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Südamerika

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Einen höchst eigenthümlichen Baum hat die argentinische Republik, und der einzige, der wenigstens in der Nähe von Buenos Ayres zu einiger Höhe empor wächst. Es ist dieß der sogenannte Ombu, der in seinem ganzen Wachsthum sogar Aehnlichkeit mit dem Banian Indiens zeigt. Wie bei diesem hängen nämlich die Zweige selber durch niedergesenkte – ich möchte sie fast Stützen nennen, mit den Wurzeln zusammen, und bilden dadurch die wunderlichsten Formationen, die man sich nur bei einem Baum denken kann.

Gerade hier stand ein solcher, dessen eigentlicher Stamm vielleicht sechs Fuß im Durchmesser hatte, ganz unten am Boden breitete sich aber die Wurzel, oder das untere Ende des Stamms noch viel mehr aus, ja bildete an einigen Stellen förmliche Sitze, und von hier aus schossen dann theils schräg, theils gerade, theils eigensinnig gekrümmt, Strebepfeilern gleich diese Stützen aus, und verloren sich oben in dem ungemein dichten, birnblattartigen Laub des Baumes.

Er gibt jedoch nichts als Schatten, denn sein Holz wäre nicht einmal zur Feuerung zu verwenden, so naß und schwammig ist es. Eben so sind die kleinen bitteren turbanartigen Früchte, die er trägt, und die förmlich wassergefüllt scheinen; zum Zierbaum eignet er sich aber vortrefflich.

Nach Buenos Ayres zurückgekehrt, erfuhr ich, daß in kurzer Zeit der argentinische Correo oder Courier von Buenos Ayres nach Mendoza wirklich abgehen würde. Er hatte erst, der ausgebrochenen Indianer wegen, seinen Ritt verschieben wollen, sich jetzt aber entschlossen zu versuchen ob er durchkäme und mir wurde gesagt, daß ihm die Begleitung eines bewaffneten Mannes gewiß angenehm seyn würde. Durch die freundliche Vermittlung eines amerikanischen Kaufmanns, Mr. Hutton, da ich selber der spanischen Sprache noch nicht so weit mächtig war, schloß ich auch mit dem Correo bald einen Vertrag, nach dem er sich verbindlich machte, mir für vier Unzen – 64 spanische Dollar – Pferde und Fleisch, die Pferde zum reiten, das Fleisch zum essen unterwegs bis Mendoza, einem kleinen Städtchen am Fuße der Cordilleren, zu liefern, und überhaupt alle Kosten, die wir bis dahin haben würden, zu bestreiten. Er sagte mir aber dabei gleich und ganz offen, daß er, wenn er die Indianer im Süden heraufkommen sähe, so rasch ihn die Pferde trügen nach Norden in die Gebirge flüchten würde, und wenn ich dann nicht mitkäme, oder überhaupt auf dem Marsch liegen bliebe, so sey das nicht seine Schuld und er könne weiter nichts dafür thun.

Auf alles das war ich vorbereitet, mit alle diesem zufrieden, und unsere Abreise wurde auf den 17. Juni festgesetzt. Dadurch gewann ich auch noch eine kurze Zeit für mich, Buenos Ayres besser kennen zu lernen.

Die Auswanderung hat schon von frühester Zeit mein ganzes Interesse in Anspruch genommen, und ich suchte noch fortwährend, wo immer mir das nur möglich war, Erkundigungen über die Verhältnisse der Fremden, besonders der Deutschen, einzuziehen. Durch den besondern Auftrag des Handelsministeriums des deutschen Reiches hatte ich aber auch noch außerdem die Verpflichtung übernommen, nach besten Kräften über die Länder zu berichten, die ich geeignet zur Auswanderung finden würde, eben so die Verhältnisse und Aussichten der ausgewanderten und dort schon angesiedelten Deutschen zu schildern.

Die Aussichten der Deutschen gerade in den La Platastaaten aber zu erfahren, schien es mir das sicherste, mich an Rosas, den Gouverneur oder Diktator derselben selber zu wenden. Der amerikanische Consul versicherte mich jedoch, daß Rosas selber nur höchst selten selbst einen Gesandten empfange, und Donna Manuelita, die Tochter des gefürchteten Gauchohäuptlings, gewöhnlich Audienz ertheile.

