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Die Mohicaner von Paris

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Der junge Mann blieb einen Augenblick stehen, sammelte seine Erinnerungen und ging mitten durch den Park.

Nach einem Marsche von fünf Minuten blieb er abermals stehen, um sich aufs Neue zu orientieren; dann nahm er seine Richtung ein wenig gegen links.

»Wir sind an Ort und Stelle,« sagte Salvator; »hier ist der Baum.«

Ohne Zweifel fügte er in seinem Innern bei:

»Und hier ist das Grab!«

Beide drangen in das Dickicht ein und warteten.

Nach einigen Secunden legte Salvator die Hand aus die Schulter seines Freundes und sagte:

»Stille! ich höre das Rauschen eines seidenen Kleides.«

»Sie ist es also?« fragte Justin ganz schauernd.

»Ja, aller Wahrscheinlichkeit nach; nur will ich mich zuerst zeigen. Sie begreifen, welche Wirkung Ihre unerwartete Erscheinung auf das arme Kind hervorbringen könnte . . . Sie naht, sie ist allein. Verbergen Sie sich und erscheinen Sie nicht eher, als als ich Ihnen sage. Sie sollen erscheinen. Hier ist sie!«

Es war Mina.

Sie war in der That allein.

»Ob! mein Gott!« murmelte Justin.

Und er machte Miene, hervorzustürzen.

»Sie wollen sie also tödten?« sagte Salvator, indem er ihn zurückhielt.

Es war im Dickicht eine Bewegung vorgegangen, welche die Aufmerksamkeit von Mina erregt hatte.

Sie blieb stehen und schaute mit Besorgnis, bereit, wie eine erschreckte Gazelle zu entfliehen, umher.

»Ich bin es. Mademoiselle.« sagte Salvator; »seien Sie ohne Furcht.«

Und er schob die Zweige auseinander und erschien vor den Augen von Mina.

»Ah! Sie sind es!« sprach Mina. »Wie glücklich bin ich, Sie zu sehen, mein Freund!«

»Ich auch, um so mehr, als ich Ihnen Nachrichten bringe.«

»Von Justin?«

»Von Justin, von seiner Mutter, von seiner Schwester, vom guten Müller,«

»Ich Undankbare! ich vergaß Alles, was nicht er ist. Lassen Sie hören! was haben Sie seit gestern gethan? Erzählen Sie mir das.«

»Vor Allem habe ich Ihre Uhr wiedergefunden.«

»Ah! desto besser!«

»Ich habe Ihre ganze Familie gesehen, Justin die Versicherung Ihrer Liebe gebracht und die seine entgegengenommen.«

»Oh! wie gut sind Sie! . . . Und er war sehr glücklich?«

»Sie fragen das? Er wäre fast närrisch geworden!«

»Dank! dreifachen Dank! Haben Sie ihm gesagt, wo ich bin?«

»Ja.«

»Und dann?«

»Dann begreifen Sie wohl, daß er von mir verlangt hat, kommen zu dürfen.«

»Oh! ja, ich begreife das.«

»Sie begreifen aber auch, daß es mein erster Gedanke war, ihm diese Befriedigung zu verweigern.«

»Oh! nein, nein, mein Herr, das begreife ich nicht.«

»Ich sage Ihnen, mein erster Gedanke, Mademoiselle.«

»Und . . . und der zweite?« fragte zögernd Mina.

»Der zweite war dem ersten entgegengesetzt.«

»So daß . . . ?« fragte Mina ganz zitternd.

»So daß ich, aus das Versprechen, vernünftig zu sein . . . «

»Nun?«

»Mit Justin übereingekommen bin, ihn hierher zu führen.«

»Und wann sollen Sie ihn bringen?«

»Ich wollte ihn an einem dieser Abende bringen.«

»An einem dieser Abende?« versetzte seufzend das Mädchen; »und er hat eingewilligt, zu warten?«

»Nein!«

»Wie, nein?«

»Er wollte sogleich kommen . . . Sie begreifen das abermals?«

»Oh! gewiß begreife ich es., . Ich hätte es gemacht wie er!«

»Mein erster Gedanke war abermals, es zu verweigern,« sagte Salvator lachend.

»Doch der zweite? der zweite?«

»Der zweite war . . . Ihnen Justin noch heute Abend zu bringen.«

»So daß . . . ?« fragte das Mädchen ganz zitternd.

»So daß ich ihn gebracht habe.«

»Mein Herr, mir schien vorhin, ich höre sprechen. Nicht wahr, Sie haben mit ihm gesprochen?«

»Ja. Mademoiselle; er wollte Ihnen entgegenstürzen, und ich verhinderte ihn daran.«

»Oh! hätte ich ihn so wiedergesehen, ich wäre vor Freude gestorben.«

»Sie hören. Justin?« sagte Salvator.

