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Südamerika

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Der Sattel des Argentiners ist gewöhnlich mit zwei, manchmal auch nur mit einem Schaffell, bei Vornehmeren mit einer reicheren Schabrake bedeckt, schließt aber dicht ans Pferd an. Besonders originell sind aber daran die Steigbügel. Der Argentiner der überhaupt Schuhwerk trägt, hat auch zugleich Steigbügel nach unserer Art am Sattel, wenn auch bedeutend kleiner, in die er nur eben die Spitze seiner Stiefel hineinbringen kann. Der ärmere oder wildere Argentiner mit seinen Pferdehautstiefeln (botas) aus denen der große Zeh und sein Nachbar vorschauen, benutzt diese Steigbügel ebenfalls hie und da; weiter in den Pampas hinein verschmäht er jedoch diesen Luxusartikel und es gibt dann Massen von Reitern die gar keine Steigbügel führen, wo das aber doch geschieht da benutzen sie eine andere Art, die aber auch eben nur in den Pampas anwendbar wäre. Diese bestehen nämlich in einem einfachen starken Riemen aus ungegerbter Haut, und in diesen an der Stelle wo der Steigbügel eigentlich seyn sollte, ein kleines Stückchen Holz oder einen kurzen Knochen hineingeknüpft. Zwischen die beiden, aus dem Bota vorschauenden Zehen fassen sie dann den Streifen ungegerbter Haut, unter denen das Holz oder der Knochen festsitzt, und der Steigbügel ist fertig.

Himmelweit von diesen verschieden sind die chilenischen Steigbügel, und zwar anscheinend so unbehülflich, wie die argentinischen dünne und mangelhaft sind. Die Chilener schnitzen sie förmlich aus einem Block Holz, groß und weit – fünf bis sechs Zoll breit, etwa vier Zoll hoch und bis drei Zoll dick – und lassen eine Wand an der äußeren Seite gegen welche die Fußspitze antritt, daß der Fuß nicht hindurchschlüpfen kann, und haben das Ganze noch gewöhnlich verziert und gepreßt.

Die Sporen der Chilener gleichen den argentinischen, doch sind sie ebenfalls nicht ganz so schwer und bösartig als jene, und die Stacheln daran dicht zusammenstehend und sonnenartig.

Wunderliche Caravanen begegneten mir dieser Art, die Pferde und Maulthiere mit ihren Wein und Mehl gefüllten, aus roher Thierhaut verfertigten Säcken beladen, die ihre Produkte dem nächsten Städtchen zuführten.

Den Abend übernachteten wir in einer kleinen Hütte dicht am Wege. Welch ein Unterschied zwischen den Leuten an der anderen Seite der Gebirge – die Hütte war allem Anschein nach ärmlich, aber nichtsdestoweniger sauber und gut erhalten, und die Bewohner freundlich, ja herzlich.

Am nächsten Morgen ritten wir vor Tagesanbruch aus – eine mir selber unbegreifliche Ungeduld hatte mich erfaßt – ich mußte nach Valparaiso. Gott weiß, wie vielmal wir in der Dunkelheit den Bergstrom kreuzten, der das Thal nach nur zu vielen Richtungen durchzieht und vieles Land, das sonst trefflich zu Weiden oder Feldern benutzt werden könnte, mit Steinen füllt. Toll und wild lagen hier förmliche Kieselblöcke durcheinandergewürfelt, und gaben Zeugniß, welcher Gewalt diese Bergströme fähig werden, wenn der Sommer erst einmal jene ungeheuren Schneemassen schmilzt und ein förmliches Meer von Bergwässern in das Thal hinunterschleudert.

Die jetzigen Biegungen des Stromes, die im Sommer aber alle überfluthet sind, waren mit Massen von herrlichen Blüthenbüschen bedeckt und wo nur ein höher gelegener Strich den geringsten Anbau gestattete, standen auch gewiß kleine Wohnungen, und irgend ein fleißiges Menschenkind hatte der gierigen Fluth einen kleinen Fleck zum Bau seiner Nahrung und Bedürfnisse abgewonnen.

Wieder erreichten wir eine Hügelreihe, an welcher eine Wasserleitung hingeht, deren Bahn wir später bis nach Valparaiso folgten, und gleich darauf betraten wir ein anderes Thal, das uns zugleich wieder ein gar nicht unbedeutendes Städtchen in Sicht brachte. Rings umher waren die Felder auf das sorgfältigste bestellt, die Straßen vortrefflich erhalten, und der kleine Ort selber, Guillota, schien belebt und geschäftig.