Hier aber schien für mich eine ziemlich bedeutende Schwierigkeit zu liegen, ich war nämlich vom Bord des Talisman nur eben so weggegangen, wie ich gedachte in den Sattel zu steigen und der einzige Anzug den ich mit hatte, bestand in einem Reitkittel von dem gröbsten hellgrauen wollenen Stoff, eben solchen Hosen, hohen Wasserstiefeln und einem schwarzen, breitrandigen Filzhut – konnte ich so vor Donna Manuelita, der ersten Dame des argentinischen Reiches, erscheinen? Der amerikanische Consul sagte ja, Donna Manuelita sollte eine so liebenswürdige, wie vernünftige Dame seyn, Mr. Graham garantirte mir, daß ich nicht allein empfangen, sondern auch freundlich empfangen werden würde, und seinen Worten treu führte er mich eines Abends selber bei ihr ein.

Die Gauchosoldaten, die vorn im Portal und den Gängen Wache standen, schauten nicht schlecht, als ich solcher Art gekleidet, noch dazu in dem sonst so verpönten Blaugrau durch die Pforten ihres Herrn schritt, ließen uns jedoch ungehindert passiren und wir betraten bald darauf das Audienzzimmer.

Der Saal war ganz in europäischem Geschmack eingerichtet, der Boden mit sehr geschmackvollen bunten Tepichen bedeckt und nur die hohe luftige Decke trug ein argentinisches Abzeichen – die schwarz und rothen Farben (Sieg oder Tod) der Federacion.

Wir waren noch ein wenig zu früh gekommen – die Diener brannten erst die Kerzen an und ich benutzte indessen meine Zeit zuerst meine ganze Umgebung mir genau zu beschauen und dann Betrachtungen anzustellen ob meine Wasserstiefeln wohl nicht die ersten waren, die je diesen kostbaren Teppich betreten hätten. Lange blieb mir aber dazu keine Zeit, die Thüren öffneten sich plötzlich und herein traten nach und nach, »die Großen des Reichs« vielleicht, so viel ich davon wußte, denn ich kannte keinen von ihnen, aber stattlich geputzte Herren und Damen, die Herren sämmtlich in dunkelblauen Fracks (die hellblaue Farbe bezeichnet die Unitarios) mit rothen Westen und Hutbändern, und alle im Knopfloch das rothseidene Band mit der schwarz gedruckten furchtbaren Devise Muerun los salvajos Unitarios. Die Damen im elegantesten französischen Costüm. Beide Theile betrachteten mich aber, und ich entschuldigte vollkommen ihre Neugierde, mit kaum verhehltem Erstaunen, und schienen sich gegenseitig fragen zu wollen, »was thust du hier im Heiligthum?« Ehe aber der amerikanische Consul im Stande war nur überhaupt meine Existenz zu entschuldigen, erschien Donna Manuelita selber und empfing mich, nachdem ihr Mr. Graham mit ein paar Worten meine Absicht gesagt hatte, während sie ihn selbst in der Entschuldigung meines Anzuges unterbrach, auf das freundlichste.

Donna Manuelita verstand allerdings, wie mir Mr. Graham sagte, das Englische, sprach es aber vielleicht noch nicht geläufig genug und mochte sich deßhalb nicht darin unterhalten; eben so ging es mir mit dem Französischen und die Unterhaltung wurde deßhalb durchaus spanisch geführt, wobei Mr. Graham so freundlich war zu dollmetschen. Die Donna versprach mir übrigens mit ihrem Vater, der Auswanderungssache wegen, in wie weit er nämlich deutsche Einwanderung begünstigen würde, zu reden und mir noch, ehe ich Buenos Ayres verließ, das Resultat mitzutheilen.

Indessen hatte sich eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft eingefunden und ich sah mich bald im Gespräch mit zwei jungen argentinischen Damen, von denen die eine sehr geläufig englisch sprach und die andere angefangen hatte deutsch zu lernen, so daß sie ebenfalls schon viel verstehen und sich auch ziemlich deutlich ausdrücken konnte.