»Oh! ja, ja,« rief der junge Mann, aus dem Dickicht hervoreilend.

Salvator trat aus die Seite, um seinem Freunde Platz zu machen. Die zwei jungen Leute fielen einander, zwischen ihren Lippen die Namen Justin und Mina erstickend, in die Arme.

Sodann, beinahe in demselben Augenblicke, streckten sich zwei Hände gegen Salvator aus, und zwei Summen voll freudiger Thränen murmelten gleichzeitig:

»Mein Freund, Gott vergelte es Ihnen!«

Salvator schaute sie einen Moment mit seinem sanften und zugleich mächtigen Blicke an, der. dem eines Gottes ähnlich, die Verantwortlichkeit für die Zukunft zu übernehmen schien; alsdann drückte er Justin die Hand, küßte Mina aus die Stirne und sprach:

»Und nun seid Ihr unter dem Blicke des Herrn. Gott, der mich bis hierher geführt hat, führe Euch bis zum Ende!«

»Sie verlassen uns. Salvator?« sagte Justin.

»Justin,« erwiderte Salvator, »Sie wissen, daß ich Mina durch Zufall getroffen habe; Sie wissen. daß sie es nicht war. die ich suchte, als ich in diesen Park kam . . . Lassen Sie mich mein Werk verfolgen und seien Sie glücklich: das Glück ist eine Hymne an Gott! . . . In einer Stunde werde ich bei Ihnen sein.«

Und der junge Mann nahm mit der Hand und dem Kopfe von ihnen Abschied und verschwand bei der Biegung der Allee, welche nach dem Schlosse führte.

Was sich während dieser Stunde die zwei Liebenden, welche allein geblieben, sagten, – ich werde es nicht versuchen, es Ihnen zu erzählen.

Nehmen Sie an, liebe Leser, Sie haben das Ohr an die Pforte des Himmels gelegt, und Sie hören die Engel sprechen.

CXL
Erforschung

Am andern Tage, Morgens um acht Uhr, eröffnete Justin wie gewöhnlich seine Klasse, doch mit einem so freudigen Gesichte, daß sich die Aeltesten von seinen Knaben, an sein trauriges oder vielmehr ernstes Gesicht gewöhnt, unter einander fragten: »Sieh, was hat denn der Lehrer heute Morgen? sollte er zufällig eine Erbschaft von zwanzigtausend Livres Rente gemacht haben?«

Um dieselbe Stunde trat Salvator mit einem etwas mehr sorgenvollen Gesichte in die Hauptstraße oder vielmehr in die einzige Straße des Dorfes Viry ein; er schaute nach rechts und nach links, und als er aus der Schwelle einer Thüre eine schöne junge Person erblickte, welche nach Hause zu gehen schien und ein Maß Milch in der Hand hatte, näherte er sich ihr mit der so sichtbaren Absicht, mit ihr zu sprechen, daß sie auf der Schwelle stehen blieb und wartete.

»Mademoiselle,« sagte er zu ihr, »werden Sie wohl so gut sein, mir das Haus des Herrn Maire zu bezeichnen?«

»Sie fragen wirklich nach dem Hause des Herrn Maire?« sagte das Mädchen.

»Allerdings.«

»Es gibt nämlich das Haus des Maire und die Maire,« sprach das hübsche Mädchen mit einem Lächeln, das den jungen Mann wegen der Lection in der Topographie, die es ihm gab, um Verzeihung zu bitten schien.

»Es ist richtig,« erwiderte Salvator. »ich hätte mich deutlicher ausdrücken sollen. Ich wünsche den Herrn Maire zu sprechen, Mademoiselle.«

»Dann können Sie eintreten, mein Herr,« sagte die hübsche junge Person, »denn Sie sind gerade vor seiner Thüre.«

Und vorangehend, zeigte sie Salvator den Weg.

Vor der Thüre des Speisezimmers traf sie eine Art von Magd, der sie das Manchen Milch übergab, welches ihr Frühstück und das ihrer Familie zu werden bestimmt schien; dann wandte sie sich gegen Salvator und sagte zu ihm:

»Wenn mir der Herr Reisende folgen will!«

Zu jener Zeit kannte man weder die Eisenbahnen, noch die Vergnügenszüge: man gab im Allgemeinen dem fremden Besuche den Titel Reisender, wie man ihn noch heute dem Touristen in den Gebirgen des Jura und des Dauphin« gibt.

Salvator lächelte und folgte dem schönen Kinde.