Wir hielten vor einer Pulperia, uns selber und die Thiere ein wenig zu erfrischen, und ich delektirte mich an köstlichen Oliven, wohlschmeckendem Brod und herrlichen Trauben und Orangen. Auch eine Art Most schenkten sie aus, er hatte aber schon ein trübes fatales Ansehen und schmeckte noch viel fataler – überhaupt kann sich der chilenische Wein mit dem Mendoziner nicht messen, und es wird auch viel von dort herübergeschafft.

Als ich fortging, wollte ich mir für einen halben Real (etwa 2 gute Groschen) Orangen und Trauben mitnehmen, konnte sie aber nicht alle transportiren und mußte die Hälfte zurücklassen, so viel bekam ich.

Nach etwa einer Stunde Rast, in der die Pferde gierig ein paar Bündel frisch geschnittenes Gras eingefressen hatten, brachen wir auf und suchten die Thiere wieder in Galopp zu bringen, aber sie fingen an nachzugeben, besonders das meinige, und wollten zuletzt kaum noch aus der Stelle – Peitsche wie Sporn blieben gleich erfolglos – die armen Bestien waren erschöpft. Der Geiz meines neuen Vaquianos hatte ihnen, wie ich leider erst zu spät merkte, das Futter nur karg zugemessen, und wir waren nur im Stande Schritt für Schritt mit ihnen vorwärts zu kommen. Mein Führer behauptete endlich, als die Sonne unterging, nicht mehr weiter zu können, und erklärte da, wo wir uns gerade befanden, übernachten zu wollen – ich aber erklärte ihm dagegen, dann ging ich noch an demselben Abend zu Fuß nach dem noch etwa fünf Leguas entfernten Hafen, und da der Accord lautete, daß er verpflichtet war mich zu Pferde hinzubringen, so fügte er sich endlich, wenn auch murrend.

Wieder, nach kurzer Rast im Sattel, und jetzt langsam mit den todtmüden Pferden bergauf, bergab, mehr nebenhergehend, als sie durch die Last des Reiters erschöpfend – gen Valparaiso – mich drängte es auch aus den Kleidern zu kommen, in denen ich nun in Staub und Thau, Tag und Nacht in den Pampas wie im Schnee gesteckt. Selbst die hohen Wasserstiefel waren an der Seite, vom scharfen Ritt durch die Steppe, aufgescheuert, das grauwollene Jagdhemd durch das darangeschnallte Gewehr und die Dornen zerrissen und meine Beinkleider natürlich total durchgeritten – der Poncho bedeckte Alles nur nothdürftig. Hatte der Talisman dann auch Valparaiso schon wirklich verlassen, so waren, genau getroffener Abrede nach, meine Sachen doch dort, im Geschäft der Hrn. Lampe, Müller und Fehrmann, zurückgeblieben, und ich konnte mit einem der nachfolgenden Schiffe von Heyborn und Compagnie weitergehen – also nur erst nach Valparaiso, in frische Wäsche, in ganze Kleider zu kommen. Aber der Weg wollte kein Ende nehmen – neun Uhr schon war’s, und noch immer hatten wir die Stadt nicht erreicht.

Die Gegend wurde dabei monoton und öde genug, die Hügel waren kahl und baumleer, ja selbst das wenige Gras was darauf wuchs, schien kümmerlich und dürftig – das Land dehnte sich dabei wellenförmig vor uns aus – kein Berg, aber auch keine Ebene, wenn man auf einen langweiligen Hügel hinauf war, und hoffte nun eine Uebersicht weiter nach vorn über das andere Land zu gewinnen, so sah man sich wieder getäuscht – denn weiter vorn lag akkurat wieder ein solcher Hügel wie der, den wir eben zwei Stunden gebraucht hatten zu überwinden. Als es zuletzt dunkelte, wurde die Sache eben nicht anders, Hügel ab und auf – die Hügel hinunter that man es sich zu liebe daß man abstieg, und hügelauf dem Pferd, was blieb da. Endlich erreichten wir eine Windmühle, und es kam mir fast vor, als ob man hier einen Ueberblick über die See gewönne; lange hatte ich aber keine so dunkle Nacht gesehen als diese, und ich bin auch fest überzeugt, daß uns nur der Instinkt der Pferde im Wege selber hielt.