Ich verbrachte, trotz meinem nichts weniger als hoffähigen Anzug, ein paar sehr angenehme Stunden in so liebenswürdiger Gesellschaft, mußte aber ein paarmal bei mir selber lachen, wenn ich daran dachte, was die Hofschranzen daheim sagen würden, wenn jemand nur einen solchen Gedanken fassen sollte, in solcher Tracht bei ihrem Hofe zu erscheinen.

In Buenos Ayres besteht auch jetzt eine deutsch-evangelische Gemeinde, deren Pastor und Oberhaupt Herr A. L. Siegel ist. Den Leser wird es übrigens interessiren, das erste Kapitel der Kirchenstatuten von Buenos Ayres, 34° Süder Breite in den La Platastaaten, zu hören.

Erstes Capitel.

Begriff und Umfang der deutsch-evangelischen Gemeinde in Buenos Ayres.

§ 1. Die deutsch-evangelische Gemeinde in Buenos Ayres bildet einen Zweig der unirten evangelischen Landeskirche in Preußen. Sie hat sich dieser Kirche nach einem Beschlusse der Generalversammlung der Gemeinde im Monat April 1845, unter folgenden, ihr von dem Ministerio der geistlichen, Unterrichts- und Medicinalangelegenheiten d. d. Berlin den 11. Januar 1845 Nr. 31,536 gestellten Propositionen freiwillig angeschlossen.

I. In Betreff der Lehre des Cultus und der Disciplin ist das Bekenntniß, die Liturgie und die Ordnung der evangelischen Kirche Preußens für die Gemeinde in Buenos Ayres wesentlich maßgebend und bestimmend. Es wird daher auch die Agende der preußischen Landeskirche die Norm für den Gottesdienst und die gottesdienstlichen Handlungen in der Gemeinde abgeben.

II. Das Konsistorium der Provinz Brandenburg in Berlin ist diejenige geistliche Behörde, an welche sich die Gemeinde, resp. der Vorstand derselben, in allen denjenigen inneren Angelegenheiten und Streitfragen zu wenden, und die Entscheidung abzuwarten hat, über welche, indem sie das Verhältniß zu der hiesigen Landesregierung ganz unberührt lassen, eine Verständigung und Einigung der Gemeinde nicht hat stattfinden können. Es betrifft dieß namentlich Streitfragen über die Lehre und den Gottesdienst, über Disciplinarmaßregeln, sofern sie nicht in das Gebiet der bürgerlichen Gesetze und Einrichtungen hinüberreichen, endlich Mißhelligkeiten zwischen dem Prediger und der Gemeinde und Klagen der letzteren gegen den ersteren.

III. Das Konsistorium der Provinz Brandenburg hat das Recht, den Prediger der Gemeinde zu ernennen, und ihn für den Dienst der Gemeinde zu vociren. Die Gemeinde, resp. der Vorstand, hat im Falle der Vacanz um die Wiederbesetzung der Stelle bei dem genannten Consistorium nachzusuchen, und darf, ohne Genehmigung dieser Behörde, den ihr zugewiesenen Prediger nicht entlassen.

 

Nun soll mir noch Einer sagen, daß es in Buenos Ayres keine Deutsche gibt.

Unter den Deutschen in Buenos Ayres, wenn sie auch keinen bleibenden Aufenthalt da haben, spielen übrigens die Schiffscapitäne eine sehr bedeutende Rolle, und besonders kann man sie Nachmittags, mit ihren englischen, amerikanischen und dänischen Collegen erst durch die Straßen der Stadt traben und dann in vollem Carriere durch das flache Land galoppiren sehen.