Man ging in den ersten Stock hinaus; das Mädchen öffnete die Thüre eines Cabinets, wo ein Mann an einem Schreibtische saß, und sagte zu diesem Manne:

»Papa, hier ist ein Herr, der Dich sprechen will.«

Und in seinem Jagdcostume konnte Salvator wirklich sehr wohl für einen Herrn gelten.

Der Maire nickte mit dem Kopfe und schrieb weiter, ohne den Eintretenden anzuschauen; er fürchtete vielleicht, durch eine Unterbrechung den Faden seiner Phrase zu verlieren.

Zufällig war der Maire von Viry noch derselbe brave Mann, mit dem es der redliche Herr Gerard, sieben oder acht Jahre früher, bei der entsetzlichen Katastrophe, deren Opfer der Letztere gewesen, zu thun gehabt hatte.

Das war, wie wir bemerkt haben, an seinem Orte ein guter und würdiger Maire, der zugleich vom Bürger und vom Bauern hatte, ein redlicher und naiver Mann, so sehr es Salvator nur immer wünschen konnte.

Nachdem sein Satz beendigt war, wandte er sich um, schob seine griechische Mütze zurück, hob seine Brille aus seine Stirne empor, und fragte, als er den jungen Mann erblickte, der an der Thüre stehen geblieben war:

»Sie wünschen mich zu sprechen»mein Herr?«

»Ja, mein Herr,« antwortete Salvator.

»Dann haben Sie die Güte, sich zu setzen,« sagte der Maire mit einer Geberde, welche unbestimmt an die von Augustus erinnerte, als er dieselbe Einladung gegen Cinna aussprach.

Und er bezeichnete ihm zugleich eine Art von römischem Armstuhl.

Salvator rückte seinen Stuhl so nahe, als er konnte, zu dem des Maire.

Nachdem die ersten Höflichkeiten ausgetauscht waren, fragte der Maire Salvator:

»Was wünschen Sie, mein Herr?«

»Eine Auskunft, die Sie mir zu verweigern berechtigt sind, mein Herr, ich gebe es zu,« erwiderte Salvator, »die Sie aber, wie ich hoffe, dennoch mir zu geben die Gefälligkeit haben werden.«

»Sprechen Sie, mein Herr, und ist die Sache nicht meinen doppelten Pflichten als Beamter und als Bürger zuwider . . . «

»Ich glaube, Sie werden so urtheilen, mein Herr . . . Doch vor Allem erlaube ich mir, ohne unbescheiden sein zu wollen, die Frage: wie lange sind Sie Maire?«

 

»Seit vierzehn Jahren, mein Herr,« antwortete der wackere Mann, indem er sich in die Brust warf.

»Gut!« sagte Salvator. »Nun wohl, ich wünschte von Ihnen den Namen der Person zu erfahren. welche das Schloß Viry um das Jahr 1820 bewohnte.«

»Oh! mein Herr, der Eigenthümer hieß damals Herr Gèrard Tardieu.«

»Gèrard Tardieu!« wiederholte Salvator, sich des Schreis erinnernd, der so oft Rose-de-Noël während ihres Fiebers entschlüpft war: ›Oh! tödten Sie mich nicht, Madame Gerard!‹

»Ein höchst redlicher und ganz vortrefflicher Mann,« fuhr der Maire fort, »der zu unserem großen Bedauern die Gegend in Folge einer gräßlichen Katastrophe verließ.«

»Die sich hier zugetragen hat?« »Hier, an diesem Orte.«

»Gerade über dieses Abenteuer, mein Herr, wünschte ich zu reden,« sagte Salvator. »Wären Sie wohl so gefällig, es mir zu erzählen?«

Diejenigen von unsern Lesern, welche in der Provinz gewohnt haben oder noch in der Provinz wohnen, wissen, mit welchem Eifer jeder Einwohner einer kleinen Stadt den geringsten Vorfall annimmt, der die Monotonie seines Lebens brechen kann; sie werden sich also nicht wundern über den Strahl der Freude, der die Augen des Maire von Viry erleuchtete, als er die Zerstreuung witterte, die ihm dieser providentielle Fremde bot. Die aus dem Gesichte des wackeren Mannes glänzende Freude war eine an die Langsamkeit der Zeit gerichtete Beleidigung und drückte klar den spöttischen Gedanken aus: »So viel Gewalt über den Feind!«

Er erzählte Salvator die Geschichte von Herrn Gerard, von Orsola, von Herrn Sarranti und den zwei Kindern in ihren geringsten Einzelheiten; er überging nichts, was seinen Zuhörer interessieren und besonders die Erzählung verlängern konnte; gern hätte er, – der liebe Mann, – die Episoden dieses blutigen Abenteuers ins Unendliche vervielfältigen mögen, um so lang als möglich einen so kostbaren Gast bei sich zu behalten. Leider war es eine mittelmäßige Einbildungskraft, die des Herrn Maire von Viry: er erzählte also in ihrer erschrecklichen Einfachheit die ganze, unsern Lesern bekannte, gräßliche Geschichte.

