwangen zu Fuß, die Maulthiere am Zügel, einen Weg hinüber zu suchen. Doch was that das; der Schneeregion entzogen, drangen wir mit jedem Schritt tiefer in das sonnige Thal ein, und warme Frühlingsluft wehte uns schon aus den Gründen an, und erfüllte mir die Brust mit einem unbeschreiblichen Gefühl stiller, aber freudiger Genugtuung.

Ich war jetzt in Chile, dem Lande nach dem ich mich so lange gesehnt, dessen Erreichung mir so furchtbar gefährlich geschildert worden, und das zu erreichen ich auch wirklich Mühseligkeiten und Gefahren genug ausgestanden hatte, und wie an beiden Seiten die Berge so schroff und kühn emporstiegen, mit ihren zackigen, noch immer schneegedeckten Kuppen nach den Wolken hinaufstarrten, und der Bergbach, den ich als Kind gekannt, toll und lebendig dazwischen hinsprudelte, da kam es mir fast vor, als sey ich hier gar nicht mehr fremd, als sey das meine Heimath die ich betreten, und ich kenne die grünen Kuppen, die weit da vorne lagen, und die Quelle, die neben mir aus dem Felsen sprang, und die Thäler, denen das Wasser entgegenströmte, schon seit langen, langen Jahren, und hätte sie lieb gewonnen alle mit einander, Berg, Thal, Quelle und schneeigen Abgang.

Es war nur eine Täuschung, wenn auch eine freundliche, und der enge Maulthierpfad nahm bald meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch, daß mir nicht noch aus Unachtsamkeit zu guter Letzt ein Unglück zustieße. Das wärmere Klima der chilenischen Republik kündete sich jetzt aber schon in aufwuchernden Sträuchen und Bäumen an; hie und da zeigten sich kleine Dickichte, zwischen und unter denen die Thiere hinschritten, und Gras – ein lange nicht gesehener Gegenstand, sproßte am murmelnden Strom. Sonst blieb sich die Gegend gleich, ein noch ziemlich winterliches Bergthal, die tiefe, gähnende Schlucht in die riesigen Gebirgsmassen scharf hineinschneidend, und daneben hin, manchmal das Wasser hoch überragend, daß es unten, tief unten schäumte und dumpf heraufbrauste, manchmal dicht an seinem Ufer hin, daß die spritzende Welle die Hufe der Maulthiere berührte, lief der Pfad.

Gegen Abend rasteten wir ein wenig an einem freundlichen, von Bäumen überhangenen Plätzchen. Hier befanden wir uns schon wieder in einer, von Menschen bewohnten, belebten Gegend und wie ein Paradies kam mir das, nur spärlich von kleinen Bäumen überragte, von thürmenden Schneegebirgen umgebene Haus vor, dessen Herr dem kargen Boden hier vielleicht eine nur mühsame Existenz abgewann.

Dem kleinen Gebäude gegenüber, auf der andern Seite des Bergstroms, der rasch und schäumend vorübersprang und nur dicht unter dem Haus eine Furth gewährte, lagerten wir, und hier sollte ich auch zum erstenmal eine ächt chilenische Mahlzeit kosten.

Von meinen Peons war der älteste, der Bequemlichkeit halber, zurückgeblieben, und der jüngere, der mich begleiten mußte um den Brief abzuliefern, nach dem ich wieder Pferde empfing und mein Geld zu zahlen hatte, führte noch etwas von dem Charque oder getrockneten Fleisch mit sich, von dem er uns wieder eine seiner vortrefflichen Kraftsuppen in das alte noch nicht ein einzigesmal ausgespühlte Kuhhorn einbrockte. Der Bursche hatte noch keinen Tropfen Wasser an sich gebracht, so lange ich ihn kannte, und ich glaube wahrhaftig seine Mutter konnte dasselbe von ihm sagen, so sah er wenigstens aus. Ich dankte ihm aber jetzt herzlich für seine Mahlzeit und hielt mich an das, allerdings nicht so luxuriöse, aber reinlichere Gericht der Chilener, das einfach in rohem Mehl und Wasser bestand.