Capitäne haben nämlich eine ungemeine Vorliebe für Pferde, die bei Pferden jedoch wie Pferdevermiethern keineswegs gegenseitig ist, denn Schiffscapitäne verstehen gewöhnlich – mit Ausnahmen natürlich – ebensowenig ein Pferd zu reiten wie es zu behandeln, und glauben das äußerste gethan zu haben, wenn sie sich »an Bord halten.« Von Schluß und Nachgeben ist natürlich bei ihnen keine Rede, sie fahren im Sattel herum, wie ein losgegangenes Paket auf einem Packthier, reißen in die ohnedieß schon scharfen Zügel, nur um sich im Gleichgewicht zu halten, und werfen das ganze Gewicht ihres Körpers dagegen, wenn sie das Pferd einmal bewegen wollen langsam zu gehen oder ganz still zu stehen. Die Thiere werden dadurch wund geritten und abgehetzt, und die Pferdevermiether hier, fast lauter Engländer und Amerikaner, haben einen solchen Ueberblick in den Personen ihrer Kunden, daß sich Leute, die nur das geringste Seemännische an sich tragen, fest darauf verlassen können, die abgerittensten und überdieß vielleicht schon aufgegebenen Kracken zu bekommen. Es geschieht deßhalb sehr häufig daß solche arme Schlachtopfer, selbst wenn sie ihr Thier einmal nicht übermäßig abgeritten haben, in den Fall kommen, es plötzlich stürzen und verenden zu sehen, wonach sie dann noch das Vergnügen haben, nicht allein zu Fuß in die Stadt zurück zu gehen, sondern auch noch das Sattelzeug zu tragen. Höchst erstaunt sind sie dann meistens, wenn man ihnen für das verlorene Pferd wenig oder gar nichts abnimmt, und es scheint sich deßhalb das Gerücht verbreitet zu haben, es sey schon genug von einem, in Buenos Ayres gemietheten Pferd Zaum und Sattel zurück zu bringen, das übrige habe keinen Werth; die Capitäne haben aber meist so nichtswürdige Pferde gehabt, daß sich die Vermiether förmlich schämen auch noch Geld dafür zu verlangen, weil Jemand so freundlich gewesen war, es für sie hinaus auf den Anger zu reiten.

Wer ein gutes Pferd ausmiethet und damit zu Schaden kommt, kann sich auch darauf verlassen, daß er theuer genug dafür zu zahlen hat – für Buenos Ayres nämlich – denn Pferde sind dort überhaupt spottbillig.

So viel schon hatte ich, während meines Aufenthalts in Buenos Ayres, von den Saladeros oder Schlachtplätzen dieses bedeutenden Handelsortes für Fleisch und Häute gehört, daß ich nicht umhin konnte, die, mir von allen Seiten beschriebenen Plätze auch einmal selber zu besuchen.

Diese Schlachtplätze liegen fast sämmtlich an der sogenannten Boca, etwa eine halbe Legua von der Stadt entfernt, und vor dem Frühstück sprengte ich eines Morgens, von einem jungen Deutschen begleitet, hinaus, das Schlachten des Viehes mit anzusehen.

Unser Weg führte uns fast durchgängig dicht am Fluß hin, und widerlich war mir hier besonders der Anblick der, durch den Fluß ans Ufer geschwemmten gefallenen Rinder und Pferde. Der Geruch, oder besser gesagt der Gestank, wurde an mehren Stellen so schauerlich, daß ich den Athem anhalten mußte. An einem Platz blieb uns sogar nichts weiter übrig, als über drei dicht bei einander liegende Pferde, oder wenigstens die Ueberbleibsel derselben hinwegzusetzen. Deutsche Pferde wären hier unter keiner Bedingung vorwärts zu bringen gewesen, die Buenos Ayres Ponies kehrten sich aber nicht im mindesten daran, und würdigten ihre gefallenen Kameraden kaum eines Blicks.

Nach einem etwa viertelständigen gestreckten Galopp erreichten wir endlich die Ufer der Boca, und ich konnte im Anfang nicht gleich heraus bekommen, was das Weiße seyn mochte, das beide Ufer an vielen Stellen eindämmte, als wir aber näher kamen, erkannte ich zu meinem Erstaunen, daß es Rinderköpfe seyen, deren Hörner überall, regelmäßig aufgeschichtet, aus der darüber geworfenen Erde hervorschauten. Drüben über der Boca lagen die flachen offenen Gebäude der Schlachtereien, und wir mußten noch eine Strecke an dem kleinen Wasser hinauf und dort über eine Holzbrücke reiten (wo, beiläufig gesagt, Zoll bezahlt wurde) und wir gleich darauf den »blutigen Grund« betraten.

In den nächsten Schlachtereien wurde heute nicht »gearbeitet« – es war dort »aufgeräumt,« und sah verhältnißmäßig reinlich aus, und als wir langsam hindurchritten, sahen wir die in Massen aufgeschichteten und eingesalzenen Häute in den einzelnen Schuppen liegen. Mir war aber besonders darum zu thun das wirkliche Schlachten der Thiere mit ansehen; glücklicherweise fanden wir in der ersten Schlachterei gleich einen Deutschen, der uns zu dem gesuchten Orte wies.