Ueberdies erzählte er sie aus seinem Gesichtspunkte; so daß die interessante Person dieses Dramas Herr Gèrard war, der in der Geschichte des würdigen Maire vom Mörder Opfer wurde.

Der Erzähler breitete sich über die Verzweiflung eben dieses Herrn Gerard aus, von der er eine lange und schmerzliche Beschreibung machte.

Der Verlust der zwei Kinder besonders war nach der Behauptung des Herrn Maire so entsetzlich für seinen ehemaligen Amtsuntergebenen gewesen, – wegen der großen Liebe, die er für seinen Bruder hegte, – daß er nie von dem Einen oder dem Andern sprach, ohne in ein Schluchzen auszubrechen.

Salvator horte den braven Mann mit einer Aufmerksamkeit an, die ihm sein ganzes Wohlwollen erwarb.

Sodann, als er geendigt hatte, fragte Salvator:

»Ei! Sie haben von einem Herrn Gèrard, von einer Orsola, von einem Herrn Sarranti und zwei Kindern gesprochen . . . ?«

»Ja,« sagte der Maire.

»Gab es nicht auch eine Madame Grard?«

»Ich habe keine Frau von Herrn Gerard gekannt.«

»Sie haben Niemand vom Namen Madame Gerard gekannt? Denken Sie wohl nach.«

»Nein . . . wenn nicht etwa . . . warten Sie!«

Und der Maire lächelte mit Schlauheit und fuhr dann fort:

»Warten Sie, warten Sie; doch, doch, es gab wirklich eine Madame Gerard: das war die arme Orsola. welche die Leute, die sich gut mit ihr stellen wollten, Madame Gerard nannten; denn, mein Herr,« fügte der Maire sententiös bei, »Sie wissen, es ist die gewöhnliche Schwäche der Concubinen, zu wünschen, daß die Untergeordneten oder diejenigen, welche von ihnen abhängen, ihnen den Namen geben, den sie nicht zu tragen berechtigt sind . . . Sie wußten dies auch, die armen kleinen Kinder, und wollten sie etwas von ihrer Haushälterin erlangen, so verfehlten sie nicht, sie Madame Gerard zu nennen.«

»Ich danke, mein Herr,« sprach Salvator.

Sodann, nach einer Pause, fragte er:

»Und Sie sagen, mein Herr, welche Nachforschungen man auch unternommen, man habe weder Victor, noch die kleine Leonie wiederfinden können?«

»Nein, mein Herr, und man hat doch wohl gesucht.«

»Erinnern Sie sich dieser unglücklichen Kinder?« sagte Salvator.

»Vollkommen.«

»Ich spreche von ihrem Signalement.«

»Als ob ich sie noch sehen würde, mein Herr! Der Knabe war zwischen acht und neun Jahren; er war schön, frisch, blond . . . «

»Lange Haare?« fragte Salvator unwillkürlich schauernd.

»Lange, gelockte Haare, welche bis aus seine Schultern fielen.«

»Und das Mädchen?«

»Die Kleine mochte sechs bis sieben Jahre alt sein.«

»Blond wie ihr Bruder?«

»Oh! nein, mein Herr, das war eine ganz entgegengesetzte Natur: schmächtig und braun, mit großen, herrlichen schwarzen Augen, welche wegen ihrer Magerkeit ihr ganzes Gesicht einzunehmen schienen. . . . Dieser Herr Sarranti muß ein arger Bösewicht gewesen sein, um so seinem Wohlthäter hunderttausend Thaler zu stehlen und ihm seine zwei Kinder umzubringen!«

»Ich glaube,« fragte Salvator, »ich glaube, Sie haben mir gesagt, der Mitschuldige des Herrn Sarranti bei diesem Morde sei ein großer Hund gewesen, den man immer angebunden gehalten und wie einen Tiger gefürchtet habe?«

»Ja,« erwiderte der Maire, »ein Hund, den der Bruder von Herrn Gerard von der neuen Welt mitgebracht hatte.«

»Und was ist aus diesem Hunde geworden?«

»Mir scheint, ich habe Ihnen gesagt, in einem Augenblicke der Verzweiflung habe Herr Gèrard seine Büchse genommen und sie aus ihn abgefeuert.«

»So daß er getödtet worden ist?«

»Man weiß nicht, ob er todt ist; doch da es ein furchtbarer Hund war, so hat er den Schuß fortgetragen.«

»Erinnern Sie sich zufällig des Namens von diesem Hunde?«

»Warten Sie doch . . . ich werde mich wohl erinnern . . . er hatte einen seltsamen Namen . . . einen Namen von . . . wie soll ich sagen? Er hieß Brasil.«

»Ah!’ machte in seinem Innern Salvator. – »Brasil, Sie sind dessen sicher?«

»Oh! ja, ganz sicher.«

»Und dieser so böse Hund hatte die Kinder nie gebissen?«

»Im Gegentheile, er betete sie an, besonders die kleine Leonie.