Ein helles strahlendes Licht wurde jetzt vor uns sichtbar – es war, wie mir mein Führer sagte, der Leuchtthurm des Hafens – wir mußten uns also ganz dicht am Meer befinden, aber vergebens strengte ich meine Augen an es zu sehen, nicht einmal die Lichter von Valparaiso ließen sich erkennen, und dennoch konnten wir nur noch eine sehr kurze Strecke davon entfernt seyn. Die ewigen wellenförmigen Hügel benahmen die Aussicht, und dichtes Gebüsch und Gärten – jetzt aber nur in ihrem noch dunkleren Schatten unterscheidbar, dämmten selbst später jeden Blick der Stadt zu ab, als wir die letzten Hügel hinabklommen und nun ein sandiges seichtes Flußbett erreichten, in dem hin wir uns eine Bahn suchen mußten, an’s andere Ufer zu kommen.

Mein Begleiter schien hier selber die Furth nicht recht zu kennen, denn zweimal verfehlte er sie, und wir geriethen in tiefes Wasser, und das unheimliche Plätschern des Stromes, wie das nahe gewaltige Brausen der Brandung, die jetzt, so deutlich an unser Ohr schlug als ob wir sie dicht neben uns hätten, mit der Mattigkeit unserer Glieder und dem Ueberdruß des langen endlosen Marsches, diente wahrlich nicht dazu uns fröhlicher zu stimmen. Mürrisch und schweigend wateten und trieben wir vorwärts, einem Ziele zu, das uns Beiden fast vorkam als ob wir es im Leben nicht mehr erreichen sollten.

Endlich – endlich kamen wir an die Außengebäude, und zwar an die ersten Häuser der langen, am Strand hin, weit in die Hügel hineinlaufenden Straße, aber die meisten Thüren waren schon geschlossen – die Menschen gingen zu Bette, es war Nacht, und da unsere Thiere auch wirklich mit bestem Willen nicht mehr weiter konnten und ich an diesem Abend selber natürlich nicht im Stande war noch etwas auszurichten, gab ich endlich dem Drängen meines Begleiters nach, in einer »ihm bekannten Pulperia,« eine Art Schenke und Krämerstand, zu übernachten.

9. Valparaiso und Chile

Mein erster Abend in Valparaiso versprach nichts weniger als angenehm zu werden. Die kleine Pulperia in der wir unser Nachtquartier genommen, lag ziemlich am östlichsten Ende der Stadt, und mußte der ärmlichsten Art dieser Klasse von Häusern angehören, denn ärmlich genug sah es wahrlich darin aus. Ich war aber auf meiner letzten Reise, weder durch die Pampas noch über die Berge, sehr verwöhnt worden, warf meinen Sattel deßhalb in eine Ecke und mich mit der Decke oben drauf und wartete ruhig bis »Donna Beatriz« – die ich mir beiläufig anders gedacht hatte – uns eine Mahlzeit bereitet haben würde, die hungrigen Mägen zu befriedigen. Vor allen Dingen ließ ich mir ein Glas Wein geben, bekam aber wieder diesen entsetzlichen sauren Most und gab es in Verzweiflung auf.

 

Die Pulperia war eine kleine Art Kramladen, wo die Nachbarn Talglichter und Zucker, Eier und Seife, Dochte und Kohlen in kleinster Quantität bekommen konnten; vorn stand aber auch ein Tisch mit einigen Bänken, und eine Reihe mit Flaschen, die das unterste und bequemste Real zierten, verkündeten mit ihren angeklebten Zetteln die verschiedensten Gattungen von aqua ardiente.

Woran mir übrigens jetzt, fast noch vor dem Essen, lag, war herauszubekommen ob der Talisman schon gesegelt sey, und meine erste Frage lautete nach einer Zeitung – leider schien keine im Haus zu seyn und zu solcher »nachtschlafender« Zeit konnte man die Nachbarn auch nicht wecken. – Ich richtete jetzt meine Fragen an den Hausherrn wie an mehre Gäste, keiner wußte mir aber Bescheid zu geben, und nur Einer meinte, den Namen hätte er gehört und das Schiff müsse im Hafen liegen, das war aber auch Alles.

Donna Beatriz wirthschaftete indessen am Kamin herum, und brachte erst eine ganze Portion Eier und dann eine Bratpfanne zum Vorschein und hielt die letztere dann gegen das Licht, zu sehen, in welchem Zustand sie sich eigentlich befände. Was ich davon erkennen konnte, so war dieß ein sehr trauriger, Donna Beatriz ließ aber den Lappen, mit dem sie wahrscheinlich im Anfang beabsichtigt hatte sie auszuwischen, wieder fallen und sagte, »das wäre schade – es ist noch Fett d’rin« – und schlug ruhig die für uns bestimmten Eier oben auf diese vorsündfluthliche Fettschicht in löblicher Sparsamkeit.