Schon von weitem hörten wir das Schreien und die gellenden Zurufe der Viehtreiber, und als wir näher kamen, sahen wir wie eben wieder drei Reiter in den etwas vom Schauplatz entfernten Corral (eine Einfenzung) sprengten, um einen Theil der dort hineingestellten Thiere in die für ihren Fang bestimmte Fenz zu treiben. Einer von ihnen war eine besonders hervorstechende Persönlichkeit – ein alter schlankgewachsener kräftiger Mann von etwa 56 bis 60 Jahren, zäh und wettergebräunt, aber mit einer solchen Galgenphysiognomie wie ich nur je einen Menschen gesehen habe. Er schien der Führer der übrigen, und in Blut und Mord ergraut; so mußten die Gestalten ausgesehen haben die Rosas früher mit seinen Blutbefehlen beauftragte, und die ihre Opfer aus den Kreisen ihrer Familien holten und ihnen die Kehlen durchschnitten. Er ging ganz in die Tracht der Gauchos gekleidet, mit roth und blauem Poncho, eben solcher cheripa und den gewöhnlichem botas von Pferdehaut an. Der Lasso hing ihm hinten am Sattel, denn ohne Lasso reitet kein solcher Bursche auch nur einen Schritt, und wenn der Poncho beim raschen Reiten manchmal in die Höhe flatterte, schaute darunter der Griff des hinten im Gürtel schräg steckenden Messers hervor. Der gleichfalls graue Bart umgab ihm in krausen unordentlichen Zotteln Kinn und Backen, und eben solche Büschel hingen ihm über die Augen herunter. Ich konnte im Anfang meine Blicke von dem greisen Gaucho nicht abwenden, und hätte ich noch einen Zweifel über seinen Charakter gehabt, der nächste Augenblick würde ihn zerstört haben.

Von den Corrals oder Umzäunungen lagen nämlich drei dicht neben einander, und der größte auch von dem Schlachtplatz am weitesten entfernt; etwa halb so groß als dieser war der nächstfolgende, und der dritte und zur unmittelbaren Aufnahme der nächst zu schlachtenden Thieren bestimmte war der allerkleinste, und konnte nur etwa kaum 40 bis 50 Stück halten. In den erstern wurde das Vieh gleich aus den Pampas hineingetrieben, in den zweiten dann das für den Gebrauch verlangte abgesondert und in den dritten das zum Schlachten abgeführt.

In den zweiten nun, in dem etwa 20 oder 30 noch ihrer Todesstunde harrten, sprengten die drei und trieben die Thiere mit Schreien und Heulen der durch Knaben indeß geöffneten letzten Einfriedigung zu. Im Anfang ging das auch ganz gut; das junge Vieh wurde durch den wilden Lärm und die zum Schein hochgeschwungenen Hände, in denen sie stets den gefürchteten Lasso zu sehen glaubten, scheu gemacht, und drängte selbst von seinen Verfolgern weg; kaum aber quoll ihnen, in der Nähe des letzten Corrals, der warme Blutgeruch ihrer vorangegangenen Kameraden entgegen, so suchten sie auch ebenso rasch wieder zurückzufliegen, und warfen sich ihren Henkern gerade entgegen. Aber zu spät; diese trieben sie, selbst durch das Gewicht ihrer Pferde, ihrem Bestimmungsort zu – es gab für sie kein Entrinnen mehr, und eingeschüchtert und halb betäubt wandte sich jetzt die kleine zitternde Schaar mit hochgehobenen Schnauzen, den gefürchteten Ort zu betreten. Doch das war den Treibern nicht rasch genug – vorwärts, mit Sporn und Revenka, trieben sie die eigenen Thiere an auf die jungen Rinder einzusprengen; mit dem schweren eisernen Revenkaring schlugen sie auf die Knochen der ängstlich Blöckenden nieder, und der alte greise Gaucho zog endlich mit wildem Fluch sein Messer und stieß es den hintersten Stieren, die nicht rasch genug vordrängen konnten, fünf- bis sechsmal in den After, um die Haut nicht zu verletzen. Die Wunden wären vielleicht, hätten sie noch draußen herumlaufen müssen, tödtlich gewesen; hier schadete es ja aber nichts. Die Thiere wurden gleich geschlachtet. Ich bin überzeugt, der Schuft hätte einem Menschen sein Messer mit eben solcher Ruhe in den Leib gerannt.