»Mein Herr Maire,« sprach Salvator, »nun habe ich Sie nur noch um eine Gefälligkeit zu bitten.«

»Um welche, mein Herr, um welche?« rief der Maire überglücklich, etwas für einen Mann zu thun, der mit so großer Höflichkeit fragte und mit so viel Aufmerksamkeit zuhörte.

»Es darf nicht mein Verlangen sein, das Schloß zu besichtigen, das von unbekannten Personen bewohnt wird,« fuhr Salvator fort, »und dennoch . . . «

»Reden Sie, mein Herr, reden Sie!« rief der Maire, »und bin ich im Stande, die Auskunft, die Sie zu haben wünschen. Ihnen zu geben . . . «

»Ich hätte gern einen Plan der inneren Zimmer, der Küche, des Speisekellers, des Gewächshauses haben mögen.«

»Ah! mein Herr,« erwiderte der Maire, »das ist etwas Leichtes! Bei der Untersuchung der Sache, welche Untersuchung durch die Abwesenheit des Herrn Sarranti unterbrochen wurde, hat man einen Plan in Duplicat gemacht . . . «

»Und diese Pläne, was ist aus ihnen geworden, wenn ich fragen darf?«

»Der eine liegt bei den Acten, die sich in den Händen des Staatsanwalts befinden; der andere muß noch in meinen Cartons sein.«

»Wäre es wohl erlaubt, eine Copie von dem zu nehmen, welcher in Ihren Händen geblieben ist?« fragte Salvator.

»Gewiß, mein Herr.«

Der Maire öffnete vergebens mehrere Cartons, dann fiel er aus den Gegenstand, den er suchte.

»Das ist es, was Sie verlangen.« sagte er. »Wünschen Sie nun ein Lineal, einen Bleistift, einen Cirkel zu haben, so kann ich Ihnen das verschaffen.«

»Ich danke, mein Herr, ich brauche keinen Maßstab der Verhältnisse; es genügt für mich, wenn ich eine allgemeine Uebersicht der Oertlichkeiten nehme.«

Salvator copirte den Plan mit der Sicherheit der Hand eines geübten Geometers; als seine Zeichnung vollendet war, sagte er, indem er das Papier zusammenfaltete und in die Tasche steckte:

»Mein Herr, ich habe Ihnen nur noch zu danken und mich zu entschuldigen wegen der Störung, die ich Ihnen verursacht.«

Der Maire betheuerte, Salvator habe ihn durchaus nicht gestört, und suchte ihn sogar beim Frühstück mit seiner Gattin und seinen zwei Demoiselles zurückzuhalten; so verlockend aber das Anerbieten war, Salvator glaubte es ausschlagen zu müssen. Der Maire, der sich erst so spät als möglich von seinem Gaste trennen wollte, geleitete ihn bis zur Thüre zurück und stellte sich, ehe er von ihm Abschied nahm, zur Verfügung des jungen Mannes in Betreff jeder neuen Auskunft, die in seiner Competenz wäre.

An demselben Tage führte Salvator Justin in der Loge der Wahrheitsfreunde ein, wo er ihn als Maurer aufnehmen ließ.

Es versteht sich, daß Justin ohne eine Miene zu verändern, alle Proben vollführte: er wäre durch das Feuer gegangen, er hätte die Brücke so scharf wie die Schneide eines Rasiermessers, welche vom Fegefeuer in das Paradies Mahomets führt, überschritten! War nicht Mina am Ende des rauhen, gefährlichen Weges?

Am andern Tage wurde Justin in einer Venta vorgestellt und aufgenommen.

Von dieser zweiten Ausnahme an hatte Salvator nichts Verborgenes mehr für seinen Freund, und er offenbarte ihm selbst die letzten Geheimnisse der weitumfassenden Verschwörung, welche 1815 begonnen hatte, aber erst im Jahre 1830 ihre Früchte geben sollte.

Lassen wir sie dieses große Werk der Empörung verfolgen, in welchem unsere Geschichte ihre Entwicklung finden wird, und kommen, uns dieser Geschichte durch ihre Krümmungen anschließend, aus Petrus und Fräulein von Lamothe-Houdan zurück.