»Das ist mir aber lieb« dacht ich, doch hatt’ ich einen Bärenhunger und nebenbei den festen Entschluß gefaßt, mich durch nichts mehr abschrecken zu lassen und hineinzuessen was mir vorgesetzt werden würde. Schlimmer wie die Kuhhornsuppe meines früheren Argentiners konnte es doch nicht seyn.

Am nächsten Morgen war ich noch vor Tag auf, und am Hafen – es lagen viele Schiffe dort, und keines hatte die Segel auf – außerdem rührte sich auch kein Luftzug, und befand sich der Talisman jetzt noch unter ihnen so konnte er mir nicht mehr entgehen. Es war aber noch zu früh am Tag und noch dazu an einem Sonntag Morgen, irgend einen Menschen zu treffen der mir hätte genauen Bescheid geben können, deßhalb blieb mir nichts übrig als indessen am Landungsplatz ein wenig auf- und abzugehen.

Wie mir zu Muthe dabei war wird sich der Leser unmöglich denken können, ich müßte ihm denn eine ganz genaue Beschreibung meines eigenen äußerlichen Selbst liefern, und sogar das kann ich nicht, denn ihnen nur einen deutlichen Begriff meiner unteren Kleidungsstücke zu geben wäre unanständig – ich darf ihn nur, wie es die Redaktionen der politischen Zeitschriften mit Rußland, Oestreich und Preußen machen, ihren Zustand ahnen lassen.

Der Leser mag übrigens bedenken daß ich fast einen vollen Monat im Sattel gehangen hatte, daß selbst meine langen Wasserstiefeln, von dem ewigen Galoppiren, an der Seite durchgeritten, und fertige Kleidungsstücke unterwegs nicht zu bekommen waren, ich auch nichts weiter, Wäsche ausgenommen, mitgeführt hatte, als was ich am Körper trug – mit einer einfachen Kettenrechnung läßt sich da leicht ein Facit herausbekommen. Ein ziemlich langer argentinischer Poncho, mit sehr vorherrschender rother Farbe verdeckte übrigens meine meisten Mängel, aber auch der sah wild genug aus. Das rothe Tuch dabei um den Hals, wie’s die Argentiner tragen, den Staub abzuhalten – den alten breitrandigen, verwitterten Filzhut dessen Krempe vom fortwährenden Auf- und Niederschlagen an einigen Stellen nur scheinbar noch aus besonderer Gefälligkeit für mich zusammenhielt, das sonnverbrannte Gesicht und Bart und Haar natürlich auch seit geraumer Zeit keinen Friseur gesehen – was Wunder da, daß die wenigen Leute, die sich nach und nach auf der Straße blicken ließen, etwas überrascht die wunderliche abenteuerliche Gestalt anschauten, die sich an dem anbrechenden freundlichen Sonntagmorgen bestaubt und übernächtig auf der Straße blicken ließ.

Da ich aber glücklicher Weise nicht selber hinter mir hergehen konnte, vergaß ich auch bald mein eigenes Aussehen in dem Drang Näheres über »mein Schiff« zu hören. Im Anfang konnte ich jedoch von keinem der Vorbeipassirenden etwas genaueres erfahren; einige sagten, er sey da, andere sie hätten ihn noch gar nicht gesehen – Einer meinte, er wäre gestern Abend fort – was wußte der Mann mit dem blauen Rock vom Talisman. Endlich traf ich zufällig den Wirth des »Star Hotel« in dem die meisten der Talismanpassagiere gewohnt hatten – »und wann ist er fort?« frug ich den Mann gespannt.

»Gestern Nachmittag um 5 Uhr hätten Sie noch an Bord kommen können,« lautete die Antwort und der Mann betrachtete mich dabei von Kopf zu Füßen, während es ihm ordentlich auf der Zunge lag – »aber wo um Gotteswillen kommst Du denn eigentlich her?«

Also fort – aber das ließ sich nicht ändern – und nur um wenige Stunden bei einer solchen Reise von Monaten verfehlt – eigentlich hätt’ ich mich ärgern müssen – und ordentlich geahnt hatt’ ich’s in den letzten Tagen, in meiner inneren Unruhe die Reise zu beenden. Das sollte dabei noch ein Trost seyn, daß ich zu gleicher Zeit erfuhr, beinah hätt’ er noch einmal Anker geworfen, denn er habe sich, bis 5 Uhr Nachmittags eben, gegen einen leichten Nordwind abquälen und fortwährend dagegen ankreuzen müssen, aus dem Hafen zu kommen.