Als das letzte der armen halb zu Tode geängstigten und blutenden Geschöpfe in den für sie bestimmten Corral sprang, schob er das lange Messer lachend unter den Poncho zurück, warf sein Pferd herum und galoppirte nun, von den Kameraden gefolgt, um die Einfriedigung herum auf die andere Seite der Schlachterei. Dort stieg er ab, befestigte ein langes, auf der Erde liegendes und aus roher Haut gedrehtes starkes Seil an seinem Sattelgurtring, welchem Beispiele die andern beiden, und zwar mit dem nämlichen Tau, folgten, und richtete sich dann, nach dem Corral zurückschallend, hoch im Sattel auf. Ich fand bald die Ursache von diesem allem.

Das Ledertau war ein langer starker Lasso, dessen über einen richtigen »Block« laufende Schlinge der auf der Umzäunung des Corrals stehende Schlächter in der Hand hielt, ein paarmal um den Kopf schwang und dann, mit fast nie irrender Sicherheit, einem der Thiere um die Hörner warf. Sowie die Reiter sahen daß der Lasso nun geschleudert war, gaben sie ihren Thieren die Hacken, diese zogen an und rissen dadurch den gefangenen Stier zuerst auf die Vorderfüße, dann ganz nieder und zu gleicher Zeit auch dicht zu der Stelle hinan wo der Lassowerfer stand. Dieser hatte jetzt ein langes Messer in der Hand, damit bog er sich nieder, stach sein Opfer mit der scharfen Klinge in den Nacken dicht hinter die Hörner, daß es todt zusammenbrach, griff dann wieder nach dem Lasso und richtete sich auf ihn aufs neue zu werfen.

In dem Corral, eben da wo der gestochene Stier lag, öffnete sich aber zu gleicher Zeit eine Klappe, und das ganze Gestell, auf welches er schon vorher durch das Anspannen des Lasso gezogen worden, glitt jetzt mit dem Stier darunter vor und lief auf einer kurzen »Eisenbahn« den Schlachtschuppen entlang, an dessen Ende sechs Männer bereit standen ihn von dem kleinen niederen Wagen herabzuziehen, und dann augenblicklich abzustreifen und auszuschlachten. Der Wagen rollte dabei ohne weiteren Verzug wieder zurück, die Klappe fiel zu, der Lasso flog, ein anderes Opfer suchend, durch die Luft; wieder stürzte der Stier und wurde seinem Tod entgegengerissen; wieder glitt der Karren auf den blutigen Schienen hin und, von seiner Last befreit, zurück, und ein dritter fiel in demselben Augenblick – bis auch der letzte gefangen und getödtet worden.

Ich wandte mich jetzt dem Schlachthof selber zu, und der Anblick der sich hier mir bot, war wirklich schaudererregend. Der Platz selbst wurde so rein gehalten wie sich das nur möglicherweise halten ließ. Das Blut floß aber in Strömen in eigens dazu ausgezimmerte Canäle nieder, und besondere Männer waren sogar dabei beschäftigt mit eigens zu solchem Dienst bestimmten breiten Holzschaufeln das geronnene Blut auszuschieben und den Lauf des frisch zuströmenden frei zu halten. Der Schuppen unter dem die Leute arbeiteten, war hoch und geräumig, und die Eisenbahn lief längs darin hin bis zum äußersten Ende. Hier waren Leute beschäftigt die letzt angefahrenen Thiere – der Lassowerfer hatte zwei zu gleicher Zeit in die Schlinge bekommen – abzustreifen; dort hauten andere Keulen und Fleischstücke schon früher geschlachteter ab, und andere trugen, oder warfen vielmehr dieses wieder seinem Bestimmungsort zum Verpacken zu – alle in bloßen Füßen und in Blut watend, mit Blut bedeckt. Und dazwischen die wild umhergestreuten Köpfe und Gebeine, die Eingeweide die auf Wägen geladen und fortgefahren wurden, und dort drüben – mich ekelts noch wenn ich daran denke – lagen die ungeborenen Kälber, ein Haufen von vielleicht dreißig oder vierzig Stück, die hinausgeworfen und an denen Knaben, bis an die Schultern in Blut, eben beschäftigt waren, den ältesten und schon ziemlich ausgewachsenen die Haut abzustreifen und die andern oder die schon beendigten bei den Hinterläufen nach einem dazu bestimmten Wagen zu schleifen.