CXLI
In Erwartung des Gatten

In dem balsamisch duftenden Gewächshause, wo wir Petrus mit so viel Liebe ein Portrait haben machen sehen, das er sodann mit so viel Grimm zerstörte, aus einem Canape liegend, bekleidet mit dem weißen Gewande der Bräute, bleich wie die Bildsäule der Verzweiflung, schaute Fräulein Regina von Lamothe-Houdan oder vielmehr die Gräfin Rappt, mit Augen, in denen sich die Bestürzung malte, ein Hundert um sie her zerstreuter Briefe an.

Derjenige, welcher in dieses Zimmer eingetreten wäre, oder der einfach einen Blick durch die ein wenig geöffnete Thüre geworfen hätte, würde das erschrockene Gesicht der jungen Frau sehend begriffen haben, die Ursache dieses stummen Schreckens sei das Lesen von einem oder von mehreren dieser Briefe, die sie mit Entsetzen und Ekel hatte aus den Boden fallen lassen.

Sie blieb einen Augenblick still und unbeweglich, während zwei Thränen langsam von ihren Augen aus ihre Brust floßen.

Dann zog sie mit einer beinahe automatischen Bewegung ihre niederhängende Hand bis zu ihrem Schooße heraus, nahm einen noch zusammengelegten Brief, entfaltete ihn und hob ihn zu ihren Augen empor; doch bei der dritten oder vierten Zeile ließ sie, als hätte sie nicht die Kraft gehabt, weiter zu gehen, den Brief aus den Teppich fallen, wo schon die anderen lagen.

Dann versenkte sie ihren Kopf in ihre beiden Hände und sann einen Augenblick nach.

Es schlug elf Uhr in einem anstoßenden Zimmer.

Sie entfernte ihre Hände von ihrem Gesichte und horchte, mit den Lippen und still die Schläge der Glocke zählend.

Als der elfte Schlag ertönt hatte und wieder erloschen war, stand sie auf, nahm alle Briefe zusammen, machte ein Päckchen daraus und schloß es in eine Chissonniere ein, deren Schlüssel sie hinter dem Fuße einer Strelizie verbarg; dann ging sie an eine Klingel und zog die Schnur mit einer raschen, nervigen Bewegung.

Eine alte Kammerfrau erschien.

»Nanon« sagte Regina, »es ist die Stunde; gehen Sie zu der kleinen Gartenthüre, welche aus das Boulevard des Invalides führt, und bringen Sie den jungen Mann hierher, den Sie vor dem Gitter wartend finden werden.«

Nanon durchschritt den Corridor, stieg die paar Stufen hinab, welche in den Garten führten, durchlief schräg Rasen und Gebüsche und streckte, nachdem sie die kleine Thüre, welche aus das Boulevard des Invalides ging, geöffnet hatte, den Kopf durch die Oeffnung dieser Thüre und suchte mit den Augen denjenigen, welchen sie zu ihrer Herrin geleiten sollte.

Obgleich nur drei Schritte von ihr, blieb Petrus doch unsichtbar, verborgen, wie er war, durch eine große Ulme, an welche er sich angelehnt hatte, und von wo aus er nach den Fenstern von Regina schaute.

Seltsam! der Pavillon, den Regina bewohnte, war nicht beleuchtet; der Pavillon ihr gegenüber war es eben so wenig: ein Trauerschleier schien von oben nach unten über das ganze Hotel geworfen.

 

Das einzige von einem schwachen Scheine, von einem Scheine dem ähnlich, welchen eine Todtenlampe in einer Gruft zittern macht, erleuchtete Fenster war das Fenster vom Atelier von Regina.

Was war denn vorgefallen? Warum hatte denn nicht dieses ganze große Haus ein festliches Aussehen? warum hörte man nicht die Musik eines Balles? warum diese Stille«

Als er die kleine Thüre sich öffnen und die Kammerfrau erscheinen sah, machte sich Petrus, der, wie Regina, die elf Glockenschläge gezählt hatte, von dem Baume los, an den er angenagelt zu sein schien, und fragte:

»Suchen Sie nicht mich, Nanon?«

»Sie, Herr Petrus; ich komme im Austrage . . . «

»Der Prinzessin Regina, ich weiß es,« unterbrach der junge Mann ungeduldig.

»Im Austrage der Gräfin Rappt,« sagte Nanon.

Petrus fühlte einen Schauer seine Adern durchlaufen; ein kalter Schweiß perlte aus seiner Stirne. Er drückte seine Hand an den Baum, um sich eine Stütze zu geben.