Aber was schadete es? – dagegen thun ließ sich doch nichts und es blieb mir jetzt nur das Einzige übrig, augenblicklich meine Sachen abzuholen.

Hier aber lag eine andere Schwierigkeit – es war Sonntag Morgen – es gibt wirklich nichts Verzweifelteres in der Welt, als an einem Sonntag Morgen in einer fremden Stadt anzukommen – kein Geschäft eröffnet, kein Mensch zu finden, die Leute alle nur in ihrem Sonntagsputz auf den Straßen, und Alle vollkommen müßig den Fremden Viertelstunden lang anzustieren – und dabei ein Hunger – das etwa waren meine Gedanken.

Die Herren des Firma, bei der meine Sachen niedergesetzt waren, mußte ich also jetzt in ihrer eigenen Wohnung aufsuchen, und konnte ich so hingehen wie ich da ging und stand? – nun konnte ich etwa anders hingehen?

Als ich in einem solchen geringen Anfall von Verzweiflung in der Straße stand, und eben, mit Hülfe einiger gefälligen Vorübergehenden eine Anzahl von dort in Massen herumlaufenden Hunden abgewehrt hatte, denen wahrscheinlich das viele roth an mir aufgefallen war, denn einer hatte mich zuerst angebellt, und damit ein halbes Dutzend anderer Kameraden herbeigerufen, fiel mein Auge zufällig auf ein kleines Schild das über einer, eben halb geöffneten Thüre hing, und auf dem, unter den spanischen Eigenschaftsnamen mit deutschen Buchstaben ein unverkennbares »Deutscher Schuhmacher« prangte.

Das war ein Lichtblick, denn um diese frühe Tageszeit konnte ich noch keine Visite machen und der deutsche Schuster wußte hier jedenfalls genug Bescheid, mir erstlich die Adresse des Lampe, Müller und Fehrmann’schen Geschäfts und vorher einem Ort zuzuweisen, wo ich eine menschliche Mahlzeit bekommen konnte.

Mein kleiner Schuhmacher, der eben keine Schuhe aber wohl seine Toilette zu dem heutigen Festtag machte, war auch wirklich gleich zum guten Anfang ein kleines Original, empfing mich aber, wenn auch erst mit einem etwas mißtrauischen Blick über meinen ganzen äußeren Menschen, vorzüglich aber über mein Schuhwerk, freundlich, bot mir sein Dreibein zum Sitz an, und band sich, während ich mich darauf, mir zugleich den Rücken deckend, niederließ, oder schnürte sich vielmehr, denn er kriegte einen ganz dicken rothen Kopf dabei, seine Cravatte vor dem kleinen Spiegel um, der die eine Ecke seiner »Werkstatt« zierte. Ich mußte ihm dabei meine Geschichte erzählen, und er sprang mit beiden Beinen zugleich herum, als er hörte daß ich direkt über die Cordilleren käme. Ich gewann dadurch sein Herz und er bedauerte nur, indem er meine Stiefel noch einmal eines genaueren Blickes würdigte, daß er wahrscheinlich kein passendes Schuhzeug fertig für mich haben würde.

»Wenn Sie nur erst ein paar anständige Stiefeln an den Füßen haben,« sagte er dabei beruhigend, »auf das andere kommt es weniger an – die sehen aber bös aus —« das andere hatte er nämlich noch nicht gesehen.

Ich sah ihn im Anfang erstaunt an, denn bis dahin hatte ich viel zu viel Zartgefühl gezeigt, meine Garderobe auch nur mit einem Wort zu erwähnen, aber ich vergaß daß heute Sonntag war, und mein kleiner Schuster, wenn er mit mir zum Frühstück über die Straße gehen mußte, sich wahrscheinlich schämte, in solcher Gesellschaft gesehen zu werden. Hatte er mich aber in gutem Schuhwerk, so ging ihn das andere nichts weiter an.