Ein Bursche in einem rothen Poncho – pfui, was für ein schmieriger Geselle es war! – schlich sich lange um den Haufen dieser ungeborenen Kälber herum und schien die dort liegenden mit prüfenden Blicken zu betrachten, endlich ergriff er eines der größten bei den Hinterbeinen, zog unter dem Poncho einen alten blutigen Sack vor, steckte es dort hinein und glitt dann, ohne daß sich weiter jemand um ihn bekümmert hätte, aus dem Schlachthof – hatte sich der Mann etwa unter diesem ekelerregenden Wust einen Braten ausgesucht? Mir schauderte die Haut bei dem bloßen Gedanken; ich hatte aber auch jetzt an dem Anblick vollkommen genug; sollte ich mir den Appetit an Fleisch ganz verderben?

 

Unsere Pferde standen dicht bei all dem Blut und Lärmen angebunden, aber so ruhig als ob sie sich draußen auf freiem ungestörten, unentweihten Plan befunden hätten. Wir lösten die Zäume, stiegen wieder auf und sprengten gleich darauf, wie es alle Leute in der argentinischen Republik thun, im gestreckten Galopp den Schlachthof entlang über die schmale, die Boca überspannende Brücke hinüber und am Ufer des Rio de la Plata hin, Buenos Ayres zu.

Es war mir interessant genug diese Schlachtereien, von wo aus Fleisch und Häute in ungeheuren Massen nach allen Weltgegenden hin versandt werden, einmal in der Nähe gesehen zu haben; ich konnte aber zwei volle Tage lang keinen Bissen Fleisch essen – ich mußte immer an den Mann mit dem rothen Poncho und dem ungeborenen Kalbe denken.

In den letzten Tagen die ich in Buenos Ayres verlebte, kamen noch Nachrichten über neue Gewaltthaten der Indianer – am Rio Quarto sollten sie eine Familie ermordet und Andere überfallen haben, die sich ihnen nur durch die rascheste Flucht entzogen, bis das Militär aus dem kleinen, nicht sehr entfernten Städtchen, aufgeboten wurde und gegen die wilden Söhne der Steppe anrückte. Weit hinweg durften sich aber einzelne Trupps Soldaten auch nicht von ihren befestigten Platzen wagen, denn Los Indios waren tapfere gefürchtete Krieger und nicht zu verachtende Gegner. Solche Nachrichten sind aber auch meistens übertrieben; keinesfalls konnten sie meinen Entschluß mehr ändern.

In der Zeit, in welcher ich mich in Buenos Ayres aufhielt, kam hier gerade mit dem englischen Paketschiff die Nachricht an von unserem ersten und letzten Seesieg über die Dänen, von der Zerstörung Christian VIII. und der Wegnahme des Gefion.

Zufälliger Weise befand sich gerade in dieser Zeit eine sehr große Anzahl von Schiffscapitänen hier – (die Fracht von hier fort stand sehr schlecht und die Leute lagen hier mit ihren Schiffen und warteten ob sie etwas Besseres bekommen konnten als Maulthiere nach Havanna zu führen.) Das Eßhaus von Duckwitz war aber schon seit langer Zeit der Sammelplatz aller im Hafen befindlichen dänischen und deutschen Capitäne gewesen, und da gerade von diesen beiden Nationen eine sehr bedeutende Anzahl dort zusammentraf, läßt es sich denken was für Discussionen über diesen Sieg entstanden. Einigemal kam es fast zu Schlägereien zwischen Einzelnen und mich amusirten nur die verschiedenen Ansichten und Ideen, die da manchmal vorwucherten. Auch die Ursache der einzelnen Streite war häufig wirklich komisch, so meinte ein deutscher Capitän eines Tags – denn es wurde fast von weiter nichts als Fracht und Seeschlacht gesprochen – es thäte ihm nur leid daß die Deutschen erst bei Christian dem achten angefangen hätten, worüber sich ein dänischer Capitän auf das furchtbarste erboste, die ganze Nachricht – was überhaupt sehr häufig geschah, für eine Zeitungslüge erklärte, und Leib und Seele verpfändete wenn sich die ganze deutsche Nation auf den Kopf stelle, könne sie noch nicht einmal Christian den fünfundzwanzigsten bekommen.