Bei den Worten: »Im Austrage der Gräfin Rappt,« dachte er an einen Gegenbefehl. Glücklicher Weise fügte Nanon bei:

»Folgen Sie mir.«

Und die Thüre demaskierend, die sie wieder hinter sich schloß, ließ sie Petrus in den Garten eintreten.

Ein paar Sekunden nachher öffnete sie die Thüre des Atelier, und im Halbschatten erblickte der junge Mann seine geliebte Regina, oder vielmehr, wie es ihm Anfangs schien, das Gespenst von derjenigen, welche er gekannt hatte.

»Hier ist Herr Petrus,« sagte die Kammerfrau den jungen Mann einführend, der bei der Thüre stehen blieb.

»Es ist gut,« erwiderte Regina; »lassen Sie uns allein und bleiben Sie im Vorzimmer.«

Nanon gehorchte, und Petrus und Regina fanden sich allein.

Regina winkte Petrus mit der Hand, näher zu kommen; doch der junge Mann rührte sich nicht vom Platze.

»Sie haben mir die Ehre erwiesen, mir zu schreiben, Madame,« sagte er, indem er einen besondern Nachdruck aus dieses letzte Wort mit der unbarmherzigen Härte der verzweifelten Liebhaber legte.

»Ja, mein Herr,« erwiderte Regina mit sanftem Tone, denn sie begriff, was sie Alles leiden sollte; »ja, ich habe mit Ihnen zu sprechen.«

»Mit mir, Madame? Sie haben mit mir zu sprechen am Abend eines Tages, wo ich beinahe vor Schmerz gestorben wäre, als ich erfuhr, die Trauung sei vollzogen worden, die Sie für immer an den Mann bindet, welchen ich am meisten aus der Welt hasse?«

Regina lächelte traurig, und man konnte in diesem Lächeln lesen: »Und ich auch, glauben Sie, ich hasse ihn weniger, als Sie?«

Sodann laut, und ehe dieses Lächeln von ihren Lippen verschwunden war:

»Nehmen Sie das Tabouret von Abeille und setzen Sie sich zu mir.«

Beherrscht durch die zugleich sanfte und ernste Stimme von Regina gehorchte Petrus.

»Näher,« sagte Regina, »noch näher . . . hier! schauen Sie mich nun wohl an! . . . ja, so.«

»Mein Gott!« murmelte Petrus, »mein Gott! wie bleich sind Sie!«

Regina schüttelte den Kopf.

»Das sind nicht die frischen Farben einer Braut, nicht wahr, mein Freund?«

Petrus schauerte, als ob diese zwei Worte: mein Freund, ein in seine Brust eindringendes Eisen wären.

»Sie leiden, Madame?« sagte er.

Das Lächeln von Regina nahm eine Tinte unaussprechlichen Schmerzes an.

»Ja, ich leide,« antwortete sie, »entsetzlich!«

»Was haben Sie, Madame? . . . Sagen Sie mir, was Sie haben . . . Ich bin hierher gekommen in der Absicht, Sie zu verfluchen, und nun fühle ich mich bereit, Sie zu beklagen.«

Die junge Frau schaute Petrus starr an.

»Sie lieben mich?« fragte sie.

Petrus schauerte, und ganz stammelnd, ganz bebend antwortete er:

»Madame . . . «

»Ich frage, ob Sie mich lieben, Petrus,« wiederholte die junge Frau mit einer bis zur Feierlichkeit ernsten Stimme.

»An dem Tage, wo ich zum ersten Male in dieses Atelier eingetreten bin, – und das sind drei Monate her. – liebte ich Sie schon,« sprach Petrus; »heute, da es drei Monate sind, liebe ich Sie mit dem Unterschiede, daß ich Sie, da ich Sie besser kenne, mehr liebe.«

»Ich täuschte mich nicht,« sprach Regina, »als ich mir sagte, Sie lieben mich zärtlich und tief. Die Frauen täuschen sich hierin nicht, mein Freund! Doch tief und zärtlich lieben, ist nur ein wenig mehr und ein wenig besser lieben, als man gewöhnlich liebt; ich will für Sie etwas Ernstes und Heiliges, Geachtetes und Theures sein! . . . Seit zwei Stunden, mein Freund, habe ich nur Sie aus der Welt, auf den ich mich stützen kann, und lieben Sie mich nicht zugleich wie der Liebhaber die Geliebte liebt, wie der Bruder seine Schwester liebt, und wie der Vater seine Tochter liebt, so weiß ich nicht mehr, wer mich hienieden lieben würde.«