Mein neugewonnener Freund erzählte mir jetzt nun auch seine Lebensgeschichte – denn nach seiner kleinen, dicken, silbernen Uhr hatten wir noch wenigstens eine halbe Stunde Zeit, ehe wir zu essen bekamen. – Er war vor einigen Jahren schon nach Chile gekommen und befand sich hier vortrefflich – bis dahin hatte er immer nicht gewußt, weßhalb die Stadt Valparaiso – »paradiesisches Thal« genannt werde – denn das Paradies hätte er sich eigentlich anders gedacht, nun aber wisse er es, denn für die Schuhmacher sey es ein wirkliches Valparaiso. Er, der als armer Schuhmachergeselle hierherkam, wurde augenblicklich Meister, ohne ein Meisterstück machen zu dürfen, und lieferte nicht allein vortreffliche Arbeit, sondern hielt sich auch noch, er der arme Schustergeselle, einen »Wichsier«, einen ächten Spanier, der ihm dabei nicht allein das Flickwerk besorgte, sondern sogar bestellte und für ihn zugeschnittene Arbeit recht leidlich ausführte. Das war aber das wenigste – außerdem konnte er arbeiten, wenn er gerade Lust hätte, Feierabend ebenso machen wie er wollte, und Sonntags hatte er nicht etwa seine gewöhnlichen »paar Groschen,« sondern eine Handvoll spanischer Dollar in der Tasche und trug sich »so fein wie nur irgend ein anderer Señor.«

Ich beneidete ihn in dem Augenblick wirklich um ein Kleidungsstück, er fuhr aber fort mir zu erzählen, wie er sich einmal habe verleiten lassen – denn der Mensch verlange es immer besser zu kriegen auf der Welt, so lange er lebe – von Valparaiso fort und nach Valdivia zu gehen, um »Landwirthschaft« zu treiben – »ich und Landwirthschaft« setzte er dabei verächtlich hinzu, dazu passen nur rohe Naturen, die zu nichts weiter gemacht sind, als unvernünftig dicke Bäume zu fällen und Erdboden aufzukratzen – es ist ebenso mit dem Vieh – sie liefern die Rohprodukte, und wir müssens dann verarbeiten.«

In Valdivia schien es ihm bitterbös gefallen zu haben – Sonntags keine Vergnügungen, kein baar Geld zu verdienen, denn wie er wirklich angefangen hatte, in seinem Handwerk zu arbeiten, konnten ihm die Leute kein baar Geld dafür geben, sondern er sollte Leder, noch im Urzustand nehmen, und da hörte doch wahrhaftig Alles auf.

Unter diesen Gesprächen war er endlich fertig geworden, die Zeit des Frühstücks rückte auch heran, und wir gingen dann zusammen in ein amerikanisches »Boardinghouse,« wo man für einen mäßigen Preis ein recht gutes Frühstück bekam. Mir wenigstens, der ich so etwas lange nicht gekostet, schien es ein lukullisches Mahl und die einzige Fatalität dabei war, daß ich erstlich meinen Poncho nicht ablegen durfte, und mich zweitens noch, nicht so recht daran gewöhnen konnte, mit Messer und Gabeln, besonders mit den letzteren, zu essen. Fast unwillkürlich kamen mir noch immer die Finger der linken Hand dazwischen, und mein Schuster schüttelte mehrmals sehr bedenklich mit dem Kopf.

Nach dem Essen war es nun auch spät genug geworden Herrn Fehrmann, dessen Wohnung mein kleiner Schuster nämlich wußte, und zu dem er sich sehr freundlich erbot mich hinzuführen, aufzusuchen.

Glücklicherweise war er noch zu Hause, denn ich fand ihn eben im Begriff auszugehen, und so erstaunt er mich im Anfang betrachtete – denn er hatte bei meinem ersten in Sicht kommen wohl kaum geglaubt, daß ich ihn deutsch anreden würde, so erstaunt blieb er, als ich ihm von meinem Koffer sagte, der hier für mich stehen solle. Er rief augenblicklich einen seiner jungen Leute, ob der »Talisman« irgend etwas für einen der Passagiere im Geschäft oder Zollhaus zurückgelassen. Keiner wußte von etwas, und im Augenblick war mir klar, daß der Talisman – gegen die mit Capitän und Cargadeur getroffene Abrede – meine sämmtlichen Sachen mitgenommen habe; Wäsche, Kleider, Bett, Bücher, kurz alles, was ich überhaupt jetzt auf der Welt mein nannte und nothwendig brauchte, nicht allein um in Valparaiso anständig zu erscheinen, sondern auch eine weitere Seereise, mit den dringendsten Bequemlichkeiten versehen fortsetzen zu können, befand sich auf dem Weg nach Californien und ich saß hier so blank und schön auf der wohlriechenden Haide, wie es sich ein Mensch nur wünschen konnte.