Die Zeit meiner Abreise rückte aber auch jetzt heran und ich freute mich wirklich daß ich nun einmal mit beiden Füßen in das neue Leben hinein springen sollte, denn hier in Buenos Ayres schien Alles darauf angelegt zu seyn, mir womöglich das Herz schwer zu machen. Fortwährend kamen neue Berichte über indianische Grausamkeiten und sogar von Mendoza wollte man wissen daß schon seit vielen Jahren so keine entsetzliche Masse Schnee in den Gebirgen gelegen habe, als diesen Winter.

Kürzlich war auch ein Deutscher aus dem Innern gekommen der mir dabei die schrecklichsten Schilderungen von den Gauchos, den Eingeborenen selber, lieferte, nach denen ich fürchten mußte einem von ihnen auch nur den Rücken zuzudrehen, wenn ich nicht ein langes zwölfzölliges Messer zwischen den Rippen haben wollte. An Nachts ruhig schlafen war gar nicht zu denken und er versicherte mich, er könne jetzt noch nicht begreifen wie er selber lebendig wieder herausgekommen wäre. Der Mann hieß Berger.

Mir kam jetzt die ganze Reise vor wie Jemand, der mit einem langen Stock bewaffnet wild um sich her schlägt – hat man ihn erst einmal um den Leib gepackt, kann er uns nichts mehr anhaben – so hofft man wenigstens.

Doch fort, fort mit Allem was mich beunruhigen oder ärgern könnte – eben schickt mir der Correo ein Pferd, mich zur neuen Fahrt abzuholen und das einzige nun was ich fühle und denke, ist das Bewußtseyn in ein neues thätiges – und wenn auch gefährliches Leben, einzutauchen. – Ein Ritt durch die Pampas – alle vier bis sechs Leguas ein frisches Pferd und im gestreckten Galopp ununterbrochen durch die weiten Steppen sprengend – so, fort bis nach Mendoza, zum Fuß der Kordilleren, dann, mitten im Winter, über die Schneegebirge und durch Chile meinem nächsten Ziele, Valparaiso zu, was kümmerte mich das Andere.

Manchmal war’s mir aber doch auch wieder wie Einem zu Muthe der Morgens in einem fremden Bett aufwacht, und sich um’s Leben nicht mehr zu erinnern weiß wie er dahingekommen; ja es gab wirklich Augenblicke, wo ich gar nicht übel geneigt war meine sämmtliche Umgebung, trotz handgreiflichem Gegenbeweis, für einen neckischen Traum zu halten, der mich urplötzlich aus der Heimath, aus dem Kreise meiner rastlos politisirenden und zeitungslesenden Landsleute fort, mitten zwischen die sonnverbrannten, abenteuerlichen Gestalten der Gauchos hinein versetzt habe und auch, sowie ich mich nur entschließen könnte die Augen aufzumachen, natürlich eben so geschwind wieder zurückbringen müsse, wohin ich eigentlich gehöre, damit ich um Gottes Willen die Ausschußsitzungen und Vereine, die Exercirübungen und Generalmärsche nicht versäume. Die Sache blieb aber unverändert wie sie war, und ich konnte endlich der Ueberzeugung nicht entgehen, daß die Heimath wirklich weit weit hinter mir, und auf’s Neue ein wildes, thätiges Leben vor mir liege.

So mit Gott denn, der Anfang war gemacht, und mitten hinein will ich nun springen in das lebendige, rege Treiben, das mich umgibt – wenn mir beim ersten Ansprung auch die Wellen über dem Kopf einmal zusammenschlagen – ein guter Schwimmer kommt doch wieder nach oben.

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