»Der Tag, an welchem ich Sie zu lieben aufhören werde,« antwortete der junge Mann mit derselben feierlichen Traurigkeit, »dieser Tag wird mein letzter Tag sein; denn meine Liebe und mein Leben sind durch denselben Hauch belebt! Sie haben mich vor der Verzweiflung gerettet, in die mich diese Epoche des Zweifels, in der wir leben, versenkt hatte! Schon gegen den Abgrund des Nichts geneigt, dessen schwindelhafte Tiefe unsere Jugend anzieht, glaubte ich die Kunst verloren für mein Land, und ich führte das unverständige Leben der Leute meines Alters; ich hatte aus die Arbeit verzichtet, ich war im Begriffe, Palette und Pinsel zum Fenster hinauszuwerfen und die Kunst, die mit Gott gegeben, die Energie, die ich in mir fühlte, sich in einer gefährlichen Thätigkeit oder in einer apathischen Resignation verzehren, vernichten zu lassen. Eines Tags begegnete ich Ihnen, Madame, und von diesem Tage an kehrte ich zum Leben zurück, hatte ich Vertrauen zu meiner Kunst; von diesem Tage an glaubte ich an die Zukunft, an das Glück, an den Ruhm, an die Liebe, denn Ihre verständige Güte hob mich wieder in meinen eigenen Augen und öffnete mir alle Zauberwege des Daseins! Fragen Sie mich also nicht, Madame, ob ich Ihnen alle meine Liebe schuldig sei, denn ich werde Ihnen antworten: ›Nicht nur alle meine Liebe, Regina, sondern auch mein ganzes Leben!‹

»Gott behüte mich, daß ich je an Ihnen zweifle, mein Freund!« erwiderte Regina, deren Gesicht sich mit der Röthe einer stolzen Freude bedeckte; »ich bin Ihrer Liebe so sicher, als Sie der meinigen versichert sein können.«

»Der Ihrigen? ich, Madame?« rief Petrus.

»Ja, Petrus,« sprach ruhig die junge Frau, »und ich denke Ihnen nichts Neues mitzutheilen, wenn ich Ihnen sage, ich liebe Sie; befragte ich Sie, so geschah es, glauben Sie mir, weniger um einen Schwur zu hören, von dem ich wußte, er sei mir im Grunde Ihres Herzens gethan, als um ein paar Worte der Liebe zu hören, welche, heute besonders, ein ungeheures Bedürfniß für mich sind, das schwöre ich Ihnen!«

Petrus glitt von seinem Tabouret aus seine Kniee, und gebeugt, nicht wie vor einer Frau, die man liebt, sondern wie vor einer Heiligen, die man anbetet, sprach er:

»Hören Sie, Madame, Sie sind nicht nur die Person, die ich am tiefsten liebe, sondern auch die, welche ich am meisten aus der Welt schätze, achte, verehre!«

»Ich danke, mein Freund!« sagte Regina, indem sie ihre Hand in die von Petrus fallen ließ.

»Und dennoch sprach der junge Mann, »gestehen Sie, daß ich, um Sie so zu lieben, wahnsinnig sein muß.«

»Warum dies?«

»Weil Sie zu mir nicht das Vertrauen gehabt haben, das ich zu Ihnen hatte.« Regina lächelte traurig.

»Ich habe meine Heirath vor Ihnen verborgen.«

Petrus schwieg oder antwortete vielmehr nur durch einen Seufzer.

»Ach!« fuhr Regina fort, »diese Heirath, ich wollte sie vor mir selbst verbergen. Ich hoffte immer, irgend eine unvorhergesehene Katastrophe, irgend eines von den Ereignissen, aus welche die Verzweiflung rechnet, werde kommen und den Vollzug verhindern. Dann würde ich Ihnen, bleich und zitternd wie der Reisende, der einer Todesgefahr entgangen ist, gesagt haben: ›Freund! sehen Sie, wie bleich und zitternd ich bin! Das kommt davon her, daß ich Sie beinahe aus immer verloren hätte, daß wir beinahe für immer getrennt worden wären! Doch hier bin ich, beruhigen Sie sich! keine Gefahr bedroht mich mehr, und ich gehöre Ihnen, ganz Ihnen!‹ Die Dinge sind nicht so gewesen: die Tage sind ihren gewöhnlichen Gang gegangen, ohne ein unvorhergesehenes Ereigniß, ohne eine wohlthätige Katastrophe; die Stunden sind den Stunden gefolgt, die Minuten den Minuten, die Secunden den Sekunden; der unglückselige Augenblick ist gekommen, wie er für den Verurtheilten kommt: nach der Verwerfung des Cassationsgesuches, die Verwerfung des Gnadengesuches, dann der Priester, dann der Henker!«

»Regina! Regina! und was bin ich? Warum rufen Sie mich? Was soll ich hier thun?«

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