 

Allerdings war die Sache, für mich wenigstens, auch nichts weniger als spaßhaft, dennoch mußte ich im ersten Moment laut auflachen. Niemand kannte meine »inneren« wie »äußeren« Verhältnisse besser, als ich selber, und so plötzlich und total in einer wirklichen Urpatsche zu sitzen, hatte jedenfalls etwas poetisch-komisches.

Herr Fehrmann, dem ich meinen Namen nannte und mit ein paar Worten die Umrisse meines Unfalls gab, während er durch den Cargadeur schon von meiner beabsichtigten Fahrt unterrichtet war, lachte im ersten Augenblick allerdings mit über meine Lage – und der Henker hätte da ernsthaft bleiben mögen, bot mir aber zu gleicher Zeit mit der größten Gastfreundschaft sein Haus zum Aufenthaltsort an, bis das nächste Schiff desselben Rheders, die »Reform,« das täglich erwartet wurde, eintreffen sollte. Ich nahm das Anerbieten so gern an, wie es mir geboten wurde, und fand mich bald darauf nicht allein in das Haus, sondern selbst in die Familie des Herrn Fehrmann mit einer Herzlichkeit aufgenommen, die ich den guten Menschen nie vergessen werde.

So abgerissen war ich übrigens, daß ich mir sogar Kleider borgen mußte, um nur in der Stadt herumgehen und neue einkaufen zu können; das aber, was mir im Anfang ein Mißgeschick geschienen, wurde jetzt für mich zum Glück. Unter den freundlichsten Verhältnissen war ich nicht allein im Stande, mich von wirklich fast zu harten Strapazen und Mühseligkeiten auszuruhen, sondern auch Valparaiso selbst, das ich doch im anderen Falle nur zu flüchtig hätte sehen, und ganz und gar nicht näher kennen lernen können, länger zu durchstreifen und auch mehr über das Land selber zu hören.

Valparaiso, einer der bedeutendsten Handelsplätze der Westküste Amerika’s, ist wohl schon oft genug geschildert worden, und ich will mich deßhalb auch auf keine lange, den Leser vielleicht ermüdende Beschreibung des Ortes einlassen, sondern ihm nur kurz den Eindruck geben, den die Stadt beim ersten Betreten und bei einem mehrwöchentlichen Aufenthalt auf mich machte.

Valparaiso gleicht keineswegs den übrigen südamerikanischen, im altspanischen Geschmack gebauten Städten, sondern mehr als selbst Rio Janeiro und Buenos Ayres, einem europäischen Handelsplatz. Daran tragen aber nicht allein die jetzigen Bewohner, sondern auch ein früheres Erdbeben und eine spätere, sehr starke Feuersbrunst die Schuld, denn die zerstörten Stadttheile wurden alle im neueren Geschmack errichtet, ja die an der Bay hinlaufende Hauptstraße besteht sogar, in gänzlicher Verachtung kommender Erdbeben, aus großentheils zweistöckigen Häusern, und diese, wie die kleineren an dem der Bai zugewandten Hang der Küstenhügel stehenden Gebäude, haben alle hohe und nicht flache spanische Dächer.

Der Hafen ist geräumig und sicher und nur den Nordwinden preisgegeben, die allerdings hier nur sehr selten wehen, aber wenn sie kommen, gewöhnlich stark und furchtbar einsetzen und großen Schaden unter den Schiffen anrichten. Befestigt ist der Hafen sonst fast gar nicht, denn die paar Kanonen, die hie und da hinter nur unbedeutenden niederen Mauern stehen, können sicher nicht als Vertheidigungswerke gelten. Chile lebt aber mit den übrigen Nationen in Frieden, deren eigener Nutzen schon sie nöthigt, Handel und Hafen der blühenden Republik eher zu schützen als anzugreifen.

Chile ist jedenfalls ein blühendes herrliches Land, obgleich erst in seiner Entwicklungsperiode; seinem Berg- wie Ackerbau, besonders dem ersteren, kann man wohl eine glänzende Zukunft prophezeien. Die Silber- und Kupferminen sind unglaublich reich, und die Regierung begünstigt vorzüglich den Bergbau, zu dessen Schutz die umfassendsten Gesetze gegeben sind und mit eiserner Strenge gehandhabt werden.