Das Mehl, grobes, aber sehr süßes und angenehm schmeckendes Weizenmehl, thaten sie in einen, ebenfalls aus einem Horn, aber sauber hergerichteten Becher, und goßen dann Wasser hinzu, bis es zu einem vollkommen dünnen Brei wurde. Dieses Gericht schien ihnen allen trefflich zu schmecken, und ich muß gestehen, daß ich selber im Anfang es ein wenig mißtrauisch betrachtete, es schien mir um eine Kleinigkeit zu primitiv und unschuldig; war aber der Hunger, oder mein in den Pampas total verdorbener Geschmack daran schuld, es schmeckte mir wirklich, und ich fand bald zu meinem eigenen Erstaunen, daß ich zwei solche große Becher voll sogar mit Vergnügen ausgetrunken oder vielmehr gegessen hatte. Eine gute Zwiebel, die in Chile vortrefflich wachsen, mit etwas spanischem Pfeffer vollendete die Mahlzeit, und ich legte mich, vollkommen gesättigt, an ein freundliches Plätzchen in’s Gras unter einen Baum, einen Luxus, nach dem ich mich die letzte Woche nicht wenig gesehnt hatte.

Der Chilene ist weit civilisirter als der Argentiner, und schon die Nahrung zeigt das deutlich – nicht auf rein animalische Kost mehr angewiesen, die den Menschen stets roh erhält, gewinnt er seine eigenen Bedürfnisse dem Boden ab, und der Ackermann hat stets den Vorzug vor dem Viehzüchter.

Wir rasteten hier wohl drei Stunden, denn die Thiere hatten noch einen langen Marsch vor sich, und die Zeit über, da oben im Schnee, nur wenig zu fressen bekommen; mir selber aber war alles neu was mich umgab, und leicht und gern verträumte ich hier die wenigen Stunden. Noch befanden wir uns inmitten der wildesten Berge, denn wenn wir auch, gerade da wo wir eben lagerten, die Schneelinie verlassen und den keimenden grünenden Boden wieder erreicht hatten, so hingen doch noch dicht über uns, an den abschüssigen wilden Hängen mächtige und aufgethürmte Schneemassen, und selbst bis hierher hatten sie oft ihre Stürze gesandt, daß sie uns noch manchmal, wenn auch nur auf kurze Strecken, den Weg verdämmten. Die Scenerie gewann aber etwas besonders eigenthümliches durch die gewaltigen Cactus, die hier überall in den Bergen, wo sich nur die dünnste Fruchterde gesammelt hatte, wucherten, und von denen ich, gerade da wo ich lag, einige übersehen konnte, die wenigstens achtzehn Fuß Höhe und einen ziemlich beträchtlichen Umfang haben mußten.

Höchst interessant war es mir dabei, eine kleine Art wilder Enten oder Taucher, die hier in den Bergwassern der Cordilleren ihre Heimath haben, zu beobachten; kleine Dinger, die in den buntesten Farben ihres Gefieders prangten und mehrere verschiedene Arten zu zählen schienen, obgleich sie alle augenscheinlich zu einem und demselben Geschlecht gehörten.

Allerliebst sah es aus, wie sie auf den wilden stürmischen Bergwassern, oft über Fälle von vier bis fünf Fuß, keck und behaglich dahin schwammen – die Strömung war oft so stark, daß sie fast im Schaum und Sprudeln derselben verschwanden, aber der meist hochrothe oder grün und blau gefärbte Kopf des muntern Thiers blieb immer oben sichtbar und mitten in der Gewalt des Wassers, dem sie allerdings nicht widerstehen konnten, sondern von dem sie sich mußten mit fortführen lassen, steuerten sie bald hier bald da einem über die kochende und gährende Fluth vorschauenden Felsen zu, auf den sie, im Vorbeischießen hinaufzuklimmen wußten.

Hier saßen sie nun manchmal Viertelstunden lang und schauten ernsthaft und aufmerksam in die vorbeiquirlende Fluth, bis sie etwas entdeckten, das ihnen der Mühe werth schien nachzugehen – wie ein Blitz waren sie dann verschwunden, um bald nachher wieder, zwanzig oder dreißig Fuß weiter unten, aus dem weißen Schaum emporzutauchen, und so munter ihre rasche wilde Bahn zu verfolgen, wie bisher.