So wird zum Beispiel dem Entdecker einer Mine, sie mag sich befinden auf wessen Land sie will, das Eigenthumsrecht derselben unbedingt zugesprochen. Der Eigenthümer des Landes aber ist nicht allein verpflichtet, ihm den Grund und Boden zu einem von der Regierung festgesetzten und nicht nach dem Werth der Mine, sondern nach dem Werth des Bodens bestimmten Preis abzulassen, sondern muß ihm auch noch Holz und Wasser, was er zu der Bebauung seiner Mine bedarf, ebenfalls zu einem von der Regierung zu bestimmenden und sich den örtlichen Verhältnissen anpassenden Preis herbeischaffen.

Getreide, wie alle Arten von Früchten, bringt das Land in großer Menge und Güte hervor; nur an Händen fehlt es noch, den Boden zu bearbeiten, und da dieß die Regierung recht gut einsteht, so thut sie auch alles Mögliche die Einwanderung fleißiger Arbeiter, besonders deutscher, zu befördern. Sowohl in Valdivia wie Concepcion beginnen Ansiedlungen, die später die erfreulichsten Früchte tragen können.

In Concepcion besitzt der Präsident selber bedeutende Strecken Land als Privateigenthum, und bot schon damals deutschen Einwanderern, die sich dorthin ziehen wollten, vortreffliche Bedingungen, und Valdivia, die südlichste Provinz des Landes, scheint von Deutschen stark besiedelt werden zu wollen.

Die deutsche Einwanderung wird auch natürlich auf das eifrigste von den deutschen Kaufleuten Valparaisos unterstützt, die ganz richtig schließen, daß durch eine bedeutende Anzahl von deutschen Ackerbauern und Handwerkern in Chile, deutsche Bedürfnisse auch ihre eigenen Geschäfte soviel mehr beleben müssen und der deutsche Einwanderer kann sich ziemlich fest darauf verlassen, daß er in Valparaiso selber jeden nur möglichen und billiger Weise zu erwartenden Vorschub genießen wird.

So lagen gerade, als ich mich in Valparaiso befand, mehrere deutsche Familien hier, die nach Valdivia auszuwandern beabsichtigten und keine Gelegenheit dorthin finden konnten. Herr Fehrmann reichte endlich ein Gesuch an die Regierung ein, den Leuten womöglich an den Ort ihrer Bestimmung zu helfen, und ungesäumt wurde das kleine Kriegsschiff Condor, was gerade segelfertig im Hafen lag, angewiesen, sie passagefrei nach Valdivia zu führen. Nur ihre Provisionen hatten sie sich selber zu stellen.

Unter diesen befand sich eine Frankfurter Familie, die ich kennen und achten lernte, und der alte Herr, der schon mit greisen Haaren, aber noch jungem Muth und erwachsenen Söhnen und Töchtern einen neuen Welttheil hatte aufsuchen müssen, sich eine Heimath zu gründen, schien praktische Erfahrung genug zu besitzen, ihm, mit einiger Ausdauer, ein günstiges Loos zu versprechen. Der Erfolg hat das auch bewährt, und seine neueren Briefe zeigen, daß er sich vollkommen wohl im Süden von Chile fühlt.

Für die Fruchtbarkeit des ganzen Landes braucht man überhaupt wohl kaum eine andere Bürgschaft, als daß es bis jetzt nicht allein die Kornkammer Californiens, sondern in letzter Zeit auch Australiens gewesen und das alles bei einer Bevölkerung, die auch nicht die mindeste Anstrengung machte eben mehr zu ziehen, als sie mit größter Bequemlichkeit gewinnen konnte. Der Chilene überarbeitet sich gewiß nicht und wo ein chilenischer Landmann sich nur wohl befindet, bin ich überzeugt daß ein Deutscher, wenn er seinen deutschen Fleiß, seine deutsche Ausdauer ebenfalls mit dorthin bringt, reich wird.

Das chilenische Klima sagt dabei dem Europäer vollkommen gut zu, denn nach Allem was ich von den verschiedensten Personen darüber gehört habe, soll selbst im heißesten Sommer die Temperatur dem deutschen Körper nicht unerträglich werden. Wir haben in Deutschland auch heiße Tage, und überhaupt unterscheidet der höhere Wärmegrad selbst die heiße Zone weniger von der gemäßigten als die in den, unter den Tropen liegenden Ländern anhaltende ununterbrochene Wärme, die den Körper erschlafft und aufreibt. Ein Land das seinen Winter oder selbst kalte Nächte hat, wird deßhalb nie so schädlich auf die Gesundheit des Nordländers wirken.

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