Erst mit Sonnenuntergang brachen wir wieder auf, so daß wir jetzt einen Weg, der mit Pferden sicherlich am hellen Tage lebensgefährlich gewesen wäre, in stockfinsterer Nacht – denn nicht einmal der Mond schien – zurücklegten. Im Anfang kam mir der Ritt auch selber fast unheimlich vor; in völliger Dunkelheit einen so schmalen Pfad hinzuschreiten, daß ich ihn, wenn ich mich vorn über den Sattel bog, mit der angestrengtesten Sehkraft nicht erkennen konnte, und dann nur das silberne Blitzen des tief, tief unten schäumenden Stromes gerade so zu sehen, als ob das Maulthier in freier Luft darüber schwebe, während das dumpfe Murmeln und Rauschen gar unheimlich zu uns herauftönte, ist gerade nichts angenehmes noch dazu, da ich gar nicht mehr darauf gerechnet hatte, solche Hänge passiren zu müssen – wir ritten diesen bösartigen Pfad aber so lange bergauf und ab, und ich war durch die in den letzten Tagen gehabten Anstrengungen so gleichgültig geworden und abgestumpft gegen alle dergleichen Eindrücke, die sonst mein ganzes Nervensystem in der lebendigsten Spannung erhalten haben würden, daß ich zuletzt förmlich im Sattel einschlief und im Halbtraum nur noch den Abgrund neben mir an der einen und die schroffen Felswände an der anderen Seite erblickte; – die erschöpfte schwache Menschennatur verlangte nach Ruhe, und als wir endlich, um elf Uhr etwa einen Platz erreichten, wo die Maulthiere etwas zu fressen bekommen konnten, glitt ich nur aus dem Sattel, breitete meine Decken an der Stelle wo ich stand, aus, und träumte im nächsten Augenblick schon »von daheim und Glück und Frieden.«

 

Am nächsten Morgen brachen wir wieder vor Tag auf – es war die Nacht recht kalt gewesen und es hatte mich gefroren; wir nahmen auch nicht einmal etwas zu uns – aus dem Sattel auf die Erde geworfen und von der Erde auf wieder in den Sattel – ein trauriges Leben – doch führte es mich meinem Ziele entgegen, und ich mußte zufrieden seyn.

Der Wind zog recht kältend die Schlucht herauf und ich wickelte mich fest, fest in meinen Poncho; der Traum, den ich die Nacht gehabt war auch gar zu lieb und freundlich gewesen, ich mochte ihn noch nicht aufgeben und suchte ihn fortzudenken, und wie die grauen dämmernden Morgennebel von den Halden herunter ins Thal glitten, und die Gegenstände um uns her nur erst langsam und schwach Form und Gestalt annahmen, während im Osten die Sterne erbleichten und den frischen Morgenhauch über die Bergkuppen sandten, da saß ich wieder mit halbgeschlossenen Augenliedern auf meinem Thier und suchte die Außenwelt so viel als möglich zu vergessen.

Hunde schlugen an und Kinderstimmen drangen an mein Ohr – ich hob den Kopf und schaute überrascht, erstaunt empor – wacht’ ich denn, oder träumte ich noch fort? – kam ich denn wirklich erst eben aus eisigem Frost heraus, oder hatte mich ein neckendes Bild geäfft? – gestern Morgen noch bis am Gürtel im Schnee, bald an eisigen Hängen hinkletternd, wo weder Baum noch Strauch die monotone Oede von Schnee und starren Felsmassen unterbrach, und jetzt —?

Vor mir eine friedliche reinliche Hütte, fest in grüne laubige Büsche hineingeschmiegt, dicht daneben das dunkle Laub der Orangen und die Aepfel der Hesperiden in voller herbstlicher Pracht daraus hervorglühend – Monatsrosen in Knospen und aufgebrochene Blumen – Pfirsichbäume bis zur Spitze mit den weichen süßen Blüthen bedeckt, und um mich her überall blühende Sträuche und das saftige Grün der Wiesen und Hänge – ein Zauberschlag hatte den starren Winter zerstört, und Sommer war’s geworden so rasch, wie sich die Nacht in Licht verwandelt, mir aber zog es wie Frühlingslust in die Seele, und mit dem erwärmenden Strahl der über die Berge emporsteigenden Sonne schüttelte ich Schwäche und Erschöpfung von mir, und fühlte mich wie neugeboren. Der Schnee der Gebirge lag hinter uns, und durch das sonnige Thal hin, wo bald grünende Weizenfelder und eingezäunte Weiden die geschäftige Hand des Menschen verriethen, trabten wir rascher als es die Thiere bis jetzt gethan, der Ebene zu, die sich vor uns in grüner herrlicher Pracht entfaltete und ausbreitete.

Ein weites Thal öffnete sich, in dem jede Handbreit fruchtbaren Bodens benutzt schien, und zahlreiche Maulthierzüge die uns begegneten, kündeten den lebendigen Verkehr dieser Gegend. Ueberall Orangen und blühende Pfirsiche und Aepfelbäume, die Häuser wohnlich und nett in deren Schatten, die Gärten und Felder mit sicheren Mauern oder Hecken umgeben, und von den Bergen nieder treffliche Wasserleitungen angelegt, den trockner gelegenen Ländereien die gehörige und nöthige Feuchtigkeit zuzuführen.

Zu Mittag erreichten wir endlich ein kleines Städtchen, Santa Rosa, und in diesem auch das Haus, in dem ich, wie mit dem in Mendoza genommenen Führer akkordirt worden, frische Pferde bis Valparaiso bekommen sollte.

Originell war die Ueberlieferung des, oben in den Cordilleren mit Brodteig zugeklebten Briefes, den zu entziffern die eine Hälfte der Familie verwandt wurde, während die andere dabei stand und mich auf das aufmerksamste von Kopf zu Füßen musterte.

Mit Hülfe der mündlichen Erklärung meines Peons bekamen sie endlich heraus, was sie eigentlich bei der ganzen Geschichte zu thun hätten, und der Sohn vom Haus – der Bruder meines früheren vaquiano erklärte sich auch bereit mich »am nächsten Morgen« nach Valparaiso zu begleiten. Damit war ich aber wieder nicht einverstanden – gleich mußten wir fort, denn mir ließ es keine Ruh und Rast mehr, bis ich wußte was aus meinem Schiffe geworden, und ich erklärte dem guten Mann ganz einfach daß ich, wenn er mir dem Contrakt nach kein Pferd augenblicklich zur Verfügung stelle, ich mir im Orte selber ein anderes miethen und nach Valparaiso allein reiten würde, nachher konnte er sehen wo er seine fünf Unzen bekam.

Der Grund war vollwichtig; hätte er das Geld schon gehabt, so würde es ihm sicher Vergnügen gemacht haben mich los zu werden, so aber hatte ich es noch und die Sache änderte sich – er machte ohne weitere Umstände Anstalten ein Pferd für mich zu bekommen, unterdessen wurde das Mittagessen hergerichtet – weiche Eier und eingekochte getrocknete Pfirsiche, an denen ich mich nicht wenig delektirte – und etwa zwei Uhr Nachmittags brachen wir wieder auf, mit dem Versprechen meines Führers, am nächsten Abend bei guter Zeit in Valparaiso zu seyn.

Noch an dem nämlichen Abend passirten wir die kleine freundliche Stadt San Felipe, mit ihren breiten regelmäßigen Straßen und mauerumgezogenen Gärten, mit ihren dichten fruchtbeladenen Orangenhainen und blumigen Hecken; ja vor der Thür des Regierungsgebäudes standen sogar, etwas das ich in Chile noch nicht gesehen und unter dieser Breite auch gar nicht erwartet hatte, zwei stattliche Palmen die der ganzen Gegend einen sonnigen tropischen Charakter gaben.

Auch das Volk hatte wieder sein Eigenthümliches und gar Verschiedenes von der Nachbarrepublik – dem argentinischen Reiche – den Poncho tragen sie ebenfalls – aber er ist kürzer, leichter und nicht von so blutigen Farben als der argentinische – die Leute galoppiren auch meistens mit ihren Pferden, wie es die Argentiner thun, aber es ist kein steter halsbrechender Carriere wie da drüben, der sich keinen Pfifferling drum schiert ob das Pferd in demselben Augenblick todt zusammenbricht, so es den Reiter nur erst zu dem bestimmten Ort geliefert hat. Die chilenischen Farmer traben auch sogar sehr häufig, was ich an der anderen Seite der Cordilleren nur in Buenos Ayres selber gesehen hatte, wo nicht galoppirt werden durfte.

Ebenso unterscheidet sich das Reitzeug auf das wesentlichste von einander, und wenn auch der Zaum selber große Aehnlichkeit hat, nur daß der argentinische schärfer ist, so kann man an Sattel und Steigbügel einen argentinischen Reiter von einem chilenischen so weit unterscheiden, wie man nur überhaupt Roß und Mann zu erkennen vermag